Obdachloser von Jugendlichen in Horn getötet: Gericht rückt vom Mordvorwurf ab

Detmold/Horn-Bad Meinberg. Das Verfahren zehrt an den Nerven aller Beteiligten, das ist ihnen in den Prozesspausen anzusehen. Drei Schüler aus Horn (alle 15 Jahre alt) müssen sich hier hinter der für die Öffentlichkeit verschlossenen Saaltür derzeit wegen gemeinschaftlichen Mordes aus Heimtücke vor der Großen Jugendkammer verantworten. Am Ende des zweiten Prozesstages zweifelt das Gericht das Mordmerkmal an.

Das angeklagte Trio soll den wohnungslosen Thorsten D. (47) am 25. Oktober brutal und völlig grundlos nach einem Trinkgelage auf einem Kindergartengelände in Horn mit vier Messerstichen getötet haben. Teile des Gewaltakts filmten die Jugendlichen mit dem Handy, die Videos verbreiteten sie im Netz.

Vor Gericht stand am Mittwoch die Schuldfähigkeit der Angeklagten im Fokus. Mehrere Stunden stellten die Kinder- und Jugendpsychiater die Ergebnisse ihrer Analysen vor. Dazu hatten sie die 15-Jährigen teils mehrfach in der jeweiligen JVA besucht.

Angeklagte wegen Alkohol und Drogen &bdquo;vermindert schuldfähig“ Alle drei Angeklagten sollen wegen Alkohol- und Drogenkonsums – teilweise erheblich – &bdquo;vermindert schuldfähig“ sein, heißt es im Anschluss. Etwa anderthalb Flaschen Wodka habe sich das Trio geteilt. &bdquo;Interessant ist, dass alle drei keine Ausfallerscheinungen hatten“, sagt Verteidiger Helmut Wöhler in einer Pause. Zeugen hätten ausgesagt, man habe den Alkohol lediglich gerochen.

Das Gericht muss die verminderte Schuldfähigkeit bei der Strafzumessung berücksichtigen. Bei allen drei Angeklagten errechneten die Gutachter Promillewerte zwischen zwei und 2,5 Promille, sagen ihre Verteidiger. Zwei Schüler sollen noch Cannabis und Amphetamine konsumiert haben. Alle drei sollen aber auch aus Sicht der Gutachter entwicklungstechnisch genug Verantwortungsreife besitzen, um die Folgen ihrer Tat einzusehen, berichtete Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth im Anschluss.

Bei den beiden Jugendlichen, die mehrfach auf das Opfer einschlugen, stellten Prof. Dr. Johannes Hebebrand vom LVR-Klinikum Essen und Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann von der LWL-Universitätsklinik Hamm allerdings auch eine &bdquo;Störung des Sozialverhaltens“ fest. &bdquo;Das heißt natürlich nicht, dass jede Aussage gleich eine Lüge ist“, sagt Verteidiger Helmut Wöhler. Beide Angeklagte hatten zum Auftakt ausgesagt, nichts vom mitgeführten Messer ihres Kumpels gewusst zu haben.

Für die beiden &bdquo;Schläger“ hält Verteidiger Johannes Salmen aus Lage genau wie sein Kollege eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung für realistisch. &bdquo;Man darf nur nicht vergessen, dass es sich um einen äußerst brutalen Akt handelt.“

Beim angeklagten Messerstecher stellte Gutachter Dr. Filip Salem von der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marsberg eine psychische Störung und erzieherische Defizite fest. Es sei kompliziert, sagte Verteidiger Dr. Holger Rostek. Die Eltern hätten entsprechende Jugendhilfsangebote der Behörden nicht wahrgenommen. &bdquo;Er ist ihnen entglitten.“

Kammer stellt Mordmerkmal der Heimtücke infrage Eine für manchen Prozessbeobachter überraschende Wende kam zum Schluss: Die Kammer unter dem Vorsitz von Richterin Anke Grudda erteilte noch den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht käme. Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth müsse das Opfer beim Mordmerkmal der Heimtücke wehr- und arglos sein. Letzteres ließe sich aus Sicht der Kammer aber beim Tatgeschehen nicht feststellen.

&bdquo;Es war kein einheitliches Geschehen“, erklärt Wormuth. Der Geschädigte sei mit einem heftigen Faustschlag zu Boden gebracht worden. Ab diesem Moment habe er aus Sicht der Kammer mit einem Angriff rechnen müssen. &bdquo;Er soll wohl auch noch versucht haben, sich einen der Angreifer vom Leib zu halten.“ Zwar sei Thorsten D. vielleicht wehrlos, aber nicht arglos gewesen.

Am Freitag, 23. Februar, soll ein Urteil fallen.

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