Wenn die Schuldenfalle zuschnappt: Lipper finden Hilfe bei der Beratung der Caritas

Kreis Lippe. Philipp Meier (Name von der Redaktion geändert) aus Detmold ist Ende 20. Ein gutes Alter, um in der Blüte des Lebens zu stehen, doch Philipp, der anonym bleiben möchte, steht vor einem großen Schuldenberg: 20.000 Euro haben sich über die Jahre angehäuft. Konsumkäufe haben ihn in diese missliche Lage gebracht. Weil sie ihm kurze Momente des Glücks bescherten, wie er sagt. Glück, das er weder im Elternhaus noch irgendwo anders fand. Der Kauf auf Raten oder Kredit hätte es ihm sehr leicht gemacht, in die Schuldenfalle zu tappen. Doch nun will der junge Familienvater sein Leben umkrempeln, um seiner Tochter in Zukunft etwas bieten zu können und ihr ein Vorbild zu sein. Hilfe hat Philipp bei der Schuldnerberatung des Caritasverbandes für den Kreis Lippe und die Stadt Bad Pyrmont gefunden.

Rainer Bartonitschek, Schuldner- und Insolvenzberater beim Verband, verurteilt die Menschen nicht, die eine Überschuldungskarriere hinter sich haben. Er kenne die Ursachen und Auslöser sowie die leichtfertigen Kreditvergaben der vielen Anbieter, sagt er. Die Überschuldung - sprich, wenn Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden können - entstehe in den meisten Fällen nicht von heute auf morgen, vielmehr sei es eine Entwicklung.

&bdquo;Heute kaufen, später zahlen“ Die Verschuldung sei gesellschaftlich auch gewollt, erklärt Bartonitschek. Die wenigsten würden ein Auto oder eine Immobilie kaufen und könnten es direkt komplett bezahlen. Immer mehr Menschen würden sich aber auch durch alltäglichere Konsumkäufe verschulden. Durch die verschiedenen Bezahldienste sei dies sehr einfach geworden. Gerne werde das Angebot von &bdquo;heute kaufen, später zahlen“ in Anspruch genommen, weiß der Schuldnerberater. Komme jemand dann in eine krisenhafte Lebenssituation, schnappe die Schuldenfalle oft zu.

Bartonitschek macht deutlich, dass jeder Fall anders sei, aber viele Geschichten eines gemein hätten - sie sind von Brüchen gekennzeichnet. Situationen, durch die sich das Einkommen plötzlich reduziert. Arbeitslosigkeit, eine gescheiterte Selbstständigkeit, Krankheit, Einkommensarmut, Trennung und Scheidung seien nach wie vor die Hauptauslöser einer Überschuldung. &bdquo;Dann fällt das, was vorher noch funktioniert hat, wie ein Kartenhäuschen zusammen“, erklärt der Schuldner- und Insolvenzberater. Raten könnten nicht mehr bezahlt werden, die Schulden wachsen. &bdquo;Oft wird es dann problematisch, selbst aus der Situation wieder herauszukommen“, weiß Bartonitschek, der den Beruf schon seit 25 Jahren macht. So hat sich auch Philipp Unterstützung gesucht und sie bei der Schuldnerberatung gefunden.

Für den Detmolder sei dieser Schritt genau die richtige Entscheidung gewesen, wie er im Gespräch mit der LZ resümiert. Rainer Bartonitschek habe ihm dabei geholfen, sich zunächst einen Überblick über alle offenen Forderungen zu verschaffen und schließlich ein Insolvenzverfahren in die Wege zu leiten. Nun sieht Philipp wieder eine Perspektive und hat Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mit der Vergangenheit will er abschließen. Viel Leid habe er erfahren, bereits in der Kindheit, wie er berichtet. Darin sieht er auch die Ursache für seine heutige Überschuldung.

