Detmold. Es muss wie eine Zeitreise gewesen sein: Als Ursula und Kurt Bergmeier vor einigen Wochen die LZ aufschlugen, erlebten sie eine Überraschung. Sie entdeckten ein historisches Bild aus dem LZ-Archiv mit der Unterzeile „Paar mit Taktgefühl“ - Informationen über das Foto, das ein Tanzpaar zeigte, gab es in der Redaktion bis dato nicht. Doch dann meldeten sich Ursula und Kurt Bergmeier: „Das Paar auf dem Foto sind wir!“ Und die beiden Detmolder haben einiges über die damalige Zeit zu erzählen. „Wir waren früher oft in der Zeitung - als wir noch Turniertanz machten, und auch später, vom Tennis“, erzählt Ursula Bergmeier. Das Foto, so schätzen die beiden, entstand um 1959/1960 herum, möglicherweise bei einer der vielen Veranstaltungen, bei denen sie vortanzten. Damals „firmierten“ sie noch unter „Herr Bergmeier und Fräulein Preuss“. Tanzlehrer ermutigt zum Weitermachen Die beiden, die in der Detmolder Innenstadt nur wenige Straßen voneinander entfernt aufwuchsen, kannten sich als Kinder nicht - drei Jahre Altersunterschied sind bei Kindern und Jugendlichen schon ein gewichtiger Grund, sich trotz räumlicher Nähe nicht zu begegnen. Das änderte sich im Tanzkurs, den damals alle jungen Leute absolvierten. „Da fehlten die Herren, und so halfen die älteren Jungen aus“, erinnert sich Ursula Bergmeier an ihre ersten Schritte auf dem Parkett mit Tanzpartner Kurt. Offenbar waren die beiden talentiert. Nach Ursulas Abschlussball im Jahre 1955 rät der Tanzlehrer, weiter zu machen. Das Paar findet Gefallen am Turniertanz („so ziemlich der einzige Sport, den man wirklich zusammen machen kann“) - und ist erfolgreich: „Wir waren beide sehr sportlich - ich kam vom Schwimmen, mein Mann war Leichtathlet“, sagt Ursula Bergmeier. Und Sportlichkeit sei wichtig, denn Tanzen sei ein wirklich sehr herausfordernder, harter Sport. Als sie von Klasse II in Klasse I aufsteigen, berichtet auch die LZ: Herr Bergmeier und Fräulein Preuss siegen beim Winter-Tanzturnier der Tanzschule Otto Löser, Frau und Sohn, ist dort zu lesen. Von „beschwingtem Anmut und Eleganz“ berichtet der Reporter, von der „Überraschung des Abends“ und „großem Beifall, mit dem das Paar als Sieger“ im Hotel „Stadt Frankfurt“ gefeiert wird. 120 Meter Tüll fürs Kleid Die heute 87-Jährige hat die Berichte ausgeschnitten und fein säuberlich in ihr Album geklebt. Das Original-Foto vom Turnier im Hotel „Stadt-Frankfurt“ findet sich ebenfalls im LZ-Archiv. Im Album gibt es noch weitere Fotos und andere Schätze - zum Beispiel die Ausweise der Tanzschule Otto Löser, Frau und Sohn, oder ein Stückchen grünen und pinkfarbenen Tüll, aus dem ihr Tanzkleid war. „Das habe ich selbst genäht. 120 Meter Tüll.“ Als es darum gegangen sei, den Stoff zuzuschneiden, habe sie auf dem Tisch gestanden: „Und mein Mann musste die Schere nehmen und den Saum rundherum abschneiden“, lacht sie bei der Erinnerung. Mehr Bilder aus der LZ-Archiv finden Sie hier: Erkennen Sie sich? Ja, das Outfit war schon etwas ganz besonderes: Während sie den Rock selbst nähte und mit Rüschkanten verzierte, war das Oberteil das Werk einer Schneiderin: „Das musste hauteng anliegen, das können Sie gar nicht selbst nähen.“ Wie übrigens auch der Tanzfrack ihres Partners: „Sitzen konnte man darin nicht, und auch die Arme nicht locker bewegen.“ Ursula Bergmeier betrachtet ein Foto, in dem ihr Kleid hochwirbelt: „Man konnte auch keine Strümpfe tragen, sonst wäre man in den Schuhen gerutscht.“ Manche Männer hätten sich deshalb bei den Tanzdarbietungen in die erste Reihe gesetzt, um einen besseren Blick unter den Rock zu haben, schmunzelt sie. Viel seien sie damals unterwegs gewesen, bei Turnieren und Veranstaltungen zum Vortanzen. Doch nach dem Aufstieg in Klasse I habe es in Lippe keine Trainingsmöglichkeiten mehr gegeben: „Wir sollten bis in die Niederlande fahren - aber das ging nicht, wir hatten ja gar kein Auto und hätten uns das auch nicht leisten können!“ Die beiden Angestellten, sie bei der Regierung, er beim Finanzamt, mussten sparen, um sich den Traum vom Eigenheim für die spätere Familie - zwei Söhne haben sie - erfüllen zu können. Deshalb endete die Karriere als Turniertänzer auf dem Höhepunkt des Erfolgs. Tanzkleid im Keller verwahrt Am 17. November 1961 wird aus dem Tanz- ein Hochzeitspaar, aus Fräulein Preuss Frau Bergmeier. An die Trauung in der Martin-Luther-Kirche kann sie sich noch genau erinnern: Sie im langen Kleid, ihr Kurt im engen Tanzfrack. Sitzen war in dem Outfit nicht möglich, und auch wenn der Pastor vom Stehen abgeraten habe („er sagte, er habe schon so viele umkippen sehen“), bestand die heute 87-Jährige darauf: „Schließlich sollte mein Kleid ja nicht kraus werden.“ Apropos Kleid: Ihr altes Tanzkleid bewahrt Ursula Bergmeier immer noch im Keller auf. Dort, wo auch zahlreiche Pokale stehen, die das Paar in den Jahren abgeräumt hat. Für die LZ holt sie es hoch und packt es aus der Schutzhülle - eine Pracht in Pink und Mint, die die Schwarz-Weiß-Bilder nicht widerspiegeln können. Das Kleid passe ihr natürlich nicht mehr, sagt die 87-Jährige, die sich ihre schlanke Statur bewahrt hat. Aber ans Tanzen ist aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr zu denken. Stattdessen schaut das Paar anderen zu - bei der TV-Show „Let’s dance“ erkennt es auf den ersten Blick die Fehler, auch wenn sie noch so klein sind. Und dann wird im Hause Bergmeier am Ende auch schon mal darüber diskutiert, ob ein Sieg gerechtfertigt ist oder nicht: „Die Voraussetzungen sind heute ja ganz anders als zu unserer Zeit. Da braucht man ja eine Ballettausbildung.“ Ob’s jedoch besser ist, sei dahin gestellt.