Kreis Lippe. Die Landwirte in OWL ziehen Bilanz. 2023 sei für die heimischen Bauernfamilien ein anstrengendes Jahr gewesen, resümiert der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband. Die schwierige Ernte aufgrund des vielen Regens habe ihnen erheblich zu schaffen gemacht. „Doch viel mehr Sorgen bereitet den Landwirten die Politik, mit immer mehr ausufernden Auflagen, pauschalen und praxisferneren Verboten und Verordnungen, schreibt der Verband in einer Pressemitteilung.
Das Fass zum Überlaufen hätten kurz vor Weihnachten gleich zwei geplante Kürzungen der Bundesregierung im Zuge der Haushaltskonsultierungen gebracht: die Streichung der Steuererstattungen für Agrardiesel sowie die Rücknahme der Kfz-Steuerbefreiung. Die Schmerzgrenze sei absolut erreicht, kritisierte Dieter Hagedorn, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe.
„Es ist klar, dass wir alle unseren Anteil zur Begrenzung des Klimawandels leisten müssen“, wird Hagedorn zitiert. „Aber die Regulierungswut und die maßlosen Forderungen seitens der Regierung sind für den gesamten ländlichen Raum nicht zu stemmen.“ Es sei unfassbar, wie Produktion, auch gerade in der Landwirtschaft, erstickt würde. „Die Steuereinnahmen waren selten so hoch wie in diesem Jahr und trotzdem reicht es nicht“, sagt Hagedorn. Die Politik solle mit dem auskommen, was der Bürger ihr zur Verfügung stellt, „statt immer nur mehr zu fordern“. Die Dieselsteuerrückvergütung sei nur ein Teil der Mineralölsteuer, „23 Cent, und genau wie das grüne Kennzeichen eng mit der Arbeit auf Privatgrund verbunden, die restlichen 27 Cent sind zur Nutzung der Infrastruktur“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Wandel in der Agrarpolitik sei von Nöten
Die geplanten Sparpläne zeigten ein weiteres Mal, wie unberechenbar die Agrarpolitik für die Bauernfamilien sei. „Die Angst um unsere Zukunft ist groß. Wir brauchen eine dauerhafte und verlässliche Zukunftsperspektive“, wird Hagedorn zitiert. Von Nöten sei ein Wandel in der Agrarpolitik, „um unsere landwirtschaftlichen Betriebe auf Dauer zu stärken, gerade hinsichtlich Transformation zu mehr Nachhaltigkeit.“ Die Landwirtschaft sei Teil der Lösung beim Klima-, Umwelt- und Artenschutz.
„Schon heute produzieren Landwirte erneuerbare Energie, schwächen auf Acker, Grünland und im Wald die Folgen des Klimawandels ab, fördern die Biodiversität und stärken regionale Kreisläufe.“ So würden zum Beispiel laut „Bodenzustandserhebung Landwirtschaft“ des Bundesagrarministeriums landwirtschaftliche Böden in Deutschland insgesamt 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Humus binden, davon 1,3 Milliarden Tonnen in Äckern. „Humus ist einer der wichtigsten natürlichen Kohlenstoff-Speicher.“
„Jeder will mehr Tierwohl, aber keiner will mehr dafür bezahlen.“
„Wir brauchen mehr Raum für Innovationen, Technologieoffenheit und Unternehmergeist“, wird der Vorsitzende zitiert. Erforderlich sei ein klares Bekenntnis zur heimischen und regionalen Landwirtschaft: „Insbesondere für die Tierhalter. Wir brauchen dringend tragfähige Konzepte zur Weiterentwicklung der Tierhaltung.“ Jeder wolle mehr Tierwohl, aber keiner wolle dafür mehr bezahlen.
Ohne eine funktionierende heimische Landwirtschaft müssten mehr Lebensmittel aus Ländern importiert werden, wo keine so hohen Umweltstandards gelten, „dazu noch mit langen Transportwegen verbunden.“ Dies sei keinesfalls nachhaltig und vor der geopolitischen Lage mehr als fragwürdig. Eine heimische Landwirtschaft gewährleiste eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln. Sie sei Garant für Frieden und Wohlstand in unserer Gesellschaft – und das mit so sicheren und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln wie nie zuvor.
Bilanz bei der Ernte
Die Bilanz zur Ernte des Jahres fällt ebenfalls negativ aus. „Wochenlange Niederschläge zur Erntezeit im Sommer verregneten das Korn und sorgten für hohe Qualitätseinbußen und Verluste. Das Getreide litt so stark, dass es nicht mehr als Brotgetreide verwendet werden konnte, sondern häufig nur als Tierfutter“, schreibt der Verband. Bei noch schlechteren Qualitäten habe es sogar nur energetisch in der Biogasanlage verwertet werden können. Dies sei alles mit erheblichen Preisabschlägen verbunden. Hagedorn: „Wir können froh sein, dass wir unsere Tiere haben. Für uns Menschen nicht geeignete Ernteprodukte würden über die Tiere gut verwertet und so für unsere Ernährung nutzbar.“
Die nasse Witterung im Herbst sowie in der zweiten Jahreshälfte habe auch die Ernte der Herbstfrüchte sowie die Herbstbestellung erschwert und verzögert. „So ließ der Regen mancherorts kaum das Roden zu, beispielsweise von Kartoffeln und Zuckerrüben. Ebenso gestaltete sich die Aussaat des Wintergetreides schwierig, teilweise konnte sie sogar gar nicht in den Boden gebracht werden.“ Vom Regen profitiert haben dagegen der Wald, die Wiesen und Weiden. „Die Erträge bei Grünland, also bei Heu und Grassilage für die Rinder, Pferde und Schafe, sind gut“, berichtet Hagedorn.