Barrikade vor Naturschutzgebiet Rethlager Bach verärgert Spaziergänger

Lage-Müssen. "Gerade habe ich einen Bock auf der Wiese am Heidesee äsen sehen", sagt Anna Luetgebrune. "Das ist genau das, was ich damit erreichen möchte." Luetgebrune freut sich. Sie deutet auf eine übermannshohe Barrikade aus gefällten, abgestorbenen Fichten. Sie macht ein Passieren unmöglich und sperrt damit einen bis dato bei vielen beliebten Pfad am Rethlager Bach. Auch LZ-Leser Gerhard Burmeister ärgert sich, dass er sich für seine Joggingroutine, die ihn seit zehn Jahren zweimal wöchentlich dort entlang führte, nun eine andere Strecke suchen muss.

"Ich kann verstehen, dass die Menschen die Absperrung nicht so toll finden", sagt Luetgebrune. "Ich habe wohl einfach zu spät reagiert. Wer hat schon Lust, sich mit Spaziergängern anzulegen." Manche seien auch freundlich und verständnisvoll, aber gerade in jüngster Zeit seien die Menschen in Scharen gekommen und hätten besonders die Wiese sogar für Firmenspielnachmittage oder für Hundeübungen genutzt. "Als Hundewiese war sie bis Bielefeld und Gütersloh bekannt." Dabei müsse auf der Fläche der vertraglich vereinbarte Naturschutz stattfinden, sagt Luetgebrune. Schließlich bekommt sie Geld vom Kreis, weil sie die Fläche brach liegen lässt. "Das darf also nicht einfach eine Freizeitfläche werden, als Liegewiese oder Partylocation genutzt werden. Dann wird mir die Prämie gestrichen." Schon ein Trampelpfad, der hinterher auf Luftbildern zu sehen sei, könne sie da in Schwierigkeiten bringen. Das könne dann Folgen für ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb haben.

Jogger und Naturfreund Burmeister bezweifelt, dass hinter dem Naturschutzgebiet am Rethlager Bach ein sinnvolles Konzept steckt. "Bis auf einen Schwan und ein paar Wasservögel habe ich dort keine seltenen Tiere feststellen können. Auch keine Schilfrohrsänger, weil bis zum Wasser alles verbuscht ist und die Schilfgebiete fehlen." Auch ein nötiger Flachwasserbereich sei nicht vorhanden. Und warum sich Baden, Angeln und Naturschutz ausschließen sollten, kann er nicht nachvollziehen. "In Bayern funktioniert das doch auch! Auf der einen Seite wird gebadet, auf der anderen geangelt. Und wir sind immer vorsichtig gewesen."

Früher haben die Leute gefragt Leider habe sich die Einstellung vieler Menschen in den vergangen Jahren stark gewandelt, sagt Luetgebrune. "Früher haben die Leute noch gefragt, ob sie über die Wiese gehen dürfen. Und wenn das eine eingezäunte Weide mit Kühen drauf wäre, würde auch keiner auf die Idee kommen, einfach quer rüber zu laufen", wundert sich Luetgebrune. Beim Ortstermin zeigt sie Löcher im Dickicht. Inzwischen brächten einige sogar Werkzeug mit, um sich trotz Zaun einen Weg zum See freizuschneiden. Der Pfad über die Wiese und der Pfad durch den Auenwald entlang des Heidesees seien ohne Zustimmung der Eigentümerin entstanden, bekräftigt der Kreis in einer Pressemitteilung. Sie habe also das Recht, diese Nutzung zu untersagen. Freilaufende Hunde beeinträchtigten Brutvögel sowohl im Auewald als auch auf dem Gewässer.

Die Umwandlung in ein Naturschutzgebiet 2006 habe ihre Möglichkeiten, als Eigentümerin das Gebiet zu entwickeln, stark eingeschränkt, sagt Luetgebrune. "Auch meine Einstellung musste sich dazu wandeln", sagt die Landwirtin. "Aber ich habe gesehen, wie sich die Natur entwickeln kann, wenn wirklich Ruhe einkehrt. Und gerade der Landwirtschaft wird ja oft vorgeworfen, dass sie nicht genug Flächen für den Naturschutz zur Verfügung stellt."

Mit Naturschutz, ihren Interessen als Eigentümerin und den Interessen der Angler des Polizeisportvereins als Pächter der Seen begründet sie die Sperrung der Pfade. "Die Angler zahlen Geld für die Nutzung des Gewässers und die war in letzter Zeit nicht mehr richtig möglich." Beim Ortstermin ärgert sich Luetgebrune über Bierflaschen, die im Wasser dümpeln und Bierdosen im Uferbereich. Ihr, dem Kieswerk Ahle als Nachbareigentümer und auch dem Kreis sei bewusst, dass sich die Menschen nicht dauerhaft aussperren ließen, sagt Luetgebrune. "Natürlich werden wir Wege offen halten müssen, aber dafür müssen wir erstmal ein Konzept entwickeln. Und gerade für diesen Corona-Sommer muss ich meine Verantwortung als Eigentümerin wahrnehmen."

Vom Acker zum Naturschutzgebiet "Vor 50 Jahren war die Fläche Acker", sagt Eigentümerin Anna Luetgebrune. "Allerdings kein guter wegen des sandigen Bodens." Dann gab es eine Zeit, als die jetzige Wiese an ein nahes Gestüt als Trabrennbahn verpachtet war. "Als die die Fläche nicht mehr brauchten, wollten wir eigentlich aufforsten." Stattdessen wurde die Wiese im Jahr 2000 Dauergrünland. "Sie darf bis in alle Ewigkeit nicht mehr umgebrochen werden. Ich darf kein Pflanzenschutzmittel verwenden, keinen Dünger und auch keinen Mist auffahren, weil es sich dort um einen besonderen Trockenrasen handelt."

Also mäht Luetgebrune die Fläche einmal im Jahr und fährt das Mähgut ab. Weil dort kein saftiges Gras wachse, sei die Wiese für Tierhaltung uninteressant. Den großen Heidesee und den kleineren ehemaligen Baggersee nebenan hat Luetgebrune seit etwa 25 Jahren an die Angler des Polizeisportvereins verpachtet. Im Jahr 2006 erklärte der Kreis den gesamten Bereich zum Naturschutzgebiet.

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