Lemgo. Die Zeichen stehen auf Parkhausbau. Dabei könnte die Stadt die Verkehrssituation rund um die Hochschule durchaus ohne den geplanten Neubau an der Lipperlandhalle in den Griff bekommen. Das ist das Ergebnis des Verkehrsgutachtens, das Markus Baier als Geschäftsbereichsleiter Stadtplanung und Bauen nun vorgestellt hat. Doch ohne Parkhaus seien "größere Anstrengungen" erforderlich.
Als Beispiel nannte Markus Baier einen Shuttlebus zum Campus, der eingerichtet werden müsste, um den Parksuchverkehr zu reduzieren. Klartext: Für zwingend erforderlich hält Verkehrsplaner Rainer Stephan aus Detmold das Parkhaus nicht. Trotzdem steuert alles in diese Richtung - jüngst hatte sich die Spitzenrunde aus Landrat, Bürgermeister und Hochschulpräsident schon festgelegt, möglichst 2017 zum Spatenstich zu laden.
Das Ja-Stimmen-Lager: Die Mehrheitsverhältnisse, zumindest im Stadtrat, lassen keinen anderen Schluss zu, als dass das 400-Plätze-Parkhaus kommen dürfte. Fraktionschef Udo Golabeck: "Aus Sicht der SPD gehört ein Parkhaus zur Hochschulentwicklung dazu. Deutschland hat keine Bodenschätze, die Wissensgesellschaft ist unsere Stärke."
Auf Anfrage bestätigt auch Dr. Harald Pohlmann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat, dass die Christdemokraten für ein Parkhaus stimmen würden. "Wir sehen dieses Projekt als dringend notwendig an", stattet Pohlmann die Pro-Parkhaus-Fraktion im Stadtrat mit einem komfortablen Vorsprung aus. Skeptiker oder Kritiker am Detail gibt es auch.
Bau- und Betriebskosten: Allerdings müssen noch der Kreistag und die zuständigen Hochschulgremien mitspielen. Knackpunkt sind weniger die Baukosten für die etwa 400 Stellplätze, die laut dem Vorschlag an den Kreisbildungsausschuss, der am Dienstag tagt, gedrittelt werden sollen. Die Rechnung ginge außer an den Kreis an die Stadt Lemgo und die Hochschule. "Als Gegenleistung erhält der Kreis ein langfristiges Nutzungsrecht an der Hälfte der geschaffenen Stellplätze", heißt es.
Dagegen geht es bei den jährlichen Betriebskosten ans Eingemachte. 100.000 Euro sind laut den Lemgoer Stadtwerken, die momentan als Betreiber des Parkhauses vorgesehen sind, als Betriebskosten im Jahr zu tragen, sofern die Benutzer ihre Wagen kostenlos abstellen dürfen. Nur dann aber, so die Erwartung der Experten, würde sich das "wilde Parken" rund um die Hochschule überhaupt deutlich reduzieren lassen.
Andernfalls müsste auch das komplette Areal rund um das Parkhaus bewirtschaftet werden. Weitere Kosten: etwa eine Million Euro. Zudem würde das Problem nur weiter in Anwohnerstraßen ohne Ticketautomaten verlagert.
Gutachter Rainer Stephan plädiert daher für die Gebührenfreiheit - mit der Option, dies später zu ändern. Derweil auch die Stadt bereit wäre, von den Baukosten in Höhe von grob geschätzt 4,6 Millionen Euro ein Drittel zu tragen, lehnt sie laut Baier eine Beteiligung am jährlichen Fehlbetrag ab. "Das Geld müssten als Nutzer der Kreis, die Hochschule oder Dritte aufbringen, die keine eigenen Stellplätze haben", sagt der Geschäftsbereichsleiter. So schlägt es nun auch der lippische Eigenbetrieb Schulen dem zuständigen Fachausschuss auf Kreisebene vor.
Die Ausgangslage: Basis für die Analyse von Verkehrsplaner Rainer Stephan war eine Zählung durch Studenten, die alle halbe Stunde durchs Quartier gegangen sind und Strichlisten führten. Zur Spitzenzeit morgens um 11 Uhr wurde hierbei eine maximale Auslastung mit 1579 Autos festgestellt - zur Verfügung stehen aber rein rechnerisch nur 1314 Parkbuchten. Die Tiefgarage der Lipperlandhalle kann langfristig aufgrund von Auflagen in Sachen Brandschutz und der Lüftung nicht als Dauerparkraum genutzt werden.
Bis 2025 soll die Zahl der Studenten laut Gutachter zwar leicht abnehmen, so dass auch die Intensität des Parkdrucks nachlässt. Dabei ist schon eingerechnet, dass der Fachbereich Medienproduktion zwar nach Detmold ziehen soll, die Hochschulleitung aber einen Ausgleich plus minus null vorsieht. Zugpferd für den Campus wird etwas ganz anderes...
Vision "Innovation Campus": Das Parkhaus soll nicht nur den Status quo sichern, was vielleicht auch ohne den Neubau ginge. "Wenn wir den ,Innovation Campus? mit Wirtschaft und Industrie realisieren wollen, ist der Ist-Zustand zu wenig", blickt Markus Baier in die Zukunft. Wie berichtet, prophezeit die Unternehmensberatung Agiplan dem Campus Neubauten im Wert von 60 Millionen Euro, Dutzende Start-up-Ausgründungen sowie Hunderte hoch qualifizierte neue Jobs.
Dafür im Fokus: der relativ kurzfristig bebaubare Reserveparkplatz hinter der Hochschulverwaltung, der als Parkraum wegfiele. Drehen Stadt und Hochschule dieses ganz große Rad, erhält der Parkhaus-Neubau eine ganz andere Dimension: als Türöffner für den "Innovation Campus". Eine Planungswerkstatt soll in den nächsten Monaten Klarheit bei dem Thema bringen.
Alternativen: Tatsache ist: Der öffentliche Nahverkehr ist nach Ansicht des Gutachters nicht der Schlüssel zur Campusanbindung. Mehr als drei Viertel der Studenten und Mitarbeiter kommen von auswärts, können also nicht auf die gute Stadtbusversorgung zurückgreifen. Denkbar ist noch, dass die Regionalbusse von Detmold eine Schleife durch die Liebigstraße fahren - da hört es nach Angaben von Markus Baier aber auch auf. "Bei anderen Linien würde es sehr aufwendig und teuer", erklärt der Geschäftsbereichsleiter.
Ebenso geht bei der Regionalbahn nichts, deren neue Haltestelle unterhalb des Lüttfelds im Jahr 2007 eingeweiht worden war. Im Fahrplan sei nicht eine Minute Luft, um den Takt zu ändern, sagt Markus Baier. Eher schon müssten die beiden Berufskollegs ihre Anfangszeiten ändern. Öfter fahren kann der Zug ebenfalls nicht, weil auf dem eingleisigen Streckenabschnitt zwischen Lage und Bielefeld ein weiterer Zug unterwegs ist, mit Ziel Detmold.