Interview: Salzufler Grünen-Abgeordneter will „raus aus der Talsohle“

Bad Salzuflen. Die Grünen-Spitze zog nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Landtagswahlen Konsequenzen. Der Parteivorstand trat geschlossen zurück. Zur Begründung hieß es, die Partei brauche einen Neuanfang. Der Vorstand der Grünen Jugend trat gleich ganz aus der Partei aus. Das riecht nach &bdquo;Tiefflug“. Mittendrin und zwischen Berlin und der Heimat Bad Salzuflen: MdB Robin Wagener. Die LZ traf den Abgeordneten zwischen Sitzungswoche in der Bundeshauptstadt und Kreistagssitzung in Detmold.

Herr Wagener, nennen Sie doch mal irgendwas, das besser klingt als &bdquo;Ampel“

Robin Wagener: Der Begriff &bdquo;Ampel“ ist ohnehin kurios. Aber die Lage ist ernst, da sollten wir uns nicht mit einem Wort befassen. Es ist natürlich vollkommen klar, dass die Koalition eine deutlich bessere Kultur der Zusammenarbeit abliefern sollte. Und auch könnte. Der ständige Streit sorgt dafür, dass die guten Entscheidungen, die die Koalition in dieser schwierigen Phase auch getroffen hat, gar nicht mehr wahrgenommen werden - beispielsweise in der Energiepolitik.

Am Wort &bdquo;Ampel“ liegt es aber wohl nicht allein; wie ist denn die Stimmung in Berlin?

Robin Wagener: Angespannt. Allen ist klar, wie wichtig und schützenswert die Demokratie ist - in Berlin und in Lippe. Und es gibt natürlich Tag für Tag gute Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen in der Regierung, aber auch darüber hinaus, beispielsweise mit der CDU. Und gleichzeitig haben wir uns in der demokratischen Mitte durch die Anspannung im Konflikt miteinander verhakt. Dabei bräuchten wir jetzt die Kraft und Entschlossenheit, gemeinsam die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um in der schwierigen Lage Sicherheit zu vermitteln.

Und was bekommen Sie in Lippe zu hören?

Robin Wagener: In meinem Karate-Verein auf dem Hoffmanngelände in Bad Salzuflen werde ich auch auf den Streit in der &bdquo;Ampel“ angesprochen. Da eiere ich nicht rum, sondern benenne klar, dass es Probleme gibt, aber ich weise auch gerne auf die Erfolge hin, die aber seit Monaten auch in der Berichterstattung zu kurz kommen.

Die Partei hat seit den Anfängen rund um Petra Kelly, dem Höhenflug unter Joschka Fischer oder den Hype vor vier Jahren rund um eine Kanzlerkandidatur stetig an Bedeutung gewonnen. Jetzt wird die Luft gerade dünner

Robin Wagener: Ich bin seit 1996 dabei. Es gab auch in den vergangenen Jahrzehnten immer mal Phasen, in denen wir wie jetzt hart angegangen wurden. Es geht bei uns nicht darum, ob die Grünen aus der politischen Landschaft verschwinden - trotz der sicherlich kritischen Lage der Partei. Es geht darum, ob es uns gelingt, die Themen, die die Gesellschaft bewegt, so anzusprechen, dass die Menschen sich mit ihren Ängsten und Problemen wahrgenommen und gehört fühlen, um dann mit ihnen zusammen die Zukunft unseres Landes gestalten zu können.

Als eine Partei, die bisher oft glaubte, moralisch überlegen zu sein und eine starke Neigung fürs &bdquo;Regulieren und Kontrollieren“ hegt?

Robin Wagener: Seit einem Jahrzehnt ist genau das ein Bild, das die Konservativen uns anzuheften versuchen. Unsere Grundhaltung in der Partei ist dabei klar und von Robert Habeck auch schon so oft deutlich gemacht worden: Politik darf nicht darauf abzielen, die Menschen zu erziehen. Wir wollen vielmehr faire Rahmenbedingungen für Menschen und Umwelt in unserem Land schaffen.

Das ist mir zu akademisch - die Einbrüche bei den Wahlen sind real. Was hätten Sie als Robin Wagener denn anders gemacht?

Robin Wagener: Mir ist in den letzten Monaten sehr deutlich geworden, dass wir viel klarer kommunizieren müssen, was die Entscheidungen in Berlin für Auswirkungen in Knetterheide oder Wüsten haben. Die Grünen dürfen in der Kommunikation nicht auf der abstrakten Ebene stecken bleiben.

Zuletzt scheint das nicht zwingend eine Kernkompetenz gewesen zu sein: Die großen Gewinner bei den Wahlen waren vor allem die AfD, Sarah Wagenknecht und in Teilen die CDU. Für die FDP oder die SPD - bis auf Woidke in Brandenburg - gab es ebenfalls &bdquo;Hiebe“. Der &bdquo;Ampel“ laufen die Wähler weg. Was ist noch drin für die Bundestagswahl in einem Jahr?

Robin Wagener: AfD und auch die Partei von Sarah Wagenknecht gaukeln den Menschen vor, man könne sich die Veränderungen &bdquo;wegwünschen“ oder einfach leugnen. Und sie befeuern schlechte Stimmung und Ängste, weil sie davon leben. Sie wollen ja gar nicht, dass es gut ist, weil dann ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Außerdem dürfen wir nicht unterschätzen, wie sehr Russland durch seinen Informationskrieg gegen Deutschland insbesondere vor Wahlen Einfluss nimmt - zugunsten von AfD und BSW. Trotzdem bin ich von einem soliden grünen Wahlergebnis im Herbst 2025 überzeugt. Probleme sind erkannt, die ersten Weichen gestellt und wir werden da hart dran arbeiten.

Was haben Sie 2021 geholt? Und was wollen Sie 2025 holen?

Robin Wagener: 14,8 Prozent bundesweit - und &bdquo;holen“ möchte ich für meine grüne Politik wieder das Vertrauen der Menschen hier vor Ort.

Über Robin Wagener Robin Wagener ist seit 2021 für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Deutschen Bundestag und sitzt im Auswärtigen Ausschuss und im Europaausschuss. Er ist Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe und Leiter der deutschen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Seit 2023 ist Wagener außerdem Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem Südkaukasus, der Republik Moldau sowie Zentralasien. Wagener lebt in Bad Salzuflen, ist 44 Jahre alt und hat zwei Kinder. Er hat Jura studiert und war vor seinem Mandat im Bundestag als Richter am Sozialgericht in Detmold tätig.

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