Von Eurobahn bis Monocabs: So könnte Lippes Zukunft auf der Schiene aussehen

Kreis Lippe. Erst kaum noch Fahrten des &bdquo;Leinewebers“ (RE82), dann ein Schnellbus zwischen Detmold und Bielefeld, dazu Ersatzverkehr wegen Bauarbeiten am Bahnhof Lage und bald die DB Regio als kurzfristiger Ersatz: Die Situation im lippischen Nahverkehr, insbesondere auf der Schiene, ist derzeit alles andere als einfach. Und Kritik dazu hagelte es von allen Seiten. Nun nimmt Joachim Künzel, Geschäftsführer des Zweckverbands Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Stellung zur Lage und wagt einen Blick in die Zukunft.

Wie bewerten Sie die Lage auf der Schiene?

Joachim Künzel: Auch für uns ist es schwierig, mit der derzeitigen Situation umzugehen. Die Eurobahn streicht Leistungen, weil ihr das Personal fehlt und Mitarbeiter erkranken. Natürlich fordern wir, dass das Unternehmen alles tut, um die Situation zu lösen. Aber nur weil wir eine Leistung wollen, hat die Eurobahn nicht mehr Leute.

Wie geht man in so einer Situation vor?

Joachim Künzel: Wir haben uns gefragt, was ist am wenigsten schlimm? Und das Schlimmste war für uns eine Situation, bei der jeder zweite Zug ausfällt und der Fahrgast sich am Bahnhof die Beine in den Bauch steht. Wir brauchen Verlässlichkeit.

Natürlich sind Verbindungskürzungen nicht schön. Und ich weiß, dass in den Sommerferien auch im reduzierten Fahrplan Probleme entstanden sind. Aber wir bemühen uns, auch andere Lösungen zu finden, zum Beispiel haben wir den Schnellbus zwischen Detmold und Bielefeld eingeführt. Und ab dem 26. August übernimmt die DB Regio übergangsweise bis zum Fahrplanwechsel im Dezember Leistungen auf der &bdquo;Leineweber“-Strecke.

Es steht - zumindest unterschwellig - der Vorwurf im Raum, der NWL sei mit der Eurobahn auf &bdquo;Kuschelkurs“.

Joachim Künzel: Wir sind uns unserer Rolle sehr wohl bewusst. Deshalb haben wir gemeinsam versucht, Verantwortung zu übernehmen und Lösungen zu finden. Auf ein Unternehmen öffentlich draufzuhauen, bringt nichts, im Gegenteil. Es gibt viele Unternehmen, die Mitarbeiter suchen, und diese überlegen dann ganz genau, zu welchem sie gehen. Das heiß nicht, dass wir mit der Eurobahn einen &bdquo;Kuschelkurs“ fahren, aber es kommt auch auf die Außenwirkung an. Sonst können wir die fachlichen Probleme noch schlechter lösen.

Im Übrigen ist die Eurobahn nicht das einzige Unternehmen, das diese Probleme hat und es ist auch nicht die einzige Branche mit Problemen.

Fordern Sie die Strafzahlungen für Ausfälle von der Eurobahn ein?

Joachim Künzel: Natürlich muss die Eurobahn Pönale (Strafgelder) zahlen, wenn sie vertragliche Leistungen nicht erbringt. Wir würden uns strafbar machen, wenn wir die nicht einforderten. Das sind öffentliche Gelder. Auch die Pönale sind Gegenstand von Vertragsabrechnungen und wir fordern selbstverständlich jeden Cent ein, der uns laut Vertrag zusteht. Ich weiß nicht, wie jemand auf die Idee kommt, dass wir das nicht täten.

Ende des Monats springt die DB Regio auf der &bdquo;Leineweber“-Strecke ein.

Joachim Künzel: W ir haben einen Vertrag mit der DB Regio geschlossen, sie wird zweistündlich Fahrten zwischen Bielefeld und Horn-Bad Meinberg anbieten . Aber auch das geht nicht von heute auf morgen: Die müssen Kapazitäten haben, es müssen Formalien eingehalten werden. Schließlich haben wir ja bereits einen Anbieter auf der Strecke. Zusätzlich werden wir schauen, ob der Schnellbus eine Ergänzung bleibt.

Im übrigen müssen wir vernünftige Lösungen auch für andere Strecken finden, etwa die RE 78 zwischen Nienburg und Minden.

Ist es eine Alternative, grundsätzlich die Häufigkeit von Fahrten einzuschränken, um mehr Verlässlichkeit zu erzielen?

Joachim Künzel: Das sind durchaus Diskussionen, die wir führen. Es geht ja nicht nur um Personal, das überall fehlt, auch die Infrastruktur ist überlastet. Wir arbeiten daran, ob es sinnvolle Lösungen gibt, zum Beispiel Ferienfahrpläne. Das sind intensive Debatten, um mehr Stabilität ins System zu bekommen.

Die Regelungen für den &bdquo;Leineweber“ gelten erst einmal bis Mitte Dezember. Wie geht es dann weiter?

Joachim Künzel: Das komplette System wird nicht am Stichtag 14. Dezember wieder hochgefahren. Wir müssen mit der Eurobahn jetzt schon für 2025 überlegen, wie sie ihre Leistungen konstant wieder bringen kann. Es gibt viele Menschen in Ausbildung, aber das dauert.

Die TH OWL forscht an Monocabs , also fahrerlosem Schienenverkehr. Sind fahrerlose Züge eine Zukunftsperspektive?

Joachim Künzel: Unabhängig von der Begatalbahn , die sich noch in einem sehr frühen Planungsstadium befindet, ist das Thema Automatisierung total wichtig aus meiner Sicht, wurde aber in der Vergangenheit total vernachlässigt. In Nürnberg zum Beispiel gibt es bereits fahrerlose U-Bahn-Linien. Aber: Infrastruktur und Fahrzeuge müssen beide digitalisiert und aufeinander abgestimmt werden. Sonst klappt das nicht. Und da brauchen wir dann auch eine finanzielle Unterstützung vom Bund.

Eine Frage zum Schluss: Warum sollte ein junger Mensch heute noch Lokführer werden?

Joachim Künzel: Auch wenn er Schichtdienst beinhaltet: Der Job ist zukunftssicher und sinnstiftend. Die Unternehmen werden - auch was Teilzeit angeht - immer flexibler. Es braucht auch in Zukunft Lokführer, selbst bei fortschreitender Automatisierung. Jeder und jede, die sich heute für diesen Beruf entscheiden, wird ihn bis zur Rente ausüben können. Einzig die Tätigkeitsschwerpunkte könnten sich ändern.

Deshalb haben wir uns als NRW-Aufgabenträger - also NWL, go.Rheinland und VRR - mit dem Land und den Verkehrsunternehmen schon 2019 in der Initiative &bdquo;Fokus Bahn“ zusammengeschlossen, um mehr Menschen in unserer Branche in Ausbildung zu bekommen.

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