Hat die Impfpflicht im Gesundheitssektor Folgen für die Versorgung in Lippe?

Kreis Lippe. Rund 20.000 Beschäftige arbeiten in Lippe im Gesundheitssektor und unterliegen damit der Impflicht. Die LZ hörte sich exemplarisch bei Verbänden, Vereinen, dem Rettungsdienst und im Krankenhaus um. Welche Konsequenzen hat die Impfpflicht?

Im Pflegedienst zählt jede Kraft Die Zahl ihrer ungeimpften Kolleginnen und Kollegen sei nicht sehr hoch, berichten AWO, Deutsches Rotes Kreuz, &bdquo;diakonis" und der Verein für psychosoziale Dienste &bdquo;Das Dach". Sie schätzen, es sind fünf bis zehn Prozent. Aber vor allem ihren Pflegediensten würde jede Mitarbeiterin, die in der ambulanten Pflege unterwegs ist und ab Mitte März nicht mehr eingesetzt werden darf, bitter fehlen. Bei DRK und AWO gib es vorläufige Aufnahmestopps im ambulanten Dienst.

&bdquo;Die Touren sind schon schwierig genug", sagt Petra Meersschaert, Geschäftsführerin der DRK-Betreuung und Pflege GmbH in Lemgo. &bdquo;Bis Ende Januar hatten wir einen vorläufigen Aufnahmestopp. Bei drei unserer acht Einrichtungen haben wir den verlängert." Acht der 180 Mitarbeiter seien nicht geimpft. &bdquo;Das hört sich nach nicht viel an. Aber wir können auch so schon acht Stellen nicht besetzen." Womit bei ihr dann schon 16 Leute, rund zehn Prozent, fehlen und es noch enger werden würde. &bdquo;Wie hoffen, vier noch überzeugen zu können, die übrigen werden wir freistellen." Stand jetzt seien zudem schon 500 Überstunden aufgelaufen.

Wie Meersschaert betrachtet Jens Schickel (Geschäftsführer AWO Pflege- und Betreuungsdienste Lippe) die Personalsituation als äußerst eng, auch die AWO habe zunächst einen Aufnahmestopp erklärt. &bdquo;Wir müssen die Omikron-Welle abwarten". Nur drei der 150 Pflegedienstler seien ungeimpft, aber jede Kraft zähle. Er sei ohne Wenn und Aber für die Impfpflicht, aber durchaus sauer auf die Gesetzgebung. Die Auszahlung der Corona-Prämie stehe aus: Erklärungen zu Fristen, arbeitsrechtliche Folgen aus Nicht-Impfungen und Antworten auf viele andere Fragen müssten sich die Arbeitgeber mühsam zusammensuchen, unterschiedliche Regeln für Mitarbeiter, Besucher und Bewohner von Einrichtungen seien kaum zu verstehen und kaum zu vermitteln. Wenn Personal in Quarantäne müsse, sei dies eine größeres Problem als die Impfpflicht.

&bdquo;Ängste und Stress kommen zum ohnehin bestehenden Pflegenotstand dazu", bestätigt Dagmar Nitschke, Pflegevorstand von &bdquo;diakonis". Die Impfquote sei von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich, sie schätzt sie auf rund 90 Prozent. Sie sei ohne Frage für die Impflicht. &bdquo;Aber aus Solidarität und Verantwortung dann für alle." Der Pflegenotstand sei längst da und jetzt schon eine &bdquo;Katastrophe" für die Kollegen und die zu Pflegenden. Noch komme &bdquo;diakonis" klar. &bdquo;Wir sind sehr vorsichtig, versuchen aber, weiter aufzunehmen."

Der Verein &bdquo;Das Dach" habe wegen Corona- und Quarantänefällen die Betreuung im ambulanten Dienst zurückfahren müssen, sagt Geschäftsführerin Anja-Katrin Schneider. Unter den 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vereins mit ambulanten stationären Angeboten in verschiedenen Orten Lippes habe es angesichts der kommenden Impfpflicht eine Kündigung gegeben. Auch sie fühlt sich und die Kollegen aus ganz verschiedenen pädagogischen und anderen Berufen, etwa der Hauswirtschaft, im Dilemma alleingelassen. Der Verein bietet allen Beratung durch einen externen Mediator an, &bdquo;die ist einmal in Anspruch genommen worden."

Klinikum Lippe: Bei nachhaltiger Weigerung droht Kündigung Weniger als fünf Prozent der knapp 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Klinikum Lippe sind zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeimpft. Diese Zahl hat Pressesprecher Christian Ritterbach auf Anfrage der LZ genannt.

Ritterbach betonte zugleich, &bdquo;dass die Impfquote deutlich über der im Rest der Bevölkerung liegt". Die Impfangebote des Klinikums würden seit langem sehr gut angenommen. Ob es sich dabei überwiegend um Pflegekräfte, Ärzte oder nicht-medizinisches Personal wie Reinigungskräfte handelt, wollte Ritterbach nicht sagen. &bdquo;Uns ist das solidarische Handeln sehr wichtig, daher appellieren wir weiterhin an jeden und jede, sich impfen zu lassen. Aus dem Solidaritätsgedanken heraus, möchte ich keine Differenzierung nach Berufsgruppen vornehmen", sagte der Pressesprecher weiter. Gesundheitsminister Karl Lauterbach und andere führende Politiker hatten zuletzt gesagt, dass es sich bei den Ungeimpften im Gesundheitswesen vielfach um nicht-medizinisches Personal wie Reinigungs- und Küchenkräfte und Hausmeister handele.

