Die Plakate zur Landtagswahl im Expertencheck

Kreis Lippe. Selbst Politikverdrossene kommen nicht umher es zu bemerken. Es stehen Landtagswahlen in NRW an. Eindeutiger Indikator: Wahlplakate. Sie prangen in Leinwandgröße an Kreuzungen, verzieren Stromkästen oder hängen wie am Galgen von Straßenlaternen. Die großen Pappen sind so beiläufig wie unvermeidlich und häufig ob ihrer Slogans im Gespräch. Einerseits ikonisch: &bdquo;Adenauer. Keine Experimente". Oder fast wieder aktuell: &bdquo;Willy Brandt: Damit Sie auch morgen in Frieden Leben können." Vor ein paar Jahren bemängelten Wähler die sinnentleerten Sprüche, die auch einen fettarmen Joghurt Becher hätten zieren können.

Kaum zu glauben, dass die Parteien in einer Periode den großen Löffel schwingen und ein paar Jahre später wieder gerade zu lustlos wirken, wenn es darum geht sich in die Membranen der Wähler einzubrennen. &bdquo;Die Ausrichtung der Wahlplakate hänge auch damit zusammen in welcher Position die jeweilige Partei in den Wahlkampf zieht", sagt Dr. Andreas Anter, Professor für politische Bildung an der Universität Erfurt. Der gebürtige Detmolder nimmt für die LZ einige der Parteiplakate für die Landtagswahlen in seiner alten Heimat unter die Lupe. Hier könne man die unterschiedlichen Ausgangslagen der Parteien ganz gut erkennen. Die einen müssen angreifen, die anderen eventuell einen Mann pushen, um den anderen vergessen zu machen und ganz andere stellen lieber die Gesamtpartei anstatt vergleichsweise unbekannte Kandidaten nach vorne.

Besonders ins Auge dürften die Plakate der SPD fallen. Mattes, aber sattes rot dominiert, wie zu besten Zeiten. Botschaften, die den ursprünglichen Geist der Sozialdemokraten zu beschwören scheinen: &bdquo;Modern in allen Klassen". Möchte die Partei hier die Ären Brandt und Schmidt wie heilige Reliquien ins Feld führen? &bdquo;Unsere aktuellen Plakate erinnern mich tatsächlich an den Wahlkampf damals, den habe ich miterlebt", sagt Kreisgeschäftsführer Rainer Brinkmann. Ein vermeintlich weiterer Griff in die Retrokiste scheinen die lila und rotgelblichen Hintergründe auf einigen der Kandidaten Porträts zu sein. Die erinnern fast schon an Fototapeten von Supermarktfotografen in den 90ern vor denen das ein oder andere widerwillige Kinderlächeln neben dem Einkauf abgelichtet wurde. Auch die Lego-Kartons alter Ritter- und Piratensets könnten Pate gestanden haben. Die SPD also auf hartem Nostalgie-Kurs?

Kernkompetenzen Arbeit, Wohnung und Bildung &bdquo;Nur bedingt", findet Andreas Anter. In den 60ern und 70ern sei der Wahlkampf noch anderen Motiven gefolgt. &bdquo;Das war mehr auf die Personen zugeschnitten – Willy Brandt als Nobelpreisträger, Schmidt als der Machertyp. Er wurde mit seiner berühmten Prinz-Heinrich Mütze als Steuermann gezeigt", sagt er. Die Orientierung im zum dominanten SPD-Rot auf den Plakaten sei vermutlich aus dem Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr mitgenommen worden. Bereits da sei das Design Teil einer erfolgreichen Strategie gewesen. Inhaltlich konzentriere sich die Partei auf ihre Kernkompetenzen Arbeit, Wohnung und Bildung. Eine persönliche Note entdeckt der Professor bei Kandidat Kutschaty: &bdquo;Auf einem Plakat ist seine eigene Tochter abgebildet – das zeigt ein intimes Element."

Ähnlich bunt kleistert die FDP drauf los. &bdquo;Auch hier haben wir sehr farbenfrohe Plakate, den Willen zur Originalität im Stile der 70er", sagt der Politikwissenschaftler. Auffällig sei die Textlastigkeit der Aushänge. &bdquo;Es heißt nicht: Einigkeit und Recht und Freiheitsverbot steht beispielsweise auf einem. Damit spielt die FDP ihr Kernthema Freiheit aus. Das fällt Ihnen natürlich traditionell zu" meint Anter. Im vergangenen Bundestagswahlkampf generierten die Liberalen noch Christian Lindner in schwarz weiß wie ein Fotomodell.

