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Funktionieren die Mechanismen der Behörden bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch?

Martin Hostert

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Der Campingplatz "Eichwald" in Lügde-Elbrinxen soll der Tatort von 20 Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern sein. Ein 56-jähriger Dauercamper ist einer von drei Männern, die in Untersuchungshaft sitzen. - © Bernhard Preuss
Der Campingplatz "Eichwald" in Lügde-Elbrinxen soll der Tatort von 20 Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern sein. Ein 56-jähriger Dauercamper ist einer von drei Männern, die in Untersuchungshaft sitzen. (© Bernhard Preuss)

Kreis Lippe. Bislang haben sich bei der Telefonberatung des Kreises Lippe 18 Anrufer gemeldet, die Hilfe in Sachen „Sexueller Missbrauch" suchten. Drei Informationen hat der Kreis sofort an die Polizei weitergegeben.

Dies berichtete Landrat Dr. Axel Lehmann am Donnerstag in der Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses. „Diese Verdachtsfälle stehen aber in keinem Zusammenhang mit Lügde." Es zeige aber, wie brennend das Thema sei. Lehmann erklärte zur Rolle des lippischen Jugendamtes, „mit dem heutigen Wissen um die ungeheuerlichen Verbrechen hätten wir fraglos andere Hilfsmöglichkeiten gehabt."

Eine Fachfrau des Landesjugendamtes Münster untersuche derzeit, ob die Mechanismen im Kreisjugendamt bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch funktionierten. Sie schaue, ob Hilfen zusätzlich angeboten werden könnten.

Politiker aller Fraktionen kritisierten, dass der Ausschuss nicht allerspätestens im November informiert worden sei. Sozialdezernent Karl-Eitel John entschuldigte sich ausdrücklich. Er sei von der Pressekonferenz überrascht worden; es folgte der bundesweite Presse-Rummel.

Lehmann verwies auf „eindringliche Polizeibitten", wegen der Ermittlungen nichts nach außen dringen zu lassen. „Daran haben wir uns gehalten – auch wenn ich Ihren Ärger verstehe." Stephan Grigat (CDU) und andere konterten: „Sie müssen uns doch vertrauen. Wir hätten in jedem Fall nicht-öffentlich informiert werden müssen. Der Ausschuss ist Teil des Jugendamtes."

John schilderte die Rolle des Jugendamtes detailliert. So habe dieses nach der Meldung aus dem Jobcenter sofort zwei unangemeldete Hausbesuche in Elbrinxen gemacht. „Das war dort grenzwertig. Wir haben den Pflegevater aber nicht angetroffen und einbestellt."

Dieser sei noch am gleichen Tag in Detmold erschienen, gemeinsam mit der sozialpädagogischen Familienhilfe aus Hameln. Er habe sich kooperativ gezeigt. Bei einem dritten Hausbesuch sei die Wohnsituation okay gewesen, das habe man nach Hameln weitergegeben. Im Januar 2017 habe das Jugendamt die Akte geschlossen, im November 2018 nach der Anzeige wieder geöffnet und das Kind in Obhut genommen.

Grüne hinterfragen Jugendamt

Der Fall Lügde wird nun auch zum Politikum. Landrat Dr. Axel Lehmann (SPD) sagte gestern, es sei „irritierend", dass sich eine andere „große Kreistagsfraktion" zu Wort gemeldet und Dinge gefordert habe, „die wir längst machen." Der Fall dürfe nicht instrumentalisiert werden.

Er spielte auf eine CDU-Pressemitteilung an. Sie fordert, dass in Lippe zusätzlich und zeitgleich zu den Ermittlungen die Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die CDU wünsche sich, dass sich der Landrat als Leiter von Polizei und Jugendamt in der Aufarbeitung „an die Spitze stellt."

Auch die Grünen meldeten sich gestern zu Wort. Fraktionschef Werner Loke sagte nach der Jugendhilfeausschuss-Sitzung, er sei „ausgesprochen sauer". Denn: „Wenn bei unserem Kreisjugendamt binnen weniger Wochen zwei Hinweise auf möglichen Missbrauch auflaufen, reicht es nicht, rauszufahren und das zuständige Hamelner Jugendamt zu informieren. Da hätte Lippe nachfragen und handeln müssen."

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