Knappe Personaldecke: So wappnet sich der Rettungsdienst in Lippe

Kreis Lippe. Erstmals seit Jahren ist in Lippe die Zahl der Notfallrettungen und Krankentransporte rückläufig. Hierzu hat das &bdquo;Ende“ von Corona beigetragen, aber auch, dass die benachbarten Landkreise Schaumburg und Höxter seltener um Hilfe bitten mussten. Nimmt man jedoch Feuerwehreinsätze, telefonische Beratung und Vermittlung etwa an den Ärztlichen Notdienst hinzu, hatten die Mitarbeiter in der Leitstelle des Kreises mehr denn je zu tun: Nach Zahlen von Landrat Dr. Axel Lehmann und Bevölkerungsschutz-Chef Meinolf Haase stehen unterm Strich 116.000 Einsätze, das sind durchschnittlich 318 am Tag.

Dabei klingelte das Telefon 2023 deutlich seltener - &bdquo;nur noch“ knapp 124.000 Mal oder im Schnitt 340 Mal am Tag. Hier kommt die Leitstelle mit mehr als 160.000 Anrufen in der Spitze im Jahr 2021, da sie da noch den Ärztlichen Notdienst (die Telefonnummer 116 117) entgegengenommen und koordiniert hatte.

Dies hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nach dem Modellversuch inzwischen ins eigene Callcenter zurückgeholt, was Landrat Lehmann weiterhin als &bdquo;Nachteil“ bezeichnet: &bdquo;Mit uns kam der Bereitschaftsarzt auf bessere Einsatzzeiten.“ Immerhin: Die Eiszeit zwischen Kreis und KV scheint vorbei. So denken beide Parteien darüber nach, eine digitale Schnittstelle zwischen den Leitstellen zu schaffen, um Einsätze je nach Schwere schnell an den jeweils anderen zu übergeben.

Heftige Frühjahrs- und Weihnachtshochwasser Der leichten Entspannung bei den Rettungsfahrten zum Trotz sei die langfristige Richtung ohnehin klar, sind sich Lehmann und Haase einig: Binnen 20 Jahren hat sich die Zahl der Einsätze mehr als verdoppelt. Während die Brandeinsätze immer hin und her pendeln, schießen vor allem die Hilfeleistungen in die Höhe: Jeweils dreistellig war die Zahl der Einsätze beim Frühjahrs- und Weihnachtshochwasser, woraus Landrat Lehmann auch in Lippe weitere Anstrengungen in Sachen Vorsorge, aber eben auch Klimaschutz ableitet.

Der Trend fällt zusammen mit einer sich auch im Rettungswesen verfinsternden Personalsituation. Im Klartext: Sowohl Ärzte als auch Sanitäter sind Mangelware. Erfindungsreichtum ist also gefragt.

Eine gerade erst so richtig anlaufende Antwort ist der sogenannte Telenotarzt. Eine weitere, die immerhin seit eineinhalb Jahren mit reinspielt, sind die &bdquo;Kat-Retter“. Diese werden bei Notfällen über eine App ähnlich der Kat-Warn-App informiert, wenn sie qualifiziert und in der Nähe sind.

Beim Herzstillstand zählt jede Minute Ein klassisches Beispiel hat der Fachgebietsleiter Rettungsdienst, Achim Reineke: &bdquo;Bei einem Herzstillstand sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit mit jeder Minute, in der das Opfer nicht reanimiert wird.“ Ist ein Kat-Retter, der sich mit Herzdruckmassage & Co. auskennt, schneller vor Ort als der Rettungsdienst, kann dies also über Leben oder Tod entscheiden.

In Stufe 1 wurde bereits das hauptamtliche Personal als Kat-Retter registriert, in Stufe 2 Feuerwehrleute und Mitarbeiter und Mitglieder von Hilfsorganisationen. Aktuell läuft laut Reineke Stufe 3 an, bei der das medizinische Personal sowohl aus dem Klinikum Lippe als auch aus den Praxen der niedergelassenen Ärzte als Katastrophenretter angeworben werden soll. Landrat Lehmann spricht von einem &bdquo;Erfolgsmodell für Lippe“.

