Streuobstwiese in Lage: Viel Leben zwischen roten Äpfeln

Lage. Die Apfelernte hat gerade begonnen. Doch sie wird in diesem Jahr nicht überall so gut ausfallen wie gewohnt. Der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie in Bonn rechnet für den Herbst bundesweit mit einer schwachen Streuobsternte von rund 300.000 Tonnen. Nicht jedoch bei Benjamin Tiedt. Er kümmert sich um eine zwei Hektar große Streuobstwiese im Familienbesitz – und hier sind die Äpfel bestens gereift.

Wo sich in der Hagenschen Straße einmal jahrzehntelang ein Obsthof mit einer Größe von rund fünf Hektar befand, ist heute eine private Wiese. Der Lehrer pflegt die Obstbäume, mäht einmal im Jahr und kümmert sich im Winter um Schneidearbeiten. Dabei helfen auch mehrere Schafe. &bdquo;Mir geht es um den Erhalt des Naturraums, um eine besondere Naturlandschaft", erklärt der 39-Jährige.

Sie sei wichtig für vielerlei Tiere wie Vögel und Insekten. Biologische Vielfalt, deren Schutz und die nachhaltige Nutzung der Natur werden unter dem Stichwort Biodiversität zusammengefasst. Gemäht wird immer vor der Ernte, um diese zu erleichtern, aber auch zum Schutz der Tierwelt. Dann holt Tiedt Obstsorten wie Lanes, Jakob Fischer, Gravensteiner – die Hauptapfelsorten – von den Bäumen.

Gefahr: Trockene und heiße Sommer

Die 25 bis 30 Sorten blühen zu verschiedenen Zeiten, deshalb gibt es hier nie einen kompletten Ernteausfall, wenn später Frost einen Teil der Blüten zerstört. &bdquo;Trockene, heiße Sommer gefährden alte Streuobstbestände", weiß Tiedt. Doch in diesem Sommer kann er darüber nicht klagen. 70 Prozent der Ernte werden zu einer Mosterei gebracht, der Rest ist Tafelobst und wandert als Frucht bis zum März direkt in den Mund.

In guten Jahren erntet er bis zu dreieinhalb Tonnen Äpfel. Das kann die eigene Familie natürlich nicht schaffen, und so kommen auch andere Menschen in den Genuss – nach Voranfrage zum Selberpflücken oder vor allem beim Apfelfest am 16. Oktober. &bdquo;Mir geht es darum, dass das Obst verwertet wird", so der 39-Jährige.

Seit zehn Jahren kümmert sich der Lehrer Seit zehn Jahren kümmert er sich um die Streuobstwiese und pflanzt auch Bäume nach. Alte dürfen aber durchaus noch stehenbleiben, weil etwa dort ein Vogelpärchen brütet oder noch grüne Triebe Leben anzeigen. Neue Bäume müssen eine Höhe von 1,80 Meter haben.

Solche Hochstämme habe es seit jeher auch in lippischen Gärten gegeben, so Tiedt. Drumherum liefen Tiere, die dem Baum so keinen Schaden zufügen konnten. Da hält er es mit der Tradition und ihrem Praxisbezug. Deshalb gibt es auch den Tannenkrüger auf der Wiese, eine uralte Sorte aus Leopoldshöhe, die damals in vielen Gärten stand. So lecker ist er nach heutigem Geschmack allerdings nicht.

Ripston Pepping ist Tiedts Lieblingssorte Andere Sorten wie die Goldparmäne haben erst nach 20 Jahren einen guten Ertrag. Manche tragen nach drei oder vier Jahren auch mal ein Jahr keine Früchte – &bdquo;das ist ganz normal". Und er hat auch alte Sorten, die allergenarm sind. Alle müssen jedoch für die Region typisch sein, so gedeihen sie am besten. Manche sollten bald gegessen, manche besser eingelagert werden. Benjamin Tieds Liebling ist der Ripston Pepping – ein Schädling hat allerdings seine Neuanpflanzung zerstört. Aber auch der Lanes sei sehr lecker.

Die Familie Tiedt lädt für Samstag, 16. Oktober, zum Apfelfest in Zusammenarbeit mit dem BUND ein. Von 10 bis 16 Uhr können Familien nach Anmeldung hier Äpfel pflücken, wahlweise auch mosten lassen oder eigene Äpfel zum Pressen bringen.

Ökosystem Streuobstwiese

In Deutschland werden aktuell etwa 250.000 Hektar Fläche als Streuobstwiesen bewirtschaftet. Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bieten sie als botanisches Kulturgut mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten wertvollen Lebensraum und Nährboden. Ein Natur- und Lebensraum, der dringend geschützt werden müsse, fordert der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie.

Auch die Fruchtsafthersteller fördern den Streuobstanbau, tragen zur Erhaltung durch Vertragsanbau bei und nutzen die Vielfalt der Obstarten und ihre besonderen Geschmacksvarianten für die Fruchtsaftherstellung. Spezielle Angebote wie der Streuobstwiesen-Apfelsaft oder Quitten- und Birnensäfte würden insbesondere von Saft-Liebhabern geschätzt, die viel Wert auf die ausgeprägte, charakteristische Aromenvielfalt der meist naturtrüben Säfte legten.

Immer weniger rote Beeren

Die Apfelernte liege um zwei Wochen hinter der Zeit, weiß Axel Koch, Geschäftsführer der Firma Lagenser Fruchtsäfte. Das Frühjahr war sehr kalt, zum Glück habe kein Frost die Blüten kaputtgemacht. Insbesondere bei roten Früchten wie Trauben, Holunderbeeren, die es kaum noch gebe, Pfirsichen und Himbeeren sei die Ausbeute gering; sie kosteten oft das Doppelte. Auch gebe es bei Johannisbeeren nur geringe Mengen. Bei Zitrusfrüchten, die beispielsweise aus Südamerika kämen, hätten sich die Transportkosten verdreifacht.

&bdquo;In diesem Jahr haben den Streuobstbeständen die niedrigen Temperaturen und viel Nässe während der Blütezeit zugesetzt", so Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie, in einer Mitteilung. &bdquo;Als Folge der zunehmenden Schwächung der Bäume sind diese leider anfälliger für Krankheiten, so dass wir davon ausgehen müssen, dass das Ertragspotenzial weiter sinken wird."

Trockenheit schwächte die Bäume Das Frühjahr 2021 hat in manchen Regionen insbesondere die Blütezeit der mittelfrühen Apfelsorten auf den Streuobstwiesen mit niedrigen Temperaturen und viel Nässe gestört. Die frühen und späten Apfelsorten seien nicht in dem Maße betroffen. Die Bäume auf den Streuobstwiesen stehen schon seit einigen Jahren enorm unter Klimastress: späte Nachtfröste zur Blütezeit, anhaltende Hitzeperioden in den Sommermonaten und viel zu wenig Niederschlag.

Insbesondere der fehlende Niederschlag und der damit verbundene Trockenstress hat die Bäume zunehmend geschwächt und sie anfälliger gemacht für Krankheiten. Eine weitere Folge ist der verstärkte Mistelbefall in den Bäumen. Auch das wirkt sich auf den Ertrag aus.

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