"Es ist erschreckend": Erzieherin aus Lage über den Corona-Alltag

Lage. Sie dürften Eltern nicht darauf hinweisen, ihren Nachwuchs nur im Notfall in die Kita zu bringen, müssten verschnupfte Kinder betreuen, würden über die neuesten Corona-Regeln erst als Letzte informiert: Eine Erzieherin aus Lage wendet sich an die LZ und packt über den Kindergarten-Alltag während Corona aus. Sie und ihre Kolleginnen fühlen sich allein gelassen und ausgenutzt. Bürgermeister Matthias Kalkreuter indes kann die Kritik so nicht nachvollziehen.

"Ich bin schockiert" Während im Privaten jeder seine Kontakte beschränken soll, stünden die Erzieherinnen täglich mit bis zu 25 verschiedenen Haushalten in engem Kontakt, klagt die Erzieherin. Sie möchte anonym bleiben – aus Angst, ihren Job zu verlieren. Doch sie könne und wolle nicht länger stumm bleiben. &bdquo;Ich arbeite als Erzieherin in einer städtischen Einrichtung in Lage und bin allmählich dermaßen schockiert über den Umgang mit unserer Berufsgruppe, dass ich dem nun mal Luft machen muss", sagt sie.

Die Anweisung vom Arbeitgeber, die Stadt sei der Träger der Kita, laute trotz Lockdown: Wir haben für alle Kinder geöffnet. Es sei den Erzieherinnen untersagt, Eltern darauf hinzuweisen, ihre Kinder daheim zu betreuen, wenn es möglich ist. &bdquo;Und wir wissen, dass viele Eltern die Möglichkeit haben", stellt sie fest. Was die Erzieherin besonders wütend macht, ist, dass sie derzeit Kinder betreuen müsse, deren Familien in großem Rahmen Weihnachten und Silvester gefeiert hätten sowie regelmäßig Gottesdienste besuchten. Viele ignorierten die Regeln des Landes. &bdquo;In anderen Kitas gibt es klare Ansagen, Eltern lassen ihren Nachwuchs zu Hause", beobachtet sie. &bdquo;Bei uns ist es fast wie immer. Es ist erschreckend, wie viele Kinder jeden Tag zu uns gebracht werden."

Maximal 50 Prozent der Kinder werden aktuell betreut Die Stadt zeigt in einer Stellungnahme auf LZ-Anfrage ein anderes Bild auf. Eine Abfrage in den Tageseinrichtungen in städtischer Trägerschaft habe kürzlich ergeben, dass maximal 50 Prozent der Kinder aktuell in den Einrichtungen betreut würden. In einigen Kitas liege die Zahl sogar deutlich darunter. Außerdem unterstreicht die Stadt, dass es derzeit keinen Notfallbetrieb wie im Frühjahr vergangenen Jahres gebe, sondern das Land entschieden habe, die Kitas geöffnet zu lassen. &bdquo;Dennoch wird an die Eltern appelliert, die Kinder im derzeitigen Lockdown nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen", versichert die Stadt. Trotzdem wundere es die Erzieherin, dass die städtischen Kindergärten anscheinend unterschiedlich arbeiteten. Die einen befänden sich länger im reduzierten Betrieb als andere, die einen müssten ihre Gruppen separieren, andere nicht.

Die Stadt macht deutlich, dass die Regelungen des Landes für alle Lagenser Einrichtungen gleichermaßen bindend sind. Die seit dem 11. Januar geltenden Regelungen sehen es vor, dass der Betreuungsumfang für jedes Kind um zehn Stunden pro Woche reduziert wird. &bdquo;Dieser eingeschränkte Betrieb soll es den Erzieherinnen ermöglichen, die strikten Gruppentrennungen und die Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen umsetzen zu können", heißt es.

Doch die Erzieherinnen sehen sich unzureichend informiert. &bdquo;Ich wünsche mir eine klare Kommunikation und dass zum Schutz des Personals entsprechende Maßnahmen getroffen werden", sagt die anonyme Angestellte. &bdquo;Wir werden mundtot gemacht und das macht mich traurig und wütend." Sie und ihre Kolleginnen fühlten sich allein gelassen und übergangen – es fehle die Wertschätzung. Gespräche über die aktuelle Situation gebe es kaum. Sich an den Träger, die Stadt, direkt wenden wolle man sich nicht, um niemanden zu übergehen und noch mehr Unmut zu schüren. Eine eingefahrene Situation.

Bürgermeister kann die Kritik nicht nachvollziehen &bdquo;Wir erkennen die Herausforderungen unserer Erzieher und Erzieherinnen in den städtischen Kindertageseinrichtungen an und kümmern uns um den Schutz unserer Beschäftigten in den Einrichtungen. Ansprechpartner für Fragen und Anliegen stehen in der Fachgruppe Jugend immer zur Verfügung", macht Bürgermeister Mathias Kalkreuter deutlich. Mit den Leiterinnen der Kitas sei der Betrieb im eingeschränkten Modus bis Ende des Monats besprochen, um eine Einheitlichkeit im Handeln zu gewährleisten.

Die Stadt sehe aber auch die Notwendigkeit, dass Eltern eine Betreuung ihrer Kinder im Lockdown in Anspruch nehmen müssen. &bdquo;Im regelmäßigen Austausch mit den Leitungen der Kitas ist uns versichert worden, dass die Schutz- und Hygienestandards sowohl für die Beschäftigten als auch für die Kinder eingehalten werden. In diesem Sinne erstaunen mich die Aussagen der Erzieherin."

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