Rückten im zweiten Halbjahr 2022 noch 148 Kat-Retter bei 450 Alarmierungen aus, etabliert sich die Idee im Jahr 2023 mit 507 Kat-Retter-Einsätzen bei 977 App-Meldungen. Im Klartext: Bei mehr als jeder zweiten Kat-Retter-Alarmierung schafft es tatsächlich ein Notfallretter vor Arzt und Sanitäter zum Einsatzort.

Apropos Schnelligkeit: Für den nord- und nordostlippischen Bereich zahlt sich nach Einschätzung von Verwaltungsvorständin Sabine Beine die Eröffnung der neuen Extertaler Rettungswache Anfang Oktober aus. Rund um Bösingfeld war es zuvor schwierig bis nicht möglich, die vorgeschriebenen Fristen einzuhalten: So müssen die ersten Retter in neun von zehn Fällen nach spätestens 12 Minuten da sein. Auf ganz Lippe gerechnet, schaffen die Helfer - Stand jetzt - 88 statt der geforderten 90 Prozent, so Lehmann.

Die neue Rettungswache in Bösingfeld, die 24/7 mit zehn sich abwechselnden Mitarbeitern besetzt ist, wird allerdings nicht der letzte Neubau sein. Nach Worten von Landrat Lehmann sind Kalletal und Barntrup als nächstes dran, wo Standorte hinzukommen sollen . Anschließend werde sicher auch Leopoldshöhe im Lemgoer Westen noch ein Thema werden, versichert Lehmann.

Notstromaggregate und Satelliten-Telefone Auch im Hinblick auf die kritische Infrastruktur werden die Herausforderungen seit Beginn des Krieges in der Ukraine und anderer aufziehender Konflikte in der Welt nicht kleiner, betont der Leiter des Bevölkerungsschutzes, Meinolf Haase. &bdquo;Und das, obwohl uns schon Corona an die Leistungsgrenzen gebracht hatte.“

Nun lauten die Stichworte eher: drohender Gasmangel, Stromausfall, Hackerangriff, listet Verwaltungsvorständin Sabine Beine auf. Trotz langer Lieferzeiten hat der Kreis Lippe Notstromaggregate und Satellitentelefone für die entscheidenden Standorte angeschafft. Geplant ist für die Bürger eine interaktive Karte im Geoportal mit den sogenannten Leuchttürmen. Diese sollen über die Kommunen verteilte Anlaufstellen für die Bürger im Falle von Kommunikations- und Infrastruktur-Ausfällen darstellen .

Auf Schalke und in Dortmund im Einsatz Unter anderem für dieses Szenario hat der Rettungsdienst zudem zwei Motorräder angeschafft, wie Technik- und Leitstellen-Chef Sascha Medina sagt. Bewährt haben sich die Krafträder, die 2023 in Dienst gingen, bereits bei einem Waldbrand in Horn-Bad Meinberg, der dank der wendigen Gefährte ausgekundschaftet werden konnte.

Die beiden Motorräder werden übrigens auch im Einsatz sein, wenn Helfer aus dem Kreis Lippe bei der Fußball-EM in Deutschland das Umfeld der Fußballspiele absichern. &bdquo;Dafür haben wir bereits extra trainiert“, weiß Sascha Medina. Die Lipper sind bereits für Begegnungen in Dortmund und auf Schalke eingeplant.

Apropos Waldbrände: Auch die wollen die Einsatzkräfte künftig nach Möglichkeit schneller im Griff haben. Dank einer Großübung in Lippe im vergangenen Jahr wurde laut Medina erstmalig die Polizeifliegerstaffel aus Dortmund eingebunden. Sie hat 2020 mit den &bdquo;Bambi Buckets“ neuartige Löschbehälter angeschafft, die nun auch bei den entsprechenden Großeinsätzen in Lippe zum Einsatz kommen könnten.

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