So Kandidaten zentriert gehen diesmal die die Christdemokraten ins Rennen. Den Großteil ihrer Kampagne habe sie auf ihren Spitzenkandidaten Hendrik Wüst zugeschnitten, sagt der Politikwissenschaftler . Auffällig unauffällig scheint sich dabei an der Gestaltung der Plakate in den letzten Jahren nicht viel geändert zu haben. &bdquo;Als Regierungspartei hat die CDU den Vorteil sich nicht neu erfinden zu müssen. Wüst wird als Machertyp dargestellt, der Macher-Typ braucht nichts flippiges." Dass Wüst eventuell so prominent nach vorne gestellt wird, um vergessen zu machen, wer hier die letzten vier Jahre regiert hat, möchte Anter nicht ausschließen. Widerspruch kommt seitens der Kreis CDU: &bdquo;Nein, das hat nichts damit zu tun. Armin Laschet war ein guter Ministerpräsident", sagt Kreisgeschäftsführerin Anna Lena Zarebski.

&bdquo;Das mutet schon sehr intellektuell an. Damit klammert man einen gewissen Teil der Wählerschaft automatisch aus" Die Zeichen der Zeit versuchen weiterhin die Grünen für sich zu nutzen. Bei ihnen steht weiterhin der Klimaschutz im Mittelpunkt, dazu nimmt die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen (vor allem russischen) eine größere Rolle ein. Die Plakate sind – wie sollte es anders sein – grün. Nicht einfallslos, sondern logisch, findet Anter: &bdquo;Die Plakate sind leicht zuzuordnen." Nur die Wahl vereinzelter Slogans findet er befremdlich: &bdquo;Ein Satz lautet:,Würde ist kein Konjunktiv, sondern unantastbar. Das mutet schon sehr intellektuell an. Damit klammert man einen gewissen Teil der Wählerschaft automatisch aus. Den Bezug auf den Text aus dem Grundgesetzt, kann man bei vielen nicht voraussetzen", urteilt er. Die grüne Kandidatin Mona Neubauer vermisst man indes auf den meisten Plakaten. &bdquo;Sie ist vielleicht nicht bekannt genug", sagt Anter. Der Sprecher der Kreisgrünen, Timo Broeker, tritt auch als Kandidat für den Landtag an. Für sein persönliches Plakat hat er den Spruch. &bdquo;Bewahrn, verändern,bewegen" gewählt. &bdquo;Ich möchte in Lippe bewahren was wir haben: Wohlstand und Natur. Dafür müssen wir uns allerdings verändern, Stichworte: Mobiltät und Energie. Und dafür möchte ich die Menschen bewegen", erklärt er.

Die AfD fahre in Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen einen etwas zurückgenommenen Kurs.Auf provokante Plakate wie &bdquo;Burka, ich stehe mehr auf Burgunda" scheint man nicht mehr so stark zu setzen. &bdquo;Die AfD hat gemerkt, dass solche Slogans nicht so gut ankommen wie gedacht", sagt der Politikwissenschaftler. Auf der anderen Seite des Spektrums müssen die Linken nach der Fast-Wahlkatastrophe und dem Skandal um den sexuellen Missbrauch innerhalb der Partei Meter gut machen. &bdquo;Die Linke setzt auf ihre klassischen Themen, wie Chancengleichheit, Bildung und Kinderarmut. Damit werden sie diesmal aber wohl nicht durckommen", prognostiziert der Anter.

Ob sich die Partei &bdquo;Die Partei" echte Chancen auf den Einzug in den Landtag ausrechnen kann, darf zumindest bezweifelt werden. Nichtsdestotrotz glänzt diese in jedem Wahlkampf mit großer Außenwirkung. Plakate wie die Abbildung eines Atompilzes mit der Aussage &bdquo;Deine letzte Wahl", sollen provozieren, aber sicherlich auch den Finger in Wunden legen. &bdquo;Mit solchen Designs steht die Partei sicherlich außer Konkurenz", sagt Anter.

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