Rechtsstreit geht in die nächste Runde: 96-Jährige verklagt Klinikum Lippe

Kreis Lippe. Wo sind Hörgeräte, Schlüssel, Brille und Kleidung von Margret Kreuder geblieben? Auch die Beweisaufnahme vor dem Landgericht bringt keine Klarheit. Wie berichtet, hatte die 96-jährige Lemgoerin das Klinikum verklagt, weil ihr im November 2021 bei einem kurzen Aufenthalt wegen des Verdachtes auf Lungenentzündung irgendwo auf dem Weg zwischen Notaufnahme, Röntgen und Verlegung auf die Station im Detmolder Krankenhaus Gegenstände im Wert von 5000 Euro abhandengekommen waren. Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, will Richter Dr. Mathias Kapitza erklären, wie es weitergeht.

Der Saal ist voll, ein Fernsehteam ist da, das Gericht wird zahlreiche Zeugen hören. Zu dem Termin ist es gekommen, weil Margret Kreuder laut Rechtsanwalt Ralf Fischer dem vom Krankenhaus im Vorfeld vorgeschlagenen 60/40-Kompromiss nicht zustimmt. "Verrechnet mit Verfahrenskosten, bleiben meiner Mandantin rund 2000 Euro Verlust", rechnet Fischer vor. Seine Prognose für den 20. Dezember: "Es wird ein Urteil geben, und wir werden einen erheblichen Teil der geltend gemachten Ansprüche erfüllt bekommen - und zwar deutlich mehr als diese 60 Prozent. Die Taschen müssen ja bei dem Transport weggekommen sein."

Fragen gehen hin und her Haushaltshilfe, Tochter, Schwiegersohn, Pflegerinnen, Arzt, der Verantwortliche des Rettungsdienstes, die Vertreterin der Rechtsabteilung und der Mitarbeiter vom Patientenservice müssen genau Auskunft geben, werden penibel befragt. Nach der mehr als dreistündigen Verhandlung bleiben aber viele Fragen offen, sie gehen hin und her. Kosten für Hörgerät und Brillle lassen sich schnell belegen. Manche, vielleicht entscheidende, Fragen werden wohl nie beantwortet werden können.

Wer hat die Patientin wo, wann und warum umgezogen? Wo sind die Wertsachen? Andere sind eher kleinkariert: Wie teuer waren Pullover und Hose der Seniorin genau? Wie alt war die Kleidung? Zwei Jahre, drei? Was hat der neue Hausschlüssel samt Karte gekostet, 284 oder 398 Euro? Eine ist peinlich: Wie können Sie sicher sein, wie gut Frau Kreuder ohne Hörgerät hören kann, wenn Sie sie doch nie ohne eines getroffen haben?

Eines ist gewiss: Margret Kreuder, die das Geschehen hellwach und aufmerksam verfolgt, will weiter "um ihr Recht" kämpfen, wie sie sagt. Und immer noch ist sie durchaus sauer. "Ich habe bis heute keine Entschuldigung des Klinikums gehört." Es gehe ihr nicht ums Geld. "Ich will erfahren, was los war. Ich bin in einem Krankenhaushemd aufgewacht und danach dreimal zu den Schwestern gegangen, weil ich wissen wollte, wo meine Sachen sind. Ich hatte keine Ahnung, wer mich umgezogen hat. Die Schwestern sind sehr belastet, das verstehe ich ja. Die konnten es mir nicht sagen, aber..."

150 Patienten am Tag Fischer stützt seine Prognose auf eine Aussage einer Mitarbeiterin der Rechtsabteilung des Klinikums. Diese hatte von einem Gespräch mit der Notaufnahme wenige Tage nach der Verlustmeldung berichtet: Ja, es seien dort drei Plastiktüten mit der Aufschrift "Patienteneigentum" mit Margret Kreuders Sachen gepackt worden - habe man ihr vor einem Jahr versichert. Die damals diensthabenden Schwestern können sich nun an diesen konkreten Fall und an diese konkrete Patientin nicht erinnern. Wie auch, bei 150 Patienten am Tag?, fragten sie zu Recht.

Also berichten sie von den üblichen Verfahren der Aufnahme und was mit Jacken/Mänteln/Taschen der Patienten geschehe. Dass diese Dinge am Fußende der Liege verstaut werden, auf der die Patienten ins Zimmer gebracht werden. Ein Krankenhaushemd bekämen diese nur in Ausnahmen an, etwa wenn sie sich eingenässt hätten. Und ja, es komme schon mal vor, dass Dinge verschwinden würden. Klinikums-Pressesprecher Christian Ritterbach hatte zuletzt gegenüber der LZ von 95 Verlustmeldungen im Jahr 2021 berichtet - bei 50.000 Patienten im Jahr.

Verena Hugenberg, Rechtsanwältin des Klinikums, bittet am Ende darum, zunächst in Ruhe das Protokoll der Sitzung nachlesen zu können. Ihr Chef, Klinik-Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte , hatte jüngst klargestellt: "In Zweifelsfällen zeigen wir uns kulant, allerdings ist mitunter eine gerichtliche Klärung notwendig." Die Verantwortlichkeiten des Krankenhauses und die der Patienten müssten von dritter Seite klar definiert werden.

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