Bislang, so Ritterbach weiter, habe nur eine Mitarbeiterin aufgrund der bevorstehenden Impfpflicht gekündigt. Beschäftigungsvoraussetzung für Mitarbeiter im Gesundheitswesen ist ab Mitte März, dass sie geimpft oder genesen sei müssen oder ein ärztliches Attest vorlegen müssen, das sie von der Impfpflicht befreit: Die Personalabteilung werde daher in den kommenden Wochen alle Impfzertifikate überprüfen und für die Personalakte erfassen, kündigte Ritterbach an – wenn jemand keinen dieser drei Nachweise erbringen könne, müsse das Gesundheitsamt informiert werden: &bdquo;Entfallen in der Folge die Voraussetzungen der vertraglichen Beschäftigung, entfällt ein Entgeltanspruch und das Arbeitsverhältnis kann bei nachhaltiger Weigerung, an den Beschäftigungsvoraussetzungen mitzuwirken, gekündigt werden", skizziert er den weiteren Weg. Im Grunde genommen wolle man aber auf keinen Mitarbeiter verzichten müssen, da der Stellenmarkt für Fachkräfte im Gesundheitsbereich bekanntlich bei weitem nicht auskömmlich sei.

Verdi sagt Unterstützung zu Für Verdi-Sekretär Volker Hoppmann, bei der Gewerkschaft für die Belange der Krankenhaus-Mitarbeiter zuständig, ist die Sache klar: Verdi werde selbstverständlich alle Mitglieder arbeitsrechtlich unterstützen, die Probleme bekommen, weil sie sich nicht impfen lassen – &bdquo;Auch wenn wir als Gewerkschaft diese Haltung nicht teilen".

Es gehe ja nicht um die medizinische Betrachtungsweise, sondern um die Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Er sei überzeugt: &bdquo;Die angedrohten Beschäftigungsverbote, die zu einer personenbedingten Kündigung führen könnten, sind arbeitsrechtlich nicht haltbar, diese Maßnahmen werden nicht dauerhaft sein." Er schätze nach Rücksprache mit Betriebs- und Personalräten, dass fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten nicht geimpft seien – also weniger als im Bundesdurchschnitt. Nicht alle Arbeitgeber wüssten den Impfstatus der Belegschaft. Was schlimm wiege: Die Beschäftigten hätten schon vor der Pandemie hohe Leistungen für die Gesellschaft gebracht und dafür immer wenig Anerkennung geerntet – materiell wie auch ideell. &bdquo;Die Kollegen sagen jetzt: ,Und wir im Gesundheitswesen sind dann die, die durch die Impfpflicht auch noch besonders belastet werden. Und manche machen das nicht mit."

Das Hauptproblem sei daher, dass es keine allgemeine Impfpflicht gebe. Hoppmann: &bdquo;Und diese Bedenken kann ich nachvollziehen, auch wenn wir als Verdi und ich persönlich absolut alle Maßnahmen befürworten, um über das Impfen die Pandemie beherrschbar zu bekommen. Wir empfehlen das Impfen auch allen Kollegen."

Rettungswachen gut aufgestellt Drohende Schließungen von Rettungswachenstandorten, weil viele der Notfallsanitäter und Rettungsassistenten ungeimpft sind und ab Mitte März einem Beschäftigungsverbot unterliegen? Das ist in Lippe kein Thema, versichert Rainer Grabbe, Verwaltungsvorstand im Kreishaus und für den Fachbereich Ordnung zuständig. Die Impfquote der Mitarbeiter von Johanniter und Malteser, die ebenfalls Wachen als im Dienstleister für den Kreis Lippe besetzen, beträgt laut Grabbe 100 Prozent. Unter den weit mehr als 100 Kreisbeschäftigten der übrigen Wachen seien vier Ungeimpfte.

&bdquo;Die vier werden in der kommenden Woche von uns angeschrieben und darauf hingewiesen, dass sie bis 15. März einen der geforderten Nachweise erbringen müssen", sagt Grabbe. Würde sich ein Mitarbeiter beharrlich weigern, sich impfen zu lassen, sehe man aufgrund der derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung im Rettungsdienst.

In anderen Abteilungen des Kreises könnten ungeimpfte Betroffenen jedoch auch nicht ohne weiteres beschäftigt werden. Es drohe nach Einzelfallprüfung durch das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot und schlussendlich die Kündigung.

Der Kreis Lippe plant die Schaffung von mindestens zehn Stellen im Bereich Rettungsdienst und Leitstelle – mindestens, vielleicht sogar mehr, wie Grabbe sagt. Hintergrund ist das neue Rettungsdienstgutachten. Sechs Notfallsanitäter, drei Disponenten für die Leitstelle und einen für den Rettungsdienst will der Kreis neu einstellen. Der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt wolle man unter anderem begegnen, indem Azubis aus den eigenen Reihen gehalten und die Zahl der Ausbildungsstellen erhöht werden. Für Neubewerber dürfte eine Beschäftigung im Rettungsdienst ohne entsprechenden Impfnachweis künftig unmöglich sein. Im Kreis Lippe gibt es aktuell 14 Rettungswachen und einen Standort eines Notarzteinsatzfahrzeugs (NEF).

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