„Das Wasser kam unter uns zum Stehen“: Ein Paar aus Lage erinnert an den Tsunami

Kreis Lippe/Karon. Es war der wohl schlimmste Tsunami seit Menschengedenken, der vor 20 Jahren, am 26. Dezember 2004, über Indonesien, Sri Lanka und Thailand hereinbrach. Ausgelöst von einem Seebeben der Stärke 9,1 fielen ihm etwa 230.000 Menschen zum Opfer, darunter Urlauber aus der ganzen Welt. Auch Andreas Kuhlmann und seine Frau Ingrid Neese aus Lage waren am zweiten Weihnachtstag 2004 in Thailand. Um Urlaub zu machen, eine schöne Zeit in schöner Natur zu erleben. In einem Land, so relaxed und warm, gleichzeitig faszinierend mit einer beeindruckenden Kultur, wie der Lipper beschreibt, &bdquo;eine wunderbare Reiseregion“. Doch in diesem Jahr erlebten sie die Katastrophe hautnah mit - und überlebten. 20 Jahre später sind sie wieder dort und erinnern sich.

&bdquo;Die Bilder des 26. Dezember sind immer noch präsent“, erklärt Andreas Kuhlmann. Auch 20 Jahre später, auch wenn vieles heute anders aussehen, wenn die Erinnerung in manchen Details verblassen mag. &bdquo;Da ist wieder die durch Überflutung zerstörte Strandstraße, der Mensch, den wir gemeinsam mit anderen unter einem Auto bergen konnten“, diese und andere Erlebnisse seien unvergessen.

&bdquo;Das Wasser kam unter uns zum Stehen“ &bdquo;Wir hatten mehrfach Glück“, erzählt das Paar. Ursprünglich hatten sie ihre Reise in Khao Lak starten wollen. &bdquo;Doch der Bungalow, den wir da gemietet hätten, existierte am späten Vormittag des 2. Weihnachtsfeiertags 2004 nicht mehr.” Dann aber seien sie doch erst in Karon an der Südwestspitze Phukets gewesen, wollten über Silvester nach Khao Lak. In Karon trafen sie am Vorabend des Tsunamis ein - froh und bestens gelaunt, allerdings auch müde. &bdquo;Bedingt durch unsere Müdigkeit und den Jetlag schliefen wir länger und waren noch nicht - wie sonst üblich - zum Strandspaziergang aufgebrochen.“ Das Paar sei geweckt worden durch ein lautes Durcheinander unzähliger Stimmen, erinnern die beiden.

Was sich ihnen dann bot, kann sich wohl niemand vorstellen, der es nicht erlebt hat. Einheimische und Touristen rannten laut Kuhlmann vor der Welle fliehend auf den kleinen Hügel, auf dem der Bungalow stand. Hier seien sie sicher gewesen: &bdquo;Das Wasser kam vor uns, aber zum Glück auch unter uns zum Stehen.“ Vom Wasser habe er erst gar nicht so viel gesehen, die Einheimischen hätten immer wieder &bdquo;Erdbeben“ gerufen. &bdquo;Die Thais kannten das so auch nicht.“ Gefühlt, gedacht habe er zu diesem Zeitpunkt nicht viel, &bdquo;man funktioniert einfach“.

Doch als das Wasser zurücklief, habe man die Zerstörung sehen können. Überall sei es nass gewesen, die Straßen voll mit Gegenständen und Müll, sodass keine Autos fahren konnten. &bdquo;Es gibt ein Fußballstadion im Ort, an der Außenseite waren Läden“, erzählt Kuhlmann. Von denen sei nichts mehr übrig gewesen, Menschen seien dort gestorben.

Gerüchte und Verunsicherung &bdquo;Besonders schlimm waren die Gerüchte“, niemand habe gewusst, wie es weiter geht, ob eine zweite Welle kommt. Ingrid Neese und Andreas Kuhlmann schrieben Verwandten und Bekannten Textnachrichten, dass es ihnen gut ging, baten gleichzeitig um Informationen. Die Mobilfunknetze seien völlig überlastet gewesen, das Internet längst nicht so so wie heute.

&bdquo;Nachmittags begaben wir uns zu einem beliebten Treffpunkt, wo nun langsam immer mehr uns bekannte Touristen eintrafen. Es war still und nachdenklich, wo sonst fröhliche Runden stattfanden. Ein Todesfall war zu beklagen, wir hörten dem Witwer zu - da zu sein, war jetzt wichtig“, erinnert sich der Lipper. Es sei beklemmend gewesen, die Menschen verunsichert.

Schnell zurück in die Heimat, das sei nicht möglich gewesen, zuerst seien Verletzte, Menschen ohne Unterkunft, ohne Hab und Gut, ohne Papiere ausgeflogen worden, dann mussten Pauschaltouristen das Land verlassen oder wären auf den Kosten sitzen geblieben. Das lippische Paar aber hatte - wie immer - privat gebucht, blieb auf er Insel. Sie wollten Blutspenden und trafen in der Inselhauptstadt an einem Krankenhaus ein. Lange Schlangen von Blutspendern, von Suchenden, aber auch eine Unzahl von Trauernden seien dort gewesen. &bdquo;Auf Stellwänden gab es vorne unvorstellbar viele Fotos von Vermissten - mit Angabe, wo zuletzt gesehen - und auf der Rückseite ebenso viele Abbildungen identifizierter Todesopfer des Tsunamis.“

Spenden für Vergessene Schließlich flog das Paar nach Bangkok, harrte dort vier weitere Tage aus, bevor es zurück nach Lippe ging. Hier sammelten sie Spenden, um einen Bekannten zu unterstützen, der vor Ort in Khao Lak war. &bdquo;Er kaufte Lebensmittel, Kleidung und Dinge des täglichen Bedarfs für Menschen ein, die auf vorgelagerten Inseln, den Andamanen, leben, die aber von der Öffentlichkeit vergessen wurden.“

Und noch heute, 20 Jahre später, tauchten die Bilder dieser Tage immer wieder auf, erzählt Andreas Kuhlmann, &bdquo;ebenso wie Gesprächsfetzen und Berichte anderer Betroffener, denen zum Beispiel das Wasser im Hotelzimmer stand“. Doch bereits im Sommer 2005 flogen Ingrid Neese und Andreas Kuhlmann wieder nach Phuket: &bdquo;Wir wollten sehen und erleben, wie es wieder aufwärts ging. Seitdem kommen wir jeden Winter zurück.“

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