Medizinische Versorgungszentren in Kreishand? Niedergelassene Ärzte sind auf dem Baum

Kreis Lippe. Die niedergelassenen Ärzte kritisieren die Idee, kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen, mit deutlichen Worten. Dies sei ein &bdquo;Angriff auf die etablierte Vertragsärzteschaft“. Die ambulante Versorgung &bdquo;in Hände des Kreises“ zu legen und gar &bdquo;langfristig kontrollieren“ zu wollen, wie es in der Ahaus-Denkschrift steht, mache ihn fassungslos, sagt Dr. Hans-Christian Körner, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). &bdquo;Auf welchen Weg macht der Kreis sich denn da auf?“ Die KV habe originär den Auftrag, die medizinische Versorgung sicherzustellen, niemand sonst. Dies sei zuletzt etwa in Kalletal ja auch gelungen.

&bdquo;Das ist Wahlkampf“ Wenn Landrat Dr. Axel Lehmann sich auf dem Feld der Medizin austoben wolle, gebe es wahrlich andere Probleme. &bdquo;Das ist Wahlkampf. Er will ablenken. Dabei ist er dringend im Klinikum gefragt: sei es zu den Standorten, sei es zur Frage der Patientenqualität. Wir Ärzte sehen: Die Lipper meiden dieses Krankenhaus, die Fallzahlen gehen zurück.“ Diese Probleme zu lösen, sei originäre Aufgabe des Kreises. &bdquo;Wie gut Dr. Axel Lehmann seinen Job als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums wahrnimmt, brauchen wir wohl nicht kommentieren. Und nach der Umfrage mit verheerenden Ergebnissen für die Geschäftsleitung ist auch nichts passiert.“

Lesen Sie auch: Wie die hausärztliche Versorgung in Lippe zu gewährleisten ist

Er, Körner, fühle sich geradezu herausgefordert, deutliche Worte zu sprechen: &bdquo;Wir sind doch eigentlich ein Kreis der Glückseligen, mit einem zentralen Krankenhaus, wovon ich ein Fan bin, und einer gut organisierten Ärzteschaft, die 20 Jahre kooperativ gut mit dem Klinikum und dem Kreis zusammengearbeitet hat. Die in Corona gezeigt hat, wie Schulterschluss funktioniert.“ Die Idee, mehrere MVZ zu gründen, müsse er den fast 500 Vertragsärzten erst einmal erklären. Hat es mit ihm seit Veröffentlichung des Gutachtens Gespräch gegeben? Körner: &bdquo;Er hat das Gutachten öffentlich gemacht. Damit ist klar, wo wir für ihn stehen.“

&bdquo;Zeit gemeinsamen Handelns ist vorbei“ Zwar habe man von der geplanten Machbarkeitsstudie grundsätzlich gewusst, sagt Karl Arne Faust, Vorsitzender des Ärztekammer-Verwaltungsbezirkes Detmold. &bdquo;Das war nach unserem letzten Versuch, etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen.“ Die Zeiten gemeinsamen, konstruktiven Handels seien vorbei, sagt Körner. Faust stellt fest: &bdquo;Nun ist klar zu erkennen: Bestehende Strukturen werden ignoriert.“ &bdquo;Ein Zusammenspiel aller, Kreis, Klinik, Ärzteschaft, wäre aber nur auf Augenhöhe möglich“, ergänzt Constanze Liebe, Geschäftsführerin des Ärztenetzes. &bdquo;Das lippische ,Wir wird schwierig.“

Eine Arbeitsgruppe Kammer/KV/Ärztenetz/Klinikum/Kreis habe es schon zu Landrat Friedel Heuwinkels Zeiten gegeben. Es sei immer darum gegangen, die Lipper bestmöglich zu versorgen, auch Geld gab es, um Ärzte zu finden oder Strategien zu erarbeiten. &bdquo;Es hängt ja nicht immer alles an der Person eines Arztes.“ Mit Lehmanns Idee der Gesundheitszentren seien die niedergelassenen Ärzte dann ’raus gewesen.

