Hitze als Gefahr: Kreis Lippe reagiert nur langsam

Kreis Lippe. Kaum ein Phänomen ist trügerischer als der Sonnenschein. Für die einen wirkt er wie ein wärmender Gemütsaufheller, für andere kann seine extreme Version Gefahr bedeuten. Allein in Deutschland gibt bei hohen Sommertemperaturen jedes Jahr tausende hitzebedingte Todesfälle. Die meisten davon sind laut RKI Menschen ab 75 Jahre - überwiegend ältere Frauen. Durch immer länger werdende Hitzeperioden , auch hier im Kreis Lippe, steigt somit die Gefahr körperlicher Schäden besorgniserregend an.

Trotzdem scheint das Problem nur schwer in den Köpfen anzukommen. "Ich schätze, es geht jetzt erst los, dass die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels mehr in den Fokus rücken", sagt Daniel Fischer, Leitender Arzt der Notfallmedizin am Klinikum Lippe. Und es werde höchste Zeit. Auch das Klinikum Lippe mache sich inzwischen konzeptionell Gedanken darüber, wie es extremen Hitzewellen im Klinikumsalltag entgegenwirken könne. "Ein Patientenzimmer darf einfach nicht mehr als 30 Grad haben, das muss man bei Neubauten mitbedenken", sagt Fischer.

Sommerloch ist Fehlanzeige - Notaufnahme ist randvoll Extreme Temperaturen seien schließlich auch für andere Erkrankungen nicht gerade heilungsfördernd, daher müssten vernünftige Konzepte her, die allerdings momentan mehr in den Kinderschuhen steckten. Das gelte auch für den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Hitze ist schon auf der Coronastation mit Schutzanzügen heikel, aber was machen die Dachdecker, die absolut keine Wahlmöglichkeit an ihrem Arbeitsplatz haben?" Eine Anfrage beim Betriebsarztzentrum Detmold blieb bisher unbeantwortet.

Was Patientinnen und Patienten angeht, rechnet der Chefarzt aktuell aber damit, dass immer mehr Menschen hitzebedingt in die Notaufnahme kommen werden. Obwohl eigentlich gerade selbst in der Ambulanz das viel zitierte Sommerloch herrschen müsste, sei das Team mit Notfällen außergewöhnlich stark überlastet. Ein Phänomen, das sich nicht bloß auf steigende Temperaturen zurückführen lasse. Aber: "Wenn der Juli oft über 35 Grad geht, trägt das natürlich nicht zu einer leeren Notaufnahme bei." Das Thema müsse also stets mitgedacht werden.

Erschreckend ist daher, dass Hitze als Gefahr oft verkannt wird. Nach Recherchen von "Zeit Online" ignorieren deutsche Behörden die Zahlen und tun an vielen Orten nicht, was sie müssten. Demnach hat nur jeder fünfte Landkreis wenigstens ein Konzept entwickelt, wie besonders gefährdete Menschen vor den tödlichen Folgen steigender Temperaturen geschützt werden könnten. Die meisten Landratsämter wissen nicht einmal, wie viele Menschen in ihren Kreisen überhaupt gefährdet sind. Auch der Kreis Lippe hat bisher - wie der größte Teil der Landkreise - kein eigenes Hitzeschutzkonzept oder einen Aktionsplan entwickelt, obwohl Bund und Länder das laut "Zeit"-Recherchen vor fünf Jahren nahegelegt hatten.

Kreis Lippe hat kein spezielles Hitzeschutzkonzept Dennoch nehme der Kreis die Klimaveränderungen seit geraumer Zeit wahr, heißt es auf Anfrage, und "suche nach Möglichkeiten, Lippe auf diese Veränderungen bestmöglich vorzubereiten." Konkret arbeiteten derzeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Umwelt und Bevölkerungsschutz am Projekt "Envolving Regions" mit, bei dem sie das Thema Hitze und dessen Auswirkungen beleuchteten. Der Kreis weist aber auch daraufhin, dass öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime über eigene Hitzeschutzkonzepte verfügen sollten. "Hier sind die Betreiber in der Verantwortung."

Eine Statistik darüber, wie viele Menschen jährlich in Lippe an den Folgen großer Hitze sterben, gibt es nicht. Zwar erhalte das Gesundheitsamt Totenscheine mit dem Grund des Todes wie etwa Kreislaufversagen, ob dieser aber letztendlich durch zu hohe Temperaturen eingetreten sei, wird laut Kreis nicht vermerkt. Gleiches gilt für das Klinikum Lippe. "Wir erfassen Patienten, die von Hitzefolgen betroffen sind, nicht extra", sagt Chefarzt Daniel Fischer. Doch sie sind da. Und gemeint sind nicht bloß diejenigen, die mit einem Sonnenbrand in die Notaufnahme spazierten und den Betrieb aufhielten. "Ein Sonnenbrand ist ärgerlich und schmerzhaft, aber kein Grund herzukommen."

Gerade in den Sommermonaten erhöhe sich aber insbesondere für Ältere die Gefahr, das Trinken zu vergessen und auszutrocknen. Ein Fakt, der vielen bekannt sein dürfte. "Natürlich vertraut man bei Hitze in erster Linie auf den gesunden Menschenverstand", sagt der Mediziner. "Doch man sollte die Gefahr nicht unterschätzen." Das scheint auch der Kreis Lippe eingesehen zu haben. Inzwischen sind auf der Homepage die Inhalte zu "Verhaltenstipps bei Hitze" bearbeitet und hervorgeholt worden.

Tipps gegen Hitze Bei anhaltend extremer Hitze rät Daniel Fischer, Chefarzt der Notaufnahme am Klinikum Lippe, zu den bekannten Klassikern. Körperliche Belastungen wie Sport sollten Bewegungsbegeisterte in die frühen Morgen- oder Abendstunden verschieben. Gerade extreme Mittagssonne belaste den Kreislauf zusätzlich und sollte vermieden werden.

Der wohl wichtigste Tipp von allen lässt sich wahrscheinlich nicht oft genug wiederholen: Trinken, Trinken, Trinken. Den Körper mit ausreichend Wasser zu versorgen, sei entscheidend und dürfe nicht vergessen werden.

Darüber hinaus rät der Notfallmediziner, bei extremen Temperaturen die Sonne am besten ganz zu meiden. Hier seien auch perspektivisch betrachtet die Kommunen gefragt: Städte müssten ihren Bürgerinnen und Bürgern bestenfalls ausreichend Schatten bieten können und dementsprechend planen.

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