Exfreundin stranguliert? Verlobung erspart Lebensgefährtin des Angeklagten die Aussage

Kreis Lippe. Es ist ein Phänomen, das sich in Gerichtssälen häufig abspielt, daher nimmt der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer es wenig überrascht hin, als die Zeugin (26) nicht gegen ihren auf der Anklagebank sitzenden, frisch gebackenen Verlobten (27) aussagen möchte. Erst seit wenigen Wochen, also seit dem 15. Dezember, ist das Paar verlobt, erklärt die junge Frau vor Gericht, am besagten Datum sitzt der Detmolder bereits seit mehreren Monaten wegen des Verdachts auf Totschlag in Untersuchungshaft.

Die Detmolder Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Ex-Freundin (26) am 12. Mai 2022 in ihrer Lagenser Wohnung stranguliert zu haben. Der Angeklagte schweigt bisher dazu, ganz eindeutige Beweise haben die Ermittler nicht gefunden, daher hangeln sich die Beteiligten auch am fünften Verhandlungstag durch einen langwierigen Indizienprozess.

Am liebsten möchte Rechtsanwalt Steffen Hörning, der die anwesende Mutter der Getöteten in der Nebenklage vertritt, die Umstände rund um die Verlobung zwischen dem Angeklagten und seiner aktuellen Lebensgefährtin aufgeklärt wissen. "Das ist eine gängige Strategie, wenn es kurz vor der Vernehmung plötzlich zur Verlobung kommt", sagt der Rechtsanwalt aus Göttingen. Doch der Kammer sind die Hände gebunden, letztendlich müsse das Gericht die Angaben der Zeugin hinnehmen, sagt der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer. Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Tat war der Angeklagte in der Nähe der Wohnung seiner inzwischen Verlobten in Bad Arolsen (Hessen) verhaftet worden. Die Erzieherin scheint trotz der Vorwürfe - genau wie der Rest der Familie - weiter hinter dem Tatverdächtigen zu stehen.

Gericht vernimmt vier Zeugen Vier Zeugen hört das Gericht an diesem Tag insgesamt, allesamt sind Menschen aus dem Umfeld des Angeklagten - ein Arbeitskollege aus der Autowerkstatt, sein Chef, die Verlobte und seine Großtante. Das Programm ist so überschaubar, da nur Pflichtverteidiger Remzi Yalcin neben seinem Mandanten Platz nehmen kann und dieser zum Jahresbeginn auf seinen Wahlverteidiger Jerrit Schöll aus Bielefeld verzichten muss. Bedenken, an diesem Prozesstag nicht dabei sein zu können, hatte Schöll beim Blick auf die Zeugenliste in der vorherigen Sitzung nicht angemerkt.

Viel zum eigentlichen Fall sagen können die Zeugen eh nicht. Ein auffälliger Typ sei der Angeklagte nie gewesen, er habe bloß oft krank, aber immerhin entschuldigt, gefehlt, gibt sein letzter Chef an. Auch ein ehemaliger Kfz-Mechaniker, der lange an der benachbarten Hebebühne gearbeitet hätte, kann nichts Elementares beisteuern. "Er war immer ein sehr entspannter Arbeitskollege, ist nie laut geworden", sagt der junge Mann. Über die Ex-Freundin wisse er nichts. Die selbstbewusst auftretende Großtante (67) ist die einzige, die den Angeklagten am Tag des Tötungsdelikts überhaupt gesehen hat. Beide wohnten damals in getrennten Wohnungen eines Detmolder Mehrfamilienhaus, obwohl ihr Großneffe zu seiner neuen Freundin nach Hessen ziehen wollte.

Angeklagter hätte "perfekte Zukunft" vor sich gehabt "Er ist so ein friedfertiger und hilfsbereiter Mensch", sagt die Großtante vor Gericht. "Er ist eher jemand, der einen Streit beruhigen würde." Eigentlich hätte ihr Großneffe die "perfekte Zukunft" vor sich gehabt, nachdem seine Familie ihm geholfen habe, eine fünfstellige Schuldensumme abzubauen. Am 12. Mai 2022 hätte er sein Auto zwecks eines Vorstellungsgesprächs waschen wollen und sei dann zum Abendessen zurückgekehrt. Ob er das Auto tatsächlich gewaschen hatte, kann die 69-Jährige vor Gericht nicht mehr sagen."Es gab Spaghetti mit Tomatensoße", erinnert sie sich.

Während des Essens habe der Angeklagte seiner Großtante erzählt, sich mit seiner Ex-Freundin getroffen zu haben. Nachgefragt habe sie nicht weiter. "Sie soll Probleme mit einem neuen Freund gehabt haben, der sie geschlagen und gestalkt hätte", berichtet die Rentnerin im Zeugenstand. "Er meinte, mit dem neuen Freund hätte er ihr nicht helfen können, weil er sich doch selbst ein neues Leben aufgebaut hätte. Wenn sie dagegen Probleme mit ihrer Bartagame hätte, könnte sie sich aber jederzeit melden." Das Reptil soll er nach der Trennung noch gemeinsam mit ihr gekauft haben. Einmal habe es einen lauten Streit gegeben, sonst sei alles friedlich über die Bühne gegangen.

Oberstaatsanwalt Christopher Imig geht davon aus, dass der Angeklagte den vermeintlichen Stalker seiner Großtante als falsche Fährte serviert hat. Weder Handynachrichten noch Einträge bei Social Media deuteten auf dessen Existenz hin. "Wir haben alles durchleuchtet, diese Person gibt es nicht", sagt Imig nach der Verhandlung. Deshalb habe sich der Angeklagte mit einer ominösen Whatsapp-Sprachnachricht an die Mutter der Getöteten am Abend des 12. Mai auch so verdächtig gemacht. Auch wenn die Situation eine detailliertere Beweisaufnahme fordere, werde er mit dieser Geschichte nicht durchkommen, ist sich Imig sicher.

Der Prozess wird am 20. Januar fortgesetzt. Dann soll unter anderem die Nachbarschaft der Getöteten befragt werden.

Exfreundin stranguliert? Verlobung erspart Lebensgefährtin des Angeklagten die Aussage

Erpressung ohne Einsicht: Salzufler muss für Straftaten-Serie mehrere Jahre in Haft

Mit Machete bedroht? Angeklagter Salzufler hält räuberische Erpressung für Quatsch

Salzuflerin in Badewanne getötet: Weshalb es auf dem Gerichtsflur zur Eskalation kommt

Detmolder Anwältin vor Gericht: Weshalb es in Saal 165 wieder brodelt

Detmolder Anwältin: Weshalb ein Richter die Echtheit eines Testamentes anzweifelte

Prozess vor dem Landgericht: Augustdorfer für sexuellen Übergriff verurteilt

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €