Frühförderstellen arbeiten in Lippe Hand in Hand

Lemgo/Detmold. Wenn Kinder behindert oder in ihrer Entwicklung verzögert sind, bekommen sie heilpädagogische Hilfe in Frühförderstellen. Seit 40 Jahren schon bieten die Lebenshilfe Lemgo und der Detmolder Verein &bdquo;Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kleinstkinder" diese heilpädagogische Unterstützung an. Nun haben sie sich unter dem Dach der Lebenshilfe zusammengeschlossen.

Neue Regelungen im Bundesteilhabegesetz machen es nötig, dass sich die Vereine gemeinsam für diese Veränderungen wappnen. Bislang zahlt der Kreis die Frühförderung als Eingliederungshilfe, die Krankenkassen finanzieren eventuell notwendige weitere Therapien. Ab 2020 trägt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die Kosten – und zwar nur noch für interdisziplinäre Frühförderung laut Bundesteilhabegesetz. Will heißen: Nicht mehr nahezu ausschließlich Heilpädagogen, sondern auch Ergo-, Physio- oder Sprachtherapeuten sowie Motopäden sollen den Kindern helfen und werden dann aus einem Topf bezahlt. Damit nicht genug der Neuerungen: Künftig werden die Therapeuten den Familien nicht mehr zuhause, sondern in Detmold oder Lemgo helfen. Auch der Verwaltungsaufwand wird steigen, mit den neuen Kostenträgern muss neu verhandelt werden.

Lauter Veränderungen, die laut Olaf Heilig von der Lebenshilfe neue Angebote für Kinder und ihre Familien erfordern. 17 Mitarbeiterinnen des Detmolder Vereins sind nun bei der Lebenshilfe angestellt. &bdquo;Inhaltlich passt das gut", ist Jörg Rother von der Lebenshilfe sicher. &bdquo;Wir versprechen uns, wirklich alle Kinder professionell betreuen zu können."

Etwa 500 Jungen und Mädchen bedürfen in Lippe der Hilfe. Es werden mehr, auch weil Entwicklungsverzögerungen heute eher erkannt würden, sagt Heilig. Die Frühförderung greift von der Geburt bis zur Einschulung. Die Hilfe ist für die Familien kostenlos. Heilig und Rother sehen da ein Plus, das die Lebenshilfe in den Zusammenschluss einbringt: Sie hat in ihren Einrichtungen die Kompetenzen und Erfahrungen, auch ältere Kinder therapieren zu können, zum Beispiel mit Schulassistenzen oder sozialpädagogischen Familienhilfen.

Der Verein wird unter einem neuen Namen weiter aktiv sein. &bdquo;Sinnenvoll – Verein zur Unterstützung von Kindern mit Entwicklungsrisiken und deren Familien" heißt er jetzt. &bdquo;Wir wollen ergänzende Unterstützung anbieten", verspricht Vorstandsvorsitzende Brigitte Runte. Dazu gehören Bauernhofbesuche mit Geschwisterkindern, Familiennachmittage oder tiergestützte Pädagogik.

Dass die Familien künftig nicht mehr zu Hause besucht werden, sondern fahren müssen, sehen die Fachleute mit gemischten Gefühlen. Zum einen sei der Einblick in die häusliche Umgebung wichtig, zum anderen gibt es in Detmold oder Lemgo mehr Therapiemöglichkeiten. Perspektivisch sei der Aufbau weiterer Anlaufstellen in Lippe denkbar, sagt Heilig.

"Pragmatische Lösung" Ein Kommentar von Martin Hostert

Immer mehr Mädchen und Jungen brauchen Frühförderung. Ihre Zahl steigt, weil die Diagnostik und Sensibilität von Eltern, Erziehern, Ärzten und anderen besser geworden ist, wie die Experten der Frühförderstellen sagen. Und – darauf weist Professor Thomas Brune, Chefarzt der Kinderklinik, hin – weil viele Migrantenkinder Defizite haben.

Die Zahl der Kinder steigt also – und ebenfalls, bedingt durch das Bundesteilhabegesetz – die Anforderungen an die Arbeit. Gut also, dass die beiden großen Anbieter von Frühförderung in Lippe sich zusammengeschlossen haben. Das ging geräuschlos vonstatten.

17 Vereins-Mitarbeiterinnen haben einen neuen Chef, die Lebenshilfe Lemgo neue Angestellte. Beide Partner bringen ihre Kompetenzen und Erfahrungen ein und reagieren pragmatisch, denn die Veränderungen im Bundesteilhabegesetz sind politisch gewollt. Und multiprofessionelle Hilfe aus einer Hand anzubieten, ist sicherlich eine gute Sache; welche öffentliche Hand sie bezahlt, ist den Eltern herzlich egal. Dass diese Hilfe jedoch in aller Regel nicht mehr bei den Familien zuhause erfolgt, ist im ländlichen Lippe kritisch. Es gilt, Erfahrungen abzuwarten und dann eventuell mit dezentralen Angeboten zu reagieren.

Das Klinikum hatte vor anderthalb Jahren eindringlich für ein IFF am Krankenhaus geworben. Die Pläne schlummern vor sich hin – in welchen Schubladen auch immer. Derweil haben die bestehenden Anbieter der Frühförderung gehandelt. Gut so.

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