Prozess um den Führerscheinkönig muss weitergehen

Kreis Lippe. Die drei Rechtsanwälte des selbst ernannten Führerscheinkönigs Rolf Herbrechtsmeier und seiner Ehefrau blättern in den Akten – kein Blick in Richtung Staatsanwaltschaft. Gegenüber sitzt ein einsamer Staatsanwalt Björn Heidberg und blickt auf sein Smartphone. Normalerweise tauschen sich die Juristen vor Prozessbeginn aus, doch an diesem Verhandlungstag verweigern die Streitparteien sogar den Handschlag. Die Anklage wirft Herbrechtsmeier und seiner Frau hundertfachen Betrug und Steuerhinterziehung vor. Der 52-Jährige soll vielfach Gelder seiner Kunden für neue Führerscheine aus dem EU-Ausland eingesammelt, aber nicht geliefert haben. Bis Mai hat das Gericht insgesamt 40 Termine in diesem festgelegt.

Doch bereits am 15. Verhandlungstag des Mammutprozesses vor der Detmolder Wirtschaftskammer steht die Abtrennung des Verfahrens gegen Herbrechtsmeier im Raum, weil sein Vertrauensanwalt, Dr. Carsten Ernst, nicht mehr neben ihm sitzen darf. Trotz der aufgeheizten Stimmung bleibt die Vorsitzende Richterin Sabine Diekmann cool. Nach fünfstündiger Verhandlung lehnt sie alle Anträge ab. Der Prozess wird am 26. Februar mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

Zuvor hatte Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder aus Bielefeld die Detmolder Staatsanwaltschaft als Auslöser der &bdquo;vergifteten Atmosphäre" im Saal bezeichnet. Die Behörde habe grundlos Anzeige wegen Parteiverrats gegen Rechtsanwalt Dr. Ernst, einen den beiden Verteidiger von Rolf Herbrechtsmeier, erstattet. &bdquo;Die Anzeige ist willkürlich, damit will sie einen unbequemen Verteidiger loswerden", schimpft Binder. Nach der Anzeige wurde der Jurist vom Gericht entpflichtet und darf den Angeklagten nicht mehr vertreten, da er 2012 einen Ex-Kunden des &bdquo;Führerscheinkönigs" in einem Zivilprozess gegen Herbrechtsmeier vertreten haben. Nun ermittelt die Bielefelder Staatsanwaltschaft.

Der so angegriffene Staatsanwalt Heidberg erklärte: &bdquo;Weder ich noch mein Kollege Christopher Mergelmeyer haben dieses Verfahren gegen den Rechtsanwalt eingeleitet." Er könne nur auf die Aussage von Stefan Peitscher, Hauptgeschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Hamm, hinweisen. Dieser hatte gegenüber der LZ gesagt: &bdquo;Laut Rechtssprechung ist ein Anwalt nach Übernahme eines Mandats auf Lebenszeit daran gehindert, in gleicher Sache für die Gegenseite zu arbeiten."

Doch dies sahen die übrigen Verteidiger anders – sie reichten mehrere Befangenheitsanträge gegen die Richter und die Kammer ein, da sie an der Rechtmäßigkeit der Entpflichtung zweifelten. Anschließend beantragte Ralf Sugland, zweiter Verteidiger des Angeklagten, die &bdquo;Aussetzung" des Verfahrens, ohne den ausgeschlossenen Anwalt sei ein fairer Prozess nicht möglich. &bdquo;Ein neuer Kollege braucht Monate, um sich einzuarbeiten, daher muss das Verfahren gegen Rolf Herbrechtsmeier neu gestartet werden", so Sugland. Das Gericht lehnte die Befangenheits- und Aussetzungsanträge ab.

&bdquo;Genau für solch einen Ausfall eines Verteidigers, hat der Angeklagte ja zwei Anwälte", so Richterin Diekmann. Nach LZ-Informationen soll Rechtsanwältin Franziska Janßen, ebenfalls aus der Kanzlei Binder, Verteidiger Dr. Ernst ersetzen. Keine Vorbilder in schwarzen Roben Kommentar von Erol Kamisli

Die provokante Art, mit der Rolf Herbrechtsmeier seit Dezember polarisiert, scheint ansteckend zu sein. Strafverfahren gegen einen Verteidiger wegen Parteienverrats, Befangenheitsanträge gegen die Richter, Beleidigungen in Richtung der Staatsanwälte – während der vergangenen Prozesstage standen nicht die Schuld oder Unschuld der Angeklagten im Fokus, sondern das Verhalten der Juristen. Sie geizten auch hinter vorgehaltener Hand nicht mit Beleidigungen der Gegenpartei, die teilweise unter die Gürtellinie gingen – solche Beleidigungen hatten Prozessbeobachter in der Vergangenheit nur vom 52-jährigen Angeklagten vernommen.

Auch am Donnerstag: Kein Handschlag, kein freundliches Lächeln zwischen den Streitparteien. Auch eine Entschuldigung wäre fällig gewesen, denn Kollegen als &bdquo;linke Ratten" zu bezeichnen oder demonstrativ das Smartphone auf den Tisch zu legen, wenn der andere spricht, hat keinen Stil und taugt nicht als Vorbild für die Jugendlichen, die im Besucherbereich sitzen. Die Männer in Roben sind derzeit keine Vorbilder. Ebenso wenig wie das Gebaren des Angeklagten.

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