Missbrauchsprozess in Detmold: Familie glaubt dem Kind nicht

Detmold . Mit neongelben Sportschuhen und grellpinken Pulli sitzt die Mutter der kleinen Claire ( Name geändert ) im Zeugenstand, während sich ihr Ehemann Tobias W. vor dem Landgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs an ihrer Tochter verantworten muss. 81 Mal hat der 38-jährige Detmolder sich von Ende Dezember 2017 bis Januar 2020 an dem heute elf Jahre alten Mädchen vergangen, sagt das Kind.

Vor Gericht passiert genau das, wovor sich viele Opfer fürchten. Mutter Natascha glaubt ihrer eigenen Tochter nicht. Dagegen bewertet die Jugendschutzkammer unter Vorsitz von Richterin Anke Grudda die nicht öffentliche Aussage des Mädchens als glaubwürdig und verurteilt den Stiefvater am Ende eines langen Verhandlungstages zu sechs Jahren Haft. Die Kammer hat keine Zweifel an den Angaben des Mädchens. &bdquo;So detailliert und schlüssig kann sich das kein Kind in diesem Alter ausdenken", sagt die Richterin.

Besonders &bdquo;dreist" sei, dass der 16-fach vorbestrafte Angeklagte etliche Taten während seines Ausgangs aus der JVA begangen habe. Bis November 2018 hatte W. noch eine Strafe wegen Körperverletzung abgesessen.

&bdquo;So kann es ein Kind nur beschreiben, wenn es das selbst erlebt hat" Tobias W. bestreitet die Vorwürfe bis zuletzt. &bdquo;Für mich ist eine Welt zusammengebrochen", sagt er zu Beginn und kämpft kurz mit den Tränen. Er sei streng gewesen und manchmal vielleicht zu aufbrausend, aber pädophil sei er nicht. &bdquo;Ich würde nie ein Kind anfassen", sagt er. Seine Frau Natascha hält zu ihm. &bdquo;Ich habe meine Töchter nie mit ihm allein gelassen", schwört die Mutter.

Richterin Anke Grudda runzelt mit der Stirn. &bdquo;Nie? Das kann ich mir nicht vorstellen." Die Kammer schätzt die Äußerungen der Mutter als lebensfremd ein. Ein paar Ungereimtheiten in der Aussage des Mädchens, die die Verteidigung anprangert, dagegen als altersgerecht. Grudda: &bdquo;Weder Mutter noch Schwester haben ihr geglaubt, das ist ein großes Paket."

Die Elfjährige habe detailliert von den Übergriffen berichtet, die immer dann passierten, wenn ihre Mutter weg war. Der Stiefvater soll das Kind im Intimbereich angefasst, zu Oralverkehr gezwungen und mehrfach vergewaltigt haben. &bdquo;So kann es ein Kind nur beschreiben, wenn es das selbst erlebt hat", sagt Grudda.

Claire und ihre Schwester sind im Heim untergebracht

Verteidiger Torsten Giesecke scheint spätestens nach der Aussage des Mädchens klar zu sein, was seinem Mandanten blüht. &bdquo;Es läuft schlecht", sagt er auf dem Flur. Dennoch stellt Giesecke den Antrag, die Glaubwürdigkeit des Kindes von einem Sachverständigen begutachten zu lassen. &bdquo;Weil ein paar Zweifel bleiben", sagt er. Das Gericht lehnt ab. Die Kammer habe selbst den Sachverstand dafür, sagt Grudda.

Auch die Klassenlehrerin, der sich Claire mit Unterstützung ihrer Freundinnen anvertraute, beschreibt das Mädchen als lieb, ruhig und schüchtern. &bdquo;Wir haben gemerkt, dass es ihr nicht gut geht", sagt sie. Inzwischen sind Claire und ihre zehnjährige Schwester im Heim untergebracht. &bdquo;Diese Konsequenzen hat das Mädchen auf sich genommen, obwohl sie ihre Mutter liebt", sagt Grudda, Staatsanwältin Jacqueline Kleine-Flaßbeck fordert sieben Jahre Haft. Verteidiger Torsten Giesecke will einen Freispruch. Er wird in Revision gehen.

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