&bdquo;Gutachten nach Gutdünken“ Auch inhaltlich üben die Ärzte-Vertreter Kritik. Die Beratungsfirma Dostal habe ein Gutachten nach Gutdünken des Auftraggebers verfasst und verdiene an dessen Unwissenheit. Dostal rechne nicht seriös, überschätze Ein- und unterschätze Ausgaben. Körner: &bdquo;Herr Faust und ich betreiben seit mehr als 20 Jahren unsere Praxen: Wenn wir uns diese Rechnungen ansehen, fragen wir uns, was wir falsch machen. Da gibt es ja nur noch Plus, 100.000 Euro und mehr. Eine Goldquelle!“

Er habe mehrfach angeboten, das Gutachten gegenzulesen, dies sei nicht gewünscht gewesen. Dass die Kalkulation niemals aufgehen könne, könne ihm ja im Grunde egal ein, sagt Faust. &bdquo;Wir können ja sagen: Lass sie doch den Bach runtergehen. Aber am Ende fällt es uns allen auf die Füße, weil die Versorgung nicht wie angedacht verbessert werden wird. Und das Geld wäre weiß Gott besser woanders eingesetzt.“ Der Kreis sage also: &bdquo;,Wir machen alles selber, wir können alles selber.’ Woher der Glaube an die eigene fachliche Kompetenz her resultiert, ist uns unklar.“

Werbestrategien, Versprechungen, Arbeitsbedingungen – was der Kreis jungen Ärzten auch immer versprechen möge: &bdquo;Die Grundvoraussetzungen sind nicht gleich. Wir müssen hingegen kaufmännisch handeln“, erklärt Körner. Die Ärzteschaft fühle sich regelrecht überrumpelt. &bdquo;Die mit Steuergeldern arbeitende Struktur mit dem Kreishaus-Apparat im Rücken schwächt die, die teilweise über Jahre nach der Renteneintrittmöglichkeit immer noch arbeiten, aus Verantwortung für die Bevölkerung.“

&bdquo;Diese Ärzte gibt es gar nicht.“ Anstellung statt Selbstständigkeit bedeutet zudem immer eine geringere Versorgungsleistung. &bdquo;Ein freiberuflicher Arzt arbeitet ungefähr 55 Stunden. Ärzte in Anstellung, ob im MVZ oder in einer Praxis, versorgen in 40 Stunden deutlich weniger Patienten.“ Außerdem: &bdquo;Die vertraute Arzt-Patientenbindung fällt weg, in einem MVZ kann Sie jeden Tag ein anderer Arzt behandeln, dort wird im Schichtdienst gearbeitet. Diese enge Beziehung werden Sie schwerlich finden.“ Niedergelassene Ärzte könnten im übrigen auch Kollegen anstellen und ihnen die gleichen Arbeitsbedingungen anbieten wie ein MVZ. Aber, und da beiße sich die Maus in den Schwanz: &bdquo;Diese Ärzte gibt es gar nicht.“

&bdquo;Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass die Versorgungssituation in Lippe fragil ist – wegen der Überalterung der Ärzte und des fehlenden Nachwuchs“, erklärt Körner. &bdquo;Unsere Vorstellung ist aber nicht, in unterschiedliche Richtungen zu marschieren. Deswegen ist das Papier für uns so ein Schlag.“ Körners Rat: &bdquo;Ich hoffe, die Lipper bewerten den Baum nach seinen Früchten und schauen bei der Wahl im kommenden Jahr genauer hin, sagt Körner. &bdquo;Der Landrat hat schon vor der letzten Wahl drei Gesundheitszentren in Lüdge, Oerlinghausen und Bad Salzuflen versprochen; es gibt aber seit diesem Jahr lediglich Gesundheits-Beratungszentren in Oerlinghausen und Lügde. In Lügde gibt es keine Ärzte, nur Beratungsangebote.“

Medizinische Versorgungszentren in Kreishand? Niedergelassene Ärzte sind auf dem Baum

MVZ Kalletal: Die neue Geschäftsführerin ist keine Unbekannte in Lippe

Versorgungszentrum sei nicht genug - Grüne kritisieren Lemgos Ärtzeversorgung

Minister Laumann: Krankenhausreform in Lippe erfolgreich gestartet

„Lippischer Laufzettel“: So funktioniert die neue Einweisung ins Krankenhaus

Hecker: Darum ist das MVZ Kalletal ein Gewinn für die medizinische Versorgung

Wenn Ärzte nach Syrien zurückkehren: Wieso das für Lippe eine Katastrophe wäre

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €