Landrat-Favoriten gehen in die Verlängerung

Kreis Lippe. Die Stichwahl war bei fünf Kandidaten erwartbar. Und dass einer von beiden Favoriten am Ende knapp vorn liegen würde, ebenfalls. Dass der Unterschied zwischen Amtsinhaber Dr. Axel Lehmann (SPD) und Jens Gnisa (CDU) am Ende allerdings satte acht Prozentpunkte betragen würde, überraschte den ein oder anderen Beobachter im Kreishaus gestern Abend dann schon.

Wie es auch sei: Für den Amtsinhaber und seinen schärfsten Herausforderer geht der Wahlkampf in die Verlängerung. Beide treten am Sonntag, 27. September, in der Stichwahl erneut gegeneinander an. Heißt aber auch: Alle 282.000 Wahlberechtigten in Lippe sind am letzten September-Sonntag erneut zum Urnengang aufgefordert. Auch dann, wenn die Bürgermeisterwahl in in ihrer Heimatgemeinde gestern entschieden wurde.

Dr. Lehmann war mit dem Ausgang der Wahl zufrieden, auch er habe nicht damit gerechnet, dass es am gestrigen Sonntag einen Sieger geben werde. &bdquo;Die Wahrscheinlichkeit einer Stichwahl war bei fünf Kandidaten einfach sehr hoch“, sagte er nach der Auszählung im Gespräch mit der Lippischen Landes-Zeitung. Dass er von den Wählern mit deutlichem Vorsprung als Sieger aus der ersten Wahl hervorgehe, freue ihn. Dass sei, so der Amtsinhaber, ein Vertrauensbeweis. In den kommenden 14 Tagen werde er alles geben, versprach Lehmann. Vor Ort bei den Wählern. Aber auch in den sozialen Medien. Den Tonfall werde er allerdings nicht ändern, eine andere Rhetorik wolle er nicht. &bdquo;Ich bleibe bei meinen Themen, und ich bleibe authentisch.“

Sein ärgster Herausforderer Jens Gnisa war kurz nach Auszählung mit seinen Gedanken bereits am darauffolgenden Morgen. Dann, so verriet er, würden sofort alle Großplakate ausgetauscht. &bdquo;Für uns ist die Stichwahl keine Überraschung, wir sind bestens vorbereitet“, sagte der CDU-Mann, der – wie Lehmann – mit Familie ins Kreishaus gekommen war. In weiser Voraussicht habe er sich bis zum 28. September Urlaub genommen. Und in dem werde er mit ganzer Kraft Wahlkampf machen.

Diese Kraft benötigen die drei anderen Bewerber um das Landratsamt nicht mehr. Ursula Jacob-Reisinger (Die Linke) sowie Carsten Möller (FDP) waren mit ihren einstelligen Ergebnissen weit weg von der Stichwahl. Näher dran war da schon Robin Wagener von den Grünen, die sowohl bei der Landrats- als auch bei der Kreistagswahl ein für sie sehr gutes Ergebnis holten. Ob sich der Spitzenkandidat insgeheim ein besseres Ergebnis erhofft hatte, ließ er offen. Anzeichen dafür gab es. So beispielsweise seine Spitze Richtung Amtsinhaber &bdquo;Da haben sich die ganzen Grundsteinlegungen ja gelohnt“, raunte er Lehmann im Vorbeigehen zu.

Acht Parteien: Im Kreistag wird es bunt Kreis Lippe (mah). Die SPD hat vier, die CDU im Kreistag drei Sitze verloren, beide kommen nur noch auf 18 Mandate. Großer Gewinner sind die Grünen, die auf zwölf Mandate kommen. Für deren Fraktionschef Werner Loke war klar, dass die Lipper &bdquo;eine andere Öko-Politik“ gewählt haben. &bdquo;Das ist schon irre, dass wir deutlich über 18 Prozent kommen, wir hatten maximal 15 bis 17 Prozent erwartet.“ Robin Wagener hat nun die Bühne, im Kreistag grüne Politik zu machen und in fünf Jahren gegebenenfalls neu ins Landrats-Rennen zu gehen. Dass Loke ins die zweite Reihe rücken wird, gilt als ausgemacht.

