Spektakulärer Umzug mit Giraffe und Büffelkopf: Landesmuseum an der Ameide feiert "70-Jähriges"

Detmold. Bis aus dem Lippischen Landesmuseum das stattliche Gebäude-Ensemble wurde, das es heute ist, vergingen Jahrzehnte. Inzwischen ist es das größte und älteste Museum in Ostwestfalen-Lippe. Seine Ursprünge gehen auf eine Initiative des Detmolder Gymnasialprofessors Carl Weerth zurück, der 1835 auch die Gründung des "Naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürstentum Lippe" angeregt hatte. Lippische Bürger, die auf fremden Kontinenten unterwegs waren, trugen maßgeblich dazu bei.

Weerth stellte in zunächst zwei Räumen im Gymnasium in der Leopoldstraße 5 eine &bdquo;Naturalien-Sammlung“ zusammen. Nach Angaben von Mario Rakusa, Pressereferent des Museums, habe zu der Zeit ein großes Interesse an fremden Ländern bestanden. Raritäten und Ungewöhnliches, gar Tiere, die körperlich entstellt waren, seien bereits auf Jahrmärkten in sogenannten Kuriositäten-Kabinetten zur Schau gestellt worden. Das Bildungsbürgertum sei jedoch bestrebt gewesen, über die Tier- und Pflanzenwelt in Lippe und in der Welt. Aufklärungsarbeit zu leisten. Mäzene habe es für die nach und nach größer werdende Sammlung in Lippe nicht gegeben - damals eine Seltenheit. Adelshäuser engagierten sich andernorts dafür.

Kurioses auf Weltreisen gesammelt Wer waren die Spender, die zum Aufbau der außereuropäischen Sammlung beitrugen? Diplomatenfamilien wie die Kerkhofs, erzählt Mario Rakusa. Während Männer hauptsächlich Waffen, Kultisches oder Wertvolles mitbrachten, dachte die mitreisende Ehefrau Hedwig Kirchhof auch an Alltagsgegenstände wie geflochtene Körbe und Bekleidung. Der Missionar Fricke stiftete im südafrikanischen Togo Kinder an, ihm "Steingeld" - Steine mit einer Vertiefung in der Mitte, die angeblich als Zahlungsmittel dienten - zu besorgen. Der Schriftsteller Ferdinand Freiligrath (1810-1876) und der Kaufmann Georg Weerth (1822-1856) schickten ebenfalls Tierpräparate nach Detmold. Auch durch den Nachlass von weit gereisten Geschäftsleuten erweiterte sich die Sammlung.

"Als Teil der naturwissenschaftlichen Sammlung war von Anfang an auch die Archäologie vertreten", berichtet Mario Rakusa. Hier handelte es sich um Fossilien mit Versteinerungen von Pflanzen und Tieren, heute als Paläontologie bezeichnet, sowie um Mineralien. Noch immer erhalten ist die Blitzröhre aus Augustdorf, die nach einem Blitz in den Sand entstanden war. "Es ist unglaublich, dass der Landwirt das entdeckt hat", staunt der Pressereferent heute noch. Bewundert werden können auch die "Lippischen Diamanten", durchsichtige oder farbige Steine; zudem Gestein aus Lateinamerika und Teile eines Meteoriten.

"Diese Sammlungen sind abgeschlossen", erklärt der Pressereferent. Heißt: Weitere Exponate werden nicht mehr aufgenommen - es sei denn, sie wären etwas sehr Ungewöhnliches. Grund ist der inzwischen neu bewertete Kulturgüterschatz. Aktuell untersucht das Museum in einem Projekt zur Provenienzforschung, die Geschichte der Herkunft einiger Objekte in der außereuropäischen Sammlung. Mittelfristig soll die Sammlung "Kulturen der Welt" um die Geschichte des deutschen Kolonialismus erweitert werden.

Wachsende Sammlung benötigte Platz Aus Raumnot erfolgten etliche Umzüge der stetig größer werdenden Sammlungen. In einem Fremdenführer von 1875 wurde das Museum nach Angaben von Museumsdirektor Dr. Michael Zelle bereits als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt bezeichnet. Ab 1885 war das Prinzenpalais an der Hornschen Straße, in dem sich die Lippische Landesbibliothek befand, Domizil der &bdquo;Sammlung vaterländischer Altertümer“. Nach dem Ersten Weltkrieg, mit dem Ende des Fürstentums, übernahm der neugegründete Freistaat Lippe die Sammlung.

In den frei stehenden Räumen im Neuen Palais (heute Hochschule für Musik) entstand 1919 offiziell das Lippische Landesmuseum. Der aber auch hier herrschende Platzmangel verstärkte sich, als im Herbst 1946 die Nordwestdeutsche Musikakademie, aus der sich die Hochschule für Musik Detmold entwickelte, in die untere Etage einzog. Schließlich zog im Herbst 1953, also vor 70 Jahren, das Lippische Landesmuseum auf spektakuläre Art und Weise vom Neuen Palais an seinen heutigen Standort in der Innenstadt. Die großen Exponate, unter anderem ein ausgestopftes Zebra und ein Büffelkopf, mussten dabei aus Fenstern nach unten befördert werden.

Die außereuropäischen Ausstellungsstücke des Landesmuseums, dessen Träger der Landesverband Lippe ist, befinden sich heute im Haus Ameide, einem ehemaligen Vereinshaus und Offizierskasino. In der historischen Mittelmühle einige Meter weiter werden seit 1974 ausgestopfte wilde Tiere, Pflanzen, Fossilien, Gesteinen und Mineralien präsentiert. Die exotische Tierwelt der Savannen, Regenwälder und Polarregionen befindet sich im Erdgeschoss. Im ersten Obergeschoss tummelt sich hiesige Tierwelt. Fossilien, Geweihe und Knochen geben einen Einblick in die Erdgeschichte. Mineralien sind im zweiten Obergeschoss zu sehen.

Führung am Sonntag Das Landesmuseum lädt zur Führung unter dem Titel "Von Raumnot zur Expansion!" für Sonntag, 15. Oktober, ab 15 Uhr ein. Diese bringt auf unterhaltsame Weise die Entwicklung einer &bdquo;Naturalien-Sammlung“ zu einem Universalmuseum sowie die architektonische Veränderung eines ganzen Innenstadt-Bereiches näher. Kosten: 3 Euro zuzüglich Museumseintritt. Reservierung unter Tel. (05231) 99250 oder shop@lippisches-landesmuseum.de. Online-Buchung: lippisches-landesmuseum.de/informationen/ online-tickets-veranstaltungen

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