Kein Gefühl von &bdquo;zu Hause“ Das Gefühl von &bdquo;zu Hause“ habe er nie kennengelernt, erzählt Philipp. Stattdessen habe er im Elternhaus Gewalt erfahren, hinzu sei die Scheidung der Eltern und der Verlust des verstorbenen Bruders gekommen. Von den Eltern habe er weder mentale noch finanzielle Unterstützung erhalten. Dass er sich keine neuen Sachen leisten konnte, habe wiederum zur Ausgrenzung in der Schule geführt. &bdquo;Mit 18 Jahren wollte ich zu Hause endlich raus“, erzählt Philipp. &bdquo;Ich fühlte mich frei.“ Nach all dem Verzicht konnte er den Versuchungen des Lebens jedoch nicht widerstehen: Verträge wurden abgeschlossen und Sachen im Internet bestellt. Zudem kamen falsche Freunde und Drogen ins Spiel. Schließlich habe er es aber doch noch geschafft, eine Berufsausbildung abzuschließen.

Philipp fasste den Entschluss, sein Leben in die Hand zu nehmen. Nicht nur eine neue Partnerin, bei der er zum ersten Mal das Gefühl von Familie erfahren habe, sondern auch ein neuer Job brachten eine positive Wendung. Jedoch war diese nicht von langer Dauer, denn das Schicksal schlug wieder zu: Während der Schwangerschaft erkrankte seine Partnerin schwer. &bdquo;Meine zukünftige Frau wird im Rollstuhl landen“, weiß Philipp, der sich nun um die Pflege seiner Lebensgefährtin sowie um das knapp zweijährige Kind kümmert. Den Job musste er deswegen an den Nagel hängen, damit rückte auch die Tilgung der Schulden wieder in weite Ferne. Wie soll es jetzt weitergehen? Antworten fand er in der Beratung.

Post nicht mehr geöffnet Bartonitschek hilft zunächst bei der materiellen Existenzsicherung, um dann gemeinsam nach Wegen aus der Überschuldung zu suchen, erklärt er. &bdquo;In diesem Fall bezog die Familie bereits Bürgergeld“, so der Schuldnerberater, der pro Jahr rund 100 Langzeit- und 250 Kurzzeitberatungsfälle hat. Dann gilt es zu klären, wie viele Schulden vorhanden sind und bei welchen Gläubigern. &bdquo;Viele Ratsuchende haben da den Überblick verloren, vor allem wenn es sich um viele kleinere Zahlungsanbieter handelt.“ So war es auch bei Philipp, der die Post wegen der vielen Mahnungen schon gar nicht mehr öffnete.

Im besten Fall könnten Ratenzahlungen mit den Gläubigern vereinbart werden, erklärt Bartonitschek. Doch wer am Existenzminimum lebt, habe diese Möglichkeit gar nicht. &bdquo;Dann können wir nur noch über insolvenzrechtliche Schritte beraten.“ So auch im Fall von Philipp. Die Privatinsolvenz bis zur Restschuldbefreiung läuft drei Jahre. In dieser Zeit müsse der Schuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten alles dafür tun, um noch möglichst viel von den Schulden zu begleichen. Dazu gehöre auch ein Vollzeitjob, sofern dem keine Gründe entgegenstehen. Philipp ist es derzeit jedoch aufgrund der familiären Umstände nicht möglich, einer Arbeit nachzugehen.

Finanzwissen auf dem Stundenplan Später, wenn die Betreuung von Kind und Frau gegeben ist, will er aber unbedingt wieder als Servicefahrer arbeiten, um seiner Familie etwas bieten zu können, sagt er. Angst, wieder in die Konsumfalle zu tappen, hat Philipp nicht. &bdquo;Mir reicht jetzt die Zeit mit der Familie.“ Hätte er früher schon solch einen Rückhalt erfahren, wäre es nicht so weit gekommen, ist er sich sicher. Ihm habe auch die Kompetenz im Umgang mit Geld gefehlt, erklärt er. Deswegen würde er sich wünschen, dass dies in Schulen noch mehr thematisiert werde.

Auch Rainer Bartonitschek findet die Schuldenprävention für Jugendliche sehr wichtig. &bdquo;In unseren Veranstaltungen für Schulklassen oder Jugendgruppen sensibilisieren wir die jungen Menschen für einen planvollen Umgang mit Geld und warnen vor Schuldenfallen“, berichtet er. Die Caritas bringe mit dem Projekt &bdquo;Young Finance“ Finanzwissen auf den Stundenplan. Interessierte Schulen und Jugendeinrichtungen können sich bei Bartonitschek unter Tel. (05231) 9929-83 oder per E-Mail an schuldnerberatung@caritas-dt.de melden.

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