Betreuer vergreift sich in Bad Salzuflen mehrfach an Mädchen in Jugendhilfeeinrichtung

Detmold/ Bad Salzuflen. Lange hält der selbstbewusst wirkende Angeklagte (32) an seiner Strategie fest und schmettert die Vorwürfe einer inzwischen 19-Jährigen gnadenlos ab. &bdquo;Ich kann mir nicht erklären, weshalb sie diese Legende in die Welt gesetzt hat“, sagt der Sozialpädagoge aus Büren vor Gericht. Sie sei verliebt in ihn gewesen, schätzt er. Dann sitzt die zierliche junge Frau selbst als Zeugin im Saal und berichtet eindrucksvoll, wie ihr damaliger Betreuer sie mehrfach in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Bad Salzuflen sexuell missbraucht hat. In diesem Moment scheint sein Kartenhaus vollends zusammenzubrechen.

Mehrfach hatte Verteidiger Johannes Salmen aus Lage zuvor während der mehrstündigen Beweisaufnahme versucht, seinen Mandanten davon zu überzeugen, &bdquo;das Richtige zu tun“, so fasst es der Rechtsanwalt selbst in seinem Plädoyer zusammen. Erst als die sachverständige Psychologin Alina Doczyck vom Institut für Forensische Psychologie in Essen am Ende detailliert schildert, weshalb die Aussage der jungen Frau &bdquo;als glaubhaft einzuschätzen ist“, dringt der Verteidiger zu seinem Mandanten durch. Kurz bevor die Kammer die Beweisaufnahme schließen will, lässt der Angeklagte alle angeklagten Vorwürfe über seinen Verteidiger einräumen. &bdquo;Letzte Chance“, hört man die Vorsitzende noch kurz zuvor von der Richterbank sagen.

Kammer ist von der Schuld des Angeklagten überzeugt Von der Schuld des Angeklagten ist die Große Jugendkammer unter dem Vorsitz von Richterin Anke Grudda aber nicht nur durch das späte Geständnis überzeugt. Im Gegenteil. &bdquo;Das Gericht hätte Ihnen auch ohne das Geständnis geglaubt“, sagt die Richterin zu der jungen Geschädigten, die bei der Urteilsverkündung neben ihrer Mutter im Saal sitzt. &bdquo;Sie haben uns hier vollends überzeugt.“

Deshalb verurteilt die Kammer den 32-jährigen Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe. Darüber hinaus soll der studierte Sozialpädagoge 2400 Euro als Geldauflage an den Kinderschutzbund in Detmold zahlen. Die Bewährungszeit ist auf drei Jahre angesetzt.

&bdquo;Es ist davon auszugehen, dass die Taten nur die Spitze des Eisbergs sind“, sagt die Richterin. Mindestens drei Mal nutzte der ehemaliger Betreuer zwischen Sommer 2020 bis Ende Juni 2021 seine berufliche Stellung in der stationären Jugendeinrichtung in Bad Salzuflen aus, um gegenüber der damals 15-Jährigen sexuell übergriffig zu werden. Er berührte sie an intimen Körperstellen, küsste sie und nahm mindestens einmal die Hand des Mädchens, damit sie sexuelle Handlungen an ihm vollziehen konnte. &bdquo;Mir war das damals schon sehr unangenehm“, sagt die 19-Jährige vier Jahre später vor Gericht. &bdquo;Aber damals habe ich es einfach nicht geschafft, Nein zu sagen. Ich konnte mich nicht durchsetzen.“

Ihre wohl leichte geistige Behinderung und Intelligenzminderung sind der jungen Frau bei ihrer Zeugenaussage nicht anzumerken. Die 19-Jährige schildert die Vorwürfe aus Sicht der Kammer &bdquo;uneingeschränkt glaubhaft und lebensnah“. Dazu zählte auch das teilweise Sprunghafte in ihren Schilderungen der verschiedenen Situationen. Die psychologische Sachverständige kann das erklären: &bdquo;Sie muss ihre Angaben nicht auf Widersprüche überprüfen. Sie berichtet einfach, was ihr einfällt“, sagt die Gutachterin, die die junge Frau im Vorfeld fünf Stunden exploriert hatte.

Doku zum Missbrauchsfall Lügde ermutigt Zeugin zur Aussage Die 19-Jährige hatte sich erst anderthalb Jahre nach den Vorfällen ihrer Mutter anvertraut, kurz nachdem sie gemeinsam mit ihr eine Doku über die Missbrauchsfälle auf dem Campingplatz in Elbrinxen im Fernsehen angeschaut hatte, sagt sie. &bdquo;Meine Mutter hat mich damals gefragt, ob ich ihr denn sagen würde, wenn mir so etwas passieren würde.“ Das sei der Anstoß gewesen, ihrer Mutter von den Übergriffen zu erzählen. &bdquo;Ich hatte lange Angst, dass ich selbst etwas falsch gemacht habe.“ Während ihre Tochter spricht, muss sich die Mutter ihre Tränen wegtupfen.

Der angeklagte Sozialpädagoge war von der Salzufler Jugendeinrichtung nach seinem zweijährigen Anstellungsverhältnis im Jahr 2021 nicht übernommen worden, obwohl Personal dringend gebraucht worden wäre. &bdquo;Er hat seine Rolle als pädagogische Fachkraft nicht klar gekriegt“, sagt seine damalige Teamleiterin vor Gericht. &bdquo;Er konnte sich von den Jugendlichen nicht abgrenzen.“ Das Verhältnis von Nähe und Distanz, das gerade in der Arbeit mit teils sehr schwer belasteten Kindern eine wichtige Rolle spiele, habe der ehemalige Betreuer nicht ausfüllen können. Von den Übergriffen hatte keiner etwas mitbekommen. Heute arbeitet der Mann als pädagogische Fachkraft in der Eingliederungshilfe mit Erwachsenen.

Das Urteil deckt sich letztendlich mit den Forderungen von Staatsanwältin Jacqueline Kleine-Flaßbeck, die das späte Geständnis am liebsten gar nicht mehr berücksichtigt hätte. Auch Verteidiger Johannes Salmen plädiert auf eine bewährungsfähige Strafe. Sein Mandant habe noch Glück, dass man die Taten nach der alten Gesetzeslage als Vergehen bewerten würde und sie sich im Vergleich zu anderen eher im unteren Bereich abspielten. &bdquo;Das ändert aber nichts an der Abscheulichkeit der Taten“, sagt er zu seinem Mandanten.

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