So versuchen Einsatzkräfte ihre Erlebnisse zu verarbeiten

Leopoldshöhe . Der Helm für Feuerwehrleute ist Standard. Die Ausrüstung mit Atemschutz bei entsprechenden Einsätzen auch, die Schutzkleidung sowieso, Handschuhe, Reflektoren an der Jacke, das alles gehört dazu. Um Leben und Leib der Männer und Frauen bei den Einsätzen schützen zu können. Das ist etabliert, arbeitsschutzrechtlich auch klar geregelt. Im Arbeitsschutzgesetz geht es aber genauso um die psychische Gesundheit. Bei der Leopoldshöher Freiwilligen Feuerwehr gibt es ein dreiköpfiges Team, das den Kameraden Angebote macht, eben diese Gesundheit auch zu behalten, notfalls auch wieder herzustellen.

Arbeitgeber, Führungskräfte – auch bei der Freiwilligen Feuerwehr – müssen laut Arbeitsschutzgesetz dafür Sorge tragen, dass es Maßnahmen zum Schutz der physischen Gesundheit gibt – und seit einigen Jahren auch ausdrücklich der psychischen. Bei der Freiwilligen Feuerwehr sind Petra Schubert, Michael Bschorr und Britta Heuckeroth mit dieser Aufgabe betraut. PSU heißt das, Psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte. Sie haben an diesem Abend im Gerätehaus am Schuckenteichweg schon viel erzählt über ihre Aufgabe. Warum sie sie machen, wie alles anfing, dass mittlerweile das Hauptaugenmerk der PSU auf Prävention liegt, also auf Vorbeugung. Besprechen, was während des Einsatzes gelaufen ist. Erklären, was den Kameraden zu schaffen machen kann, dass Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, vielleicht auch Flashbacks oder depressive Stimmung später einsetzen können. Lange nach den Einsätzen, bei denen es schnell und konzentriert laufen muss. Bei denen die Abläufe schon hundertfach vorher geübt worden sind. Bei denen aber auch Opfer schreien, weinen, zitternd und frierend dastehen. Bei denen Angehörige, aber auch Zeugen und Unbeteiligte vielleicht mal die Kontrolle verlieren, ausrasten. Weil sie an einer Absperrung vorbei wollen. Weil sie mit dem Handy filmen und so nah heranrücken, dass sie den Einsatz erschweren und die Menschenwürde der Opfer missachten.

Oder bei denen ein Mann auf einmal um sich schlägt, den Leopoldshöher Feuerwehrleute nur retten wollten. Der Mann schläft, in seiner Wohnung brennt es, sie ist verqualmt. Ein Feuerwehrmann mit Atemschutzgerät vor dem Gesicht will ihn wecken, muss ihn schütteln, damit er aufwacht. Der Mann wacht auf und schlägt zu.

In der Besprechung und mit Unterstützung des PSU-Teams konnte dann geklärt werden, wie es dazu kam. Jeder sagte, was er wann und wo gemacht hatte. Aus diesen Zusammentragen der Geschehnisse wurde schnell deutlich, dass es eben nicht um Gewalt im Einsatz gegangen war. Und der Kamerad, der den Schlag abgekriegt hatte, konnte die Situation schlussendlich gut einordnen, seinen Schrecken lindern.

Christoph Keßler ist Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe. Er kennt die anfänglichen Vorbehalte seiner Kameraden, aber auch von Feuerwehrleuten aus anderen Städten und Gemeinden gegenüber dem PSU-Angebot. Anfangs wurde es ein bisschen belächelt, es wurde ein bisschen abgewiegelt, die Notwendigkeit angezweifelt.

Petra Schubert nickt. &bdquo;Jeder hatte Angst, er muss uns alles erzählen", sagt die 51-Jährige, die das PSU-Team für den gesamten Kreis Lippe leitet. Anfangs wurde bei den Einsatznachbereitungen tatsächlich sehr viel geredet, mittlerweile gehe es stärker um Prävention, die PSU ist auch Thema bei der Feuerwehr-Ausbildung. Es geht viel über Kommunikation, Zuhören, es geht darum, jemanden zu helfen, sich über etwas klar zu werden."

Wenn es zu Hause nicht gut läuft, wenn ein Elternteil schwer krank ist, es einen Trauerfall in der Familie gibt, wenn jemand zu viel Alkohol trinkt – all das kann die psychische Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz, beeinträchtigen. Irgendwann reißt dann auch mal dem stärksten Feuerwehrmann die Belastungsschnur. Christoph Keßler selbst erzählt von seinem Nervenzusammenbruch – ein halbes Jahr, nachdem er bei einem Einsatz wegen eines Verkehrsunfalls zum ersten Mal erleben musste, dass ein Unfallopfer gestorben war. Er hatte damals mit dem Wehrführer gesprochen, und der hatte ihm Gespräche mit dem Fachberater Seelsorge in Bad Salzuflen empfohlen. Das habe ihm geholfen, sagt Christoph Keßler. &bdquo;Es geht mir gut."

Mittlerweile, so schätzt es Christoph Keßler ein, hätten die meisten Kameraden einen weiteren Nutzen ihrer PSU-Einheit schätzen gelernt. Auch weil Petra Schubert, Michael Bschorr, der zusätzlich noch Fachberater Seelsorge ist, und PSU-Helferin und Erzieherin Britta Heuckeroth bei stressigen Einsätzen helfen können, zu deeskalieren, wenn Betroffene außer sich sind. Oder wenn sie sich darum kümmern, dass betroffene Bürger am Einsatzort einen warmen Unterschlupf finden und sie so ihren Kameraden den Rücken freihalten.

Therapeuten seien sie nicht, das gehöre nicht zu ihrem Aufgabenfeld. Vorschläge können sie machen, erklären Michael Bschorr und Petra Schubert, entscheiden muss aber letztendlich der Einsatzleiter, wenn es beispielsweise darum gehe, jemanden aus einem Einsatz zu nehmen, weil die Belastung für denjenigen in dem Moment zu groß ist. Die Entscheidung liegt genauso beim Kameraden selbst. Manchmal helfe ihr ihr Bauchgefühl, sagt Petra Schubert. Wenn es darum gehe, ob jemand nein sage oder nein sage und ja meine. Ob er ein Gespräch wolle, über was auch immer. Die Kinder, die Sucht, die Probleme, die Belastung, das Gefühl, am Ende zu sein. Im Café, zu Hause, ganz egal wo. Oder ob er therapeutische Unterstützung braucht. Um ganz gesund zu werden. An Leib und Seele.

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