SPD-Fraktionschef Henning Welslau war einigermaßen froh, dass die SPD dem Landestrend getrotzt hat – das Rennen mit der CDU um die stärkste Fraktion war lange offen und endete schließlichunentschieden, 18:18. Will heißen: der neue Landrat hat die entscheidende Stimme für eine schwarz- oder rot-grüne 31-Stimmen-Mehrheit. Dies gibt der Stichwahl in 14 Tagen noch eine noch größere Bedeutung. Andreas Kasper, CDU-Fraktionschef, analysierte die Stimmenverluste: &bdquo;Wie haben sicherlich ein Stück darunter gelitten, dass die kleineren Parteien aus dem bürgerlichen Lager, nämlich FDP und Aufbruch C, uns Stimmen abgenommen haben.“

Auch an die Grünen hätte die CDU wohl Wähler verloren. Für die Stichwahl sei er optimistisch: &bdquo;Das Ergebnis für Axel Lehmann ist für einen Amtsinhaber nicht überragend, er hat gegenüber 2015 zwei Prozent verloren.“ Dies könne und werde die CDU in den kommenden Wochen aufholen. Ansonsten sei deutlich geworden, dass &bdquo;rote Ecken rote Ecken“ bleiben, sagt er mit Blick auf SPD-Hochburgen wie Oerlinghausen. Leopoldshöhe oder Detmold. Carsten Möller von der FDP freute sich über einen vierten Sitz für die Liberalen – sein persönliches Ergebnis sei mit fünf Prozent okay. Werner Loke ließ gestern offen, ob er die Grünen ihren Wählern eine Wahlempfehlung für die Landrats-Stichwahl geben werden.

Ursula Jacob-Reisinger von den Linken schloss eine solche Empfehlung aus – ihre Wähler wüssten selbst, wen sie wählen. Sie war persönlich zufrieden, sah das Parteiziel allerdings verfehlt: &bdquo;Wir wollten unsere drei Sitze halten.“ Auch Ralf Ochsenfahrt von den Freien Wählern hatte sich mehr ausgerechnet. Er versprach jedoch, dass die Freien Wähler sich nicht – wie 2014 gleich zu Anfang der Wahlperiode – anderen Fraktionen anschließen werden. Erstmals im Kreistag ist die AfD, sie errang drei Stimmen, einen mehr als 2014. Uwe Detert wollte das Ergebnis jedoch nicht weiter kommentieren. Neu im Kreistag ist auch Aufbruch C: &bdquo;Wir haben so viele Stimmen wie die Freien Wähler bekommen“, sagte Jens Köhler. Nun werde die Partei versuchen, Akzente im Kreistag zu setzen.

Karten werden gemischt Ein Kommentar von Dirk Baldus

Ganz klar. Der Amtsinhaber hat für die Stichwahl gute Karten. Axel Lehmanns Vorsprung auf Jens Gnisa ist beachtlich, acht Prozent Vorsprung sind ein Trumpf im Ärmel. Es scheint, als habe ihm der Fall Lügde nicht geschadet. Aber: Noch hat der Sozialdemokrat den entscheidenden Stich nicht geholt. Die Karten werden in 14 Tagen neu gemischt. Und die Rechnung, das Stimmen aus dem linken und dem grünen Lager automatisch Richtung SPD wandern, ist zu einfach. Ein Durchmarsch wird das nicht. Schon jetzt steht zu befürchten, dass die Wahlbeteiligung in den Keller rutscht. Vor allem in den großen Städten Lippes, in denen es keine Stichwahl fürs Bürgermeisteramt gibt, werden die Wahlberechtigten schwer zu motivieren sein.

Und in den kleineren Gemeinden hatte Jens Gnisa gestern manches As mehr im Ärmel. Axel Lehmann wir schlau genug sein und sich nicht auf sein Stimmen-Polster verlassen. Zur Erinnerung: Bei der vorletzten Landratswahl lag der Amtsinhaber Heuwinkel nach dem ersten Durchgang sieben Prozentpunkte vor dem Herausforderer Lehmann. Und dieser Herausforderer und jetzige Amtsinhaber gewann die Stichwahl. Knapp, aber er gewann.

Grüne Gewinner Ein Kommentar von Martin Hostert

Die rund acht Prozent Verluste der SPD im Kreistag finden sich nahezu identisch als Gewinne bei den Grünen wieder. Die Grünen-Anhänger haben bei der Kreistagswahl offensichtlich taktisch gewählt und ihr Kreuzchen bei der Partei, aber nicht automatisch auch bei Spitzenkandidat Robin Wagener gesetzt. Die deutlich gestärkten Grünen sind die entscheidende Fraktion im Kreistag und müssen nun sehen, ob sie mit der CDU oder der SPD die Mehrheit bilden, gegebenenfalls mit einem weiteren kleineren Partner.

Denn eins ist klar: Kämmerer in Stadt und Land gehen von deutlich weniger Steuereinnahmen im kommenden Jahr aus, das Geld wird knapp, die Verteilmasse ob der sinkender Gewerbesteuereinnahmen deutlich kleiner. Der Kreis Lippe muss jeden Cent umdrehen, sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und Extras gut rechtfertigen. Darum braucht es eine handlungsfähige, stabile Mehrheit. Und zwar keine große schwarz-rote Koalition der Verlierer.

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