Demente Seniorin ausgenutzt? Prozess gegen Detmolder Anwältin durchleuchtet Erbstreit

Detmold. Die Anklagebank ist leerer geworden, dafür ist der Zuschauerraum beim Betrugsprozess gegen eine Detmolder Anwältin und ihre ehemalige Kanzlei-Mitarbeiterin am Dienstagvormittag voll besetzt. Eine Realschulklasse kann daher hautnah miterleben, wie kleinteilig sich die Wirtschaftskammer unter der Vorsitzenden Richterin Katharina Schikowski durch die digitalen Aktenberge eines Mammutverfahrens kämpfen muss.

Nach dem Eklat vom Vortag und den Vorwürfen an die Ermittler, Beweise unterschlagen zu haben, geht es am vierten Prozesstag zwischen Verteidiger Georg Schulze und den Vertretern der Staatsanwaltschaft um einiges ruhiger zu. Das Einzige, was lautstark zusammenbricht, sind Teile des Mobiliars. Die lose Tischplatte kann die Prozessbeteiligten allerdings nicht daran hindern, das Verfahren fortzusetzen. Mit diesem Tag sind noch zwölf weitere Termine angesetzt. Es gilt insgesamt 38 Anklagepunkte aufzuklären.

Entscheidung über Aussetzung des Verfahrens vertagt Genauso wenig bremsen die noch ausstehenden Beweisanträge den Ablauf derzeit aus. Die Kammer sieht nicht ein, das komplette IT-Material von Amts wegen nachzufordern. Das sei nicht entscheidend, um die Schuldfrage zu klären. Allerdings ordnet die Vorsitzende Richterin an, dem Verteidiger der vorrangig als gesetzliche Betreuerin arbeitenden Anwältin eine komplette Spiegelung der von ihm beanstandeten Festplatte zukommen zu lassen. Außerdem fordert die Kammer den gesamten Chatverlauf der angeklagten Juristin und ihrer mitangeklagten Kanzlei-Mitarbeiterin zwischen März bis August 2021 nach, um sich den Kontext selbst genauer anzuschauen.

Darüber entscheiden, das Verfahren wegen der Flut des noch durchzuarbeitenden Materials auszusetzen, wie es Verteidiger Georg Schulze ebenfalls beantragt hat, will die Kammer zu diesem Zeitpunkt nicht. &bdquo;Die Entscheidung wird zurückgestellt, bis der Umfang des zu bearbeiteten Beweismaterials bekannt ist“, sagt die Vorsitzende. Also wird auch an Tag 4 weiterverhandelt.

Demente Seniorin ausgenutzt? Zentral geht es beim nächsten Komplex um den Vorwurf, die Juristin habe im Jahr 2022 versucht, sich die Erbschaft - etwa 700.000 Euro - einer dementen Frau zu erschleichen, die sie betreut hatte. Dazu soll es nur nicht gekommen sein, weil sich der rechtmäßige Erbe beschwert hatte. Da der Erbe als zentraler Zeuge in diesem Komplex derzeit erkrankt ist, muss das Gericht die Umstände von außen aufdröseln.

Dazu hört die Kammer am Dienstag auch eine Justiz-Sekretärin, die damals im Büro den Erbschaftsantrag der in den Fokus der Ermittler gerückten Rechtsanwältin von einem ihr unbekannten Mann auf dem Tisch bekommen haben soll. &bdquo;Ich bin davon ausgegangen, dass der Herr einer ihrer Büroangestellten war“, sagt die Zeugin vor Gericht. An viel kann sich die 37-Jährige nicht mehr erinnern, genauso geht es auch einigen Zeugen, die am Rande mit dem Fall um die demente Seniorin zu tun hatten.

Das scheint auch kein Wunder zu sein: Eine Mitarbeiterin der städtischen Betreuungsstelle schildert, sie habe allein in Detmold rund 400 bis 450 Betreuungsfälle im Jahr. An den einen konkreten Fall aus dem Jahr 2022 könne sich die Diplom-Sozialarbeiterin daher kaum noch erinnern, sagt sie. Ihr Bericht von damals legt nahe, dass die betroffene ältere Dame die Thematik einer gesetzlichen Betreuung kaum greifen konnte. &bdquo;Der Eindruck war, dass sie in ihrer eigenen Welt lebte.“ Ob die Anwältin das ausnutzte, wird das Verfahren zeigen.

Der Prozess wird am Montag, 9. Dezember, fortgesetzt.

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