Angeklagter Umzugsunternehmer aus Lippe beschreibt Gefängnis in Armenien als Hölle

Detmold. Was er im Gefängnis in Armenien erlebt hat, scheint den Angeklagten tief beeindruckt zu haben. &bdquo;Hätte ich den Rückhalt meiner Familie nicht gehabt, wäre ich gestorben“, sagt der 35-Jährige bei seinem zwei Jahre verspäteten Prozessauftakt vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer . Den Blick in sein Seelenleben offenbart der monatelang auf der Flucht gewesene Umzugsunternehmer aber erst, als der Deal steht. Bleibt er bei seinem Geständnis, kann er mit einer bestimmten Haftstrafe rechnen.

Das Urteil wird am Ende der Beweisaufnahme zwischen drei Jahren und drei Monaten bis zu maximal drei Jahren und neun Monaten liegen, darauf haben sich die Prozessbeteiligten verständigt. Unter anderem geht es um den Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Das Ergebnis des nicht-öffentlichen Rechtsgesprächs hält die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski im Anschluss für alle fest. Dazu zählt auch, dass jeder bereits verbüßte Tag im armenischen Gefängnis doppelt angerechnet wird.

Die Kammer sei an die Verständigung gebunden, erklärt Schikowski weiter, &bdquo;das würde sich nur ändern, wenn sich in der Hauptverhandlung Hinweise auf neue Straftaten ergeben. Dann könnten wir Ihr Geständnis aber auch nicht mehr verwerten.“ Der Angeklagte nickt, er will es durchziehen.

Geständnis dank Deal Trotz Deal bleibt das Urteil zum Auftakt aus, die Kammer will das kurz gehaltene Geständnis über die beiden Verteidiger durch weitere Zeugenaussagen abklopfen. Mit Blick auf das zu erwartende Strafmaß ist Staatsanwalt Kristoffer Mergelmeyer bereit dazu, einige Anklagepunkte vorab einzustellen. Das betrifft den Vorwurf der Steuerhinterziehung und den mutmaßlichen Betrug mit Corona-Soforthilfen. Auch zwei Jahre, in denen der Angeklagte den Staat ebenfalls um Sozialbeiträge gebracht haben soll, streicht der Staatsanwalt.

Die übrig bleibenden Vorwürfe sind dennoch erheblich, der Gesamtschaden liegt schätzungsweise bei mehr als 600.000 Euro. Die Details rund um den Arbeitszeitbetrug muss die Kammer allerdings noch aufdröseln. Das Geständnis steht aber im Fokus.

Verteidiger Dr. Dario Arconada Valbuena aus Hannover erklärt, sein Mandant räume ein, ab 2017 bis August 2020 &bdquo;schludrig gewesen zu sein und die Sozialversicherungsbeiträge für seine Mitarbeiter nicht richtig angegeben zu haben“. Die Vorwürfe in der Anklage seien korrekt.

Genauso stimme es, dass der Mandant sich drei Mercedes Sprinter und einen Porsche habe finanzieren lassen, obwohl er die Raten gar nicht bezahlen konnte, erklärt Verteidiger Remzi Yalcin weiter. &bdquo;Es war zum Zeitpunkt der Finanzierung klar, dass er nicht zahlungsfähig und willig war.“ Allein die Autos sollen einen Gesamtwert von knapp 290.000 Euro gehabt haben.

Flucht verursacht Trauma Zu den Taten selbst fügt der Angeklagte nichts weiter hinzu. Es scheinen eher seine missglückte Flucht und die knapp neun Monate Haft in Armenien zu sein, die ihn tatsächlich belasten. &bdquo;Das, was ich alles getan habe, habe ich schon nach den ersten Wochen dort bereut“, sagt der Lipper. &bdquo;Die Haftbedingungen waren menschenunwürdig.“

Natürlich habe er sich durch seine Flucht selbst in die missliche Lage gebracht, gibt der angeklagte Umzugsunternehmer zu. Aber: Gesundheitliche Probleme und mehrere Operationen hätten ihn in Armenien fast das Leben gekostet, die Krankenhausaufenthalte wären kaum ertragbar gewesen.

Eigentlich hätte er schon vor knapp zwei Jahren vor Gericht stehen sollen. Damals entschied sich der Lipper aber, nicht zum Prozesstermin aufzutauchen - und zunächst in die Türkei zu flüchten. Dort habe es dann Probleme mit seinem Aufenthalt gegeben, erklärt er, darum sollte es weiter nach Armenien gehen.

Emotionaler Konflikt Selbst ausgeliefert hatten ihn die armenischen Behörden übrigens nicht, auch wenn sie ihn wegen eines internationalen Haftbefehls im Sommer 2024 direkt am Flughafen festnahmen. Nach etwa neun Monaten Gefängnis hätte sich der 35-Jährige wieder frei dort im Land bewegen können, sagt er vor Gericht, die Behörden behielten nur seinen Pass.

Dann kam er aber offenbar ins Grübeln. &bdquo;Ich wollte das meiner Familie nicht mehr antun, dass sie weiter mit mir auf der Flucht leben müssen“, sagt der Angeklagte. Das sei neben seinem gesundheitlichen Zustand der wichtigste Grund gewesen, sich den deutschen Ermittlungsbehörden zu stellen. Inzwischen gehe es ihm wieder besser.

Er selbst sei ohne Vater aufgewachsen, erklärt der Lipper nun im Sitzungssaal, das habe er seinem Kind eigentlich niemals antun wollen. &bdquo;Jetzt ist es doch passiert. Ich habe so viele Fehler gemacht, dabei wollte ich eigentlich alles besser machen.“

Der Prozess wird am Donnerstag, 28. August, fortgesetzt. Danach soll es noch einen weiteren Fortsetzungstermin geben.

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