Dieser Müller will in Lippe ein Schlachtmobil betreiben

Kreis Lippe. Die Idee, in Lippe ein Schlachtmobil zu betreiben, hat der Voßheider Bernd Nagel-Held, schon länger im Kopf. Doch warum befasst sich ein Müller mit diesem Thema? Und was würde so ein Mobil überhaupt rentabel machen? Die LZ sprach mit ihm.

Herr Nagel-Held, Ihr Metier ist ja eher das Müllerhandwerk – wie ist die Idee eines Schlachtmobils entstanden?

Bernd Nagel-Held : Ich bin ja auch ein politischer Mensch und seit mehr als vier Jahrzehnten im Tierschutz aktiv. 2020 hatten wir auf den Mühlenwiesen eine stattliche Anzahl Bio-Masthähnchen. Die wurden hier geschlachtet, und das war mehr als beeindruckend. Ruhig, stressfrei, professionell, einfach vorbildliches Handwerk. Das machte Lust auf mehr, und so machte ich mich auf die Suche nach Lösungen.

Gibt es deutschlandweit Vorbilder?

Bernd Nagel-Held: Nürnberg betreibt so ein Schlachtmobil als &bdquo;kommunalen Schlachthof", in Coesfeld ist es der landwirtschaftliche Maschinenring, in anderen Gegenden gibt es selbstständige Lösungen. Grundvoraussetzung für das Schlachtmobil ist eine dezentrale Tierhaltung. Grundvoraussetzung für eine dezentrale Tierhaltung ist eine Schlachtmöglichkeit vor Ort. Das bedeutet dann auch regionales Futter ohne Gentechnik und keine Antibiotikamengen wie in der Massenturbomast. Irgendeiner muss es einfach machen und anfangen. Eigentlich ist das eine klassische Aufgabe der kommunalen Daseinsfürsorge, wie es früher schon machbar, sinnvoll und üblich war. So wird es ja auch in der Regionalpotentialstudie des Kreises konkret empfohlen.

Was hebt die mobile Schlachtung vor Ort von der in einer zentralen Schlachterei/einem Schlachthof ab?

Bernd Nagel-Held: Sammeln Sie mal 80.000 Tiere im normalen Industrie-Hühnerstall ein. Rücksicht und Achtsamkeit sind da natürliche Fremdworte. In engen Kisten geht es dann über weite Wege zu zentralen Großschlachtereien, wo im Sekundentakt die Hühner ans Fließband kommen. Betäubung: Oft Glückssache. Dieses System Wiesenhof, bei Schweinen das System Tönnies: Schlachten hinter Mauern, Tierhaltung hinter Mauern außerhalb der Höfe, Anonymisierte Massentötung, anonyme, oft ausländische Schlachter: Das alles wollen wir im Rahmen einer tatsächlichen Agrarwende zum Wohle von Landwirt, Schlachter und Tier überwinden.

Wie viele Tiere ließen sich an einem Tag schlachten?

Bernd Nagel-Held: 200 – 300 könnten es wohl sein. Wenig im Vergleich zu den 650 Millionen, die in Deutschland jährlich geschlachtet werden. Aber vielleicht ist die dezentrale Tierhaltung auch ein Weg, das Nutztier wieder ins Sichtfeld zu holen und den oft bedenkenlosen und gleichzeitig gesundheitlich bedenklichen Fleischkonsum zu verringern. Stichwort: Regionale Klasse statt anonymer Masse. Nutzen, was hier wächst, Regenwald statt Sojamonokultur. Wir haben den Klimawandel in der eigen Hand.

Haben Sie schon mal überschlagen, an wie vielen Tagen im Jahr das Mobil in Lippe unterwegs sein könnte? Oder wäre es auch außerhalb der Kreisgrenzen aktiv?

Bernd Nagel-Held : Masthühner werden eher im Sommer gehalten, insofern werden es keine 300 Werktage sein. 100 wären schon gut und realistisch, wenn jedes lippische Dorf eine Herde zur Selbstversorgung hätte. Natürlich können die Kreisgrenzen überquert werden, zwischen Hannover, Kassel und Paderborn ist ein weißer Fleck auf der Landkarte der Geflügelschlachtung.

Und bei welchen &bdquo;Schlagzahl" würde sich die Anschaffung amortisieren?

Bernd Nagel-Held : Bei 10.000 Tieren pro Jahr reichen fünf Jahre.

Wie viele Mitarbeiter benötigt man, um die Schlachtung des Geflügels vor Ort leisten zu können?

Bernd Nagel-Held :: Ein Profi und ein bis zwei Helferinnen reichen.

Könnten Sie sich auch vorstellen, das Mobil an selbstständige Schlachter zu vermieten?

Bernd Nagel-Held :: Das wäre ideal, denn ich bin, wie Sie richtig sagten, Müller.

Persönlich Bernd Nagel-Held tanzt auf einigen Hochzeiten: Er betreibt in Voßheide die Eickermühle, er ist Hobby-Schafzüchter und hat 150 Masthähnchen.Die gewaschene und gekämmte Wolle lippischer Bioschafe verarbeitet er in einer Steppdecke, die er vertreibt.Die Firma Rowa in Melle stellt Mobile Ställe her. Nagel-Helds Modell kostet rund 80.000 Euro, die Investition würde zu 40 Prozent mit öffentlichen Mitteln gefördert.

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