Hilfe im Notfall: Warum Lippes Rettungsdienst dem Gesundheitsminister voraus ist

Kreis Lippe. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Notfallversorgung in Deutschland neu aufstellen - die LZ berichtete. Notfallambulanzen seien heute teils überfüllt, jeder Dritte wäre in einer Praxis besser aufgehoben . So will er etwa, dass Leitstellen schneller einschätzen können, ob bei einem Anruf über die 112 tatsächlich ein Notruf vorliegt. Der Bevölkerungsschutz in Lippe sieht sich in seiner Arbeit der vergangenen Jahre voll bestätigt und als Vorreiter der Reform: &bdquo;Wir haben seit unserer Gründung vor 20 Jahren alle Innovationen stets nach dem Stand der Technik eingeführt“, sagt Verwaltungsvorstand Sabine Beine.

&bdquo;Strenge Standards bei Notruf-Abfragen gibt es längst“ &bdquo;Eine Notrufabfrage nach strengen Standards ist bei uns längst üblich, und dass die Leitstelle nach einem eingehenden Anruf die Erste-Hilfe-Maßnahmen am Telefon anleitet, gibt es seit 2011“, ergänzt Bevölkerungsschutz-Chef Meinolf Haase. Digital mit den Kliniken sei man schon lange vernetzt, dafür lobe sich jetzt Paderborn. Die Zusammenarbeit mit Johannitern, Maltesern oder DRK laufe gut.

Und die von Lauterbach geforderte Ersthelfer-App? Die hat der Kreis vor zwei Jahren schon eingeführt. Damit können Ersthelfer alarmiert werden, die zufällig nahe am Einsatzort sind . &bdquo;653 Teilnehmer haben die App heruntergeladen“, resümiert Achim Reineke, Fachgebietsleiter Rettungsdienst beim Kreis Lippe - zurzeit Ärzte und medizinisches Personal. &bdquo;Wir wollen schon wissen, wen wir von der Leitstelle aus beauftragen.“ Weitere Kriterien werden jetzt erarbeitet, ein aktueller Erste-Hilfe-Kurs müsse schon absolviert worden sein. Und: &bdquo;Jugendliche etwa, die sich die App ’runterladen würden, können wir ja nicht automatisch zu jedem Einsatz in der Nähe schicken.“ Es geht bei Hilferufen ja längst nicht &bdquo;nur“ um Reanimation. 2023 seien 549, dieses Jahr bisher bereits 268 mal Helfer hinzugezogen worden.

Der Bundesgesundsheitsminister fordert auch, dass unnötige Notaufnahmen-Besuche vorab vermieden und die Telefonberatung für 116117-Anrufer besser wird. &bdquo;Hat es in Lippe dank unserer Ortskenntnisse lange gegeben“, sagt Reineke. Bis vor zwei Jahren landeten diese Anrufe in der Leitstelle in Lemgo , seitdem wieder in einem Callcenter in Dortmund. Dass die Kassenärztliche Vereinigung die Zusammenarbeit mit dem Kreis Lippe zur Betreuung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gekündigt hat, stößt den Lippern immer noch bitter auf. &bdquo;Ein wunder Punkt“, räumt Beine ein.

Rettungszeiten werden zu 90 Prozent eingehalten Ein zweites großes Thema der vergangenen Woche ruft bei Lippes Fachleuten ebenfalls eher Fragezeichen hervor: Der SWR hatte berichtet und war damit bundesweit auf Resonanz gestoßen, dass gesetzliche Rettungszeiten längst nicht überall eingehalten würden. Für Lippe hatte der Sender ermittelt, dass das erste Rettungsmittel im Falle einer Reanimation in 52 Prozent der Fälle unter acht Minuten vor Ort sei. Der Zielwert &bdquo;80 Prozent“ werde somit nicht erreicht.

Diese acht Minuten seien ein theoretischer Wert für NRW und würden nicht für den ländlichen Raum gelten, sagt Beine - und als solcher zähle ganz Lippe. &bdquo;Hier sind es zwölf Minuten, und die schaffen wir in mehr als 90 Prozent der Fälle“, ergänzt Daniel Fischer, der Ärztliche Leiter Rettungsdienst des Kreises. Haase: &bdquo;Das ist die Messlatte, wonach wir unseren Rettungsdienst organisieren.“

Daniel Fischer wird nicht zum ersten Mal deutlich, er hält nichts vom reinen Stoppen von Zeiten: &bdquo;Es muss in die Köpfe der Menschen: Wenn bei einem Herzstillstand nichts gemacht wird, sind auch sechs Minuten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu lang. Wir sind auf die Hilfe von jedem angewiesen.“ Es gilt immer, Erste Hilfe zu leisten. &bdquo;Wer die 112 wählt, hat die Verantwortung dafür nicht abgegeben.“

Irreparable Hirnschäden treten schnell auf Bereits vier Minuten nach einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung träten irreparable Hirnschäden auf, in dieser kurzen Zeit seien Rettungskräfte nicht vor Ort. Auch wenn man bei einer Reanimation nichts falsch machen kann, appelliert Fischer daran, dass jede und jeder sich schulen lässt. &bdquo;Der Fokus muss auf der Reanimation liegen.“ Dafür sei kein Erste-Hilfe-Kursus nötig. Selbst ein Arzt habe ja nur zwei Hände, um zu reanimieren. Unbedingt müssten Reanimations-Maßnahmen in der Schule gelehrt werden, dies hätten die Kultusminister schon lange beschlossen. &bdquo;Das wird aber nicht umgesetzt.“

Haase ist stolz darauf, dass der Kreis in den Rettungsdienst investiert. Am Jahresende erreiche er die Rekordzahl von 41 Azubis für Notfallsanitäter. Eine hohe Anzahl, eine große organisatorische Aufgabe. Gleichwohl stimmt Fischer die Lipper ein: &bdquo;Es wird in Zukunft Einschränkungen in der gesamten medizinischen Versorgung geben, das ist ganz klar. Es fehlen einfach Ärzte und Fachpersonal.“ Umso wichtiger werde es, die Frage richtig zu beantworten: &bdquo;Was ist ein Notfall?“ Dies hatte Fischer auch jüngst in der LZ gefordert: Es gehe darum, Patienten stringent zu steuern.

Langes Warten auf Reparaturen Haase macht auf ein eher neues Problem für den Rettungsdienst aufmerksam: Ersatzteile für die Fahrzeuge seien immer schwieriger zu bekommen. Ein Rettungswagen sei sechs Wochen ausgefallen, weil ein Chip nicht aufzutreiben gewesen sei. &bdquo;Und wir lassen Fahrzeuge für Geld reparieren, das Sie als Privatmann für Ihren Wagen nicht mehr investieren würden.“ Für neue RTW gebe es mittlerweile Wartezeiten von bis zu drei Jahren, es müsse also auf Verdacht und auf Vorrat bestellt werden.

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