Lippische Modehäuser schließen sich Protestaktion an

Kreis Lippe. Die Ware türmt sich in lippischen Modehäusern – genauso wie die Frustration. Gerade jetzt im Januar hätte eigentlich die Wintermode von der Stange verkauft werden müssen, doch durch den erweiterten Lockdown kommt es erneut zum Stau. Um auf die schwierige Situation der Textilbranche aufmerksam zu machen, nehmen viele Modehäuser an der Social-Media-Kampagne #wirmachenauf_merksam teil. Auch lippische Händler posten unter diesem Hashtag seit Montag im Netz und stellen Plakate ins Schaufenster – es soll ein Hilfeschrei sein.

&bdquo;Wir haben jetzt schon die zweite Saisonware im Haus und nichts passiert", sagt Thomas Voss, Inhaber des Modehauses Schlichting in Lage. Anders als in der Gastronomie müsste die Mode in der Textilbranche ein halbes Jahr im Voraus bestellt werden, kurzfristige Entscheidungen seien da nicht möglich. Und ausgerechnet die wichtigsten Verkaufswochen zum Jahresende seien dann gekappt worden.

Weil die Politik immer wieder versichert habe, einen zweiten Lockdown vermeiden zu wollen, hätten viele Händler sehr optimistisch Ware im Juli bestellt, sagt Voss. &bdquo;Der Lockdown ist das eine, aber man muss auch unsere Lage betrachten." Dem Lagenser Modehändler liegt viel daran, dass die Aktion nicht mit dem ähnlich klingenden Kampagnenaufruf zum Lockdown-Brechen verwechselt wird. Voss: &bdquo;Mit Querdenkern und Leugnern wollen wir nichts zu tun haben. Wir wissen, dass die Schutzmaßnahmen wichtig sind, wir wollen nur gehört werden."

&bdquo;Ich weißt schon gar nicht mehr, wo ich die Ware hinhängen soll" Ähnlich sieht das auch Kollegin Ulrike Brand-Finke vom Modehaus Brand in Lage. &bdquo;Ich weißt schon gar nicht mehr, wo ich die Ware hinhängen soll", sagt die Inhaberin. Deshalb steht im Schaufenster ebenfalls ein Plakat mit dem Slogan der Aktion, damit wolle das Modehaus aufmerksam machen. &bdquo;Im Einzelhandel kämpft oft jeder für sich, aber zusammen kann man mehr erreichen", sagt Brand-Finke. Viele außerhalb der Branche seien sich gar nicht dessen bewusst, dass auch Mode nicht ewig haltbar sei. Die aktuelle Ware habe in der nächsten Saison gar keinen oder eben viel weniger Wert.

&bdquo;Auch Mode ist verderblich", sagt Ulrike Brand-Finke. Sie könne bloß mit dem Kopf schütteln, wenn sie Menschenschlangen im Supermarkt beobachte und dagegen ihr eigenes Hygienekonzept vor Augen habe, bei dem maximal zwei Kundinnen im Laden gewesen seien. Auch Thomas Voss warnt davor, wie hart die Marktverschiebung die Branche noch belasten könne. &bdquo;Die tatsächlichen Auswirkungen werden wir wohl erst später sehen", sagt seine Frau Simone Voss. Die Branche zittert.

Die Lagenser Kollegin Ulrike Brand-Finke ist überzeugt, dass auch der übrige Einzelhandel den Kunden bestmögliche Sicherheit vor dem Virus bieten könne. Die Textilbranche fühle sich einfach benachteiligt, finanzielle Hilfen seien nur schwer zu bekommen. &bdquo;Man kann froh sein, wenn man Eigentum besitzt und nicht auch noch laufende Mietkosten tragen muss", sagt Brand-Finke. Doch allen voran fehle der persönliche Kontakt zu den Kunden. Der Einzelhandel sei mehr als eine identitätslose Verkaufsfläche. &bdquo;Es geht um den persönlichen Kontakt, den gerade Stammkunden schätzen. Das fehlt", sagt Brand-Finke.

&bdquo;Der Laden ist mein Baby" Auch Händlerin Anke Kirsch aus Dörentrup hat sich mit ihrem Modegeschäft New Classic Lifestyle umorientieren müssen und versucht, das Geschäft durch Social Media und die kontaktlose Abholstation im Gespräch zu halten. Ein Onlinehandel sei eigentlich nicht ihr Ding. &bdquo;Der Laden ist mein Baby", sagt Kirsch. Auch die Dörentruperin hat daher die Aktion unter dem Hashtag &bdquo;Wir machen aufmerksam" genutzt, um sich über sozialen Kanäle Gehör zu verschaffen. &bdquo;Das Plakat steht aber nicht im Schaufenster, hier auf dem Land kommt eh niemand vorbei", sagt Kirsch. Die Textilbranche werde im Zuge der Pandemie vergessen, das ärgert Kirsch und ihre Kollegen. &bdquo;Wir bekommen keine 75 Prozent-Hilfen, das erschwert das Überleben." Weder Einzelhandel noch Gastronomie gehörten zudem zu den Brandherden für die vielen Infektionen. Daher müsse die Lage doch auch dementsprechend betrachtet werden, sagt sie.

Die Schutzmaßnahmen seien dennoch wichtig, unterstreicht die Modehändlerin. Sie selbst hat wegen einer gerade überstandenen Krebserkrankung große Sorge davor, sich zu infizieren. Doch die Textilbranche sei im Gegenzug auf größere Unterstützungen angewiesen. &bdquo;Das ist ein Rattenschwanz. Ich kann meine Ware nicht auf Kommission kaufen, das Geld wird immer weniger", sagt Kirsch. Entsprechende Finanzhilfen, damit die Branche am Ende nicht ganz großen Online-Händlern zum Opfer falle, seien für die Modewelt daher unumgänglich.

Doch auch die Händler seien gefragt. &bdquo;Man muss kreativ werden, damit wir nicht ganz in Vergessenheit geraten", sagt Anke Kirsch. Mit Livevideos versuche sie daher, den direkten Kontakt zu ihren Kunden zu halten. Und genauso habe die Social-Media-Kampagne geholfen, für einen kurzen Moment Aufmerksamkeit zu schaffen.

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