Städteverbindungen: Die Partnerschaft erwacht aus dem Coronaschlaf

Lemgo. Es sind gewachsene Strukturen, Freundschaften, die über die Jahre entstanden sind. Doch Corona hat auch bei den Städtepartnerschaften Spuren hinterlassen. Weggefährten sind weggezogen, Lehrer haben aufgehört - "wir müssen jetzt gucken, wo wir anknüpfen oder auch neue Kontakte knüpfen können".

Das sagt Torsten Buncher, der die Städtepartnerschaften in Lemgo fast von Anfang an begleitet. Kurz nach Beginn der Partnerschaft 1979 war das, als er als damaliger Abiturient erstmalig auf Vandoeuvre in Frankreich und Beverley in England angesprochen wurde und mit dem Union Entrup in die französische Partnerstadt nach Lothringen reiste. Mittlerweile ist er seit über zehn Jahren Vorsitzender der Partnerschaftsgesellschaft Lemgo, die versucht, die Beziehungen nach Vandoeuvre, Beverley, aber auch ins sachsen-anhaltinische Stendal lebendig zu halten. Dabei lebe die Beziehung vom persönlichen Engagement, von den Kontakten, die sich über Beruf, Vereine oder auch privat etablieren - "da können wir nur als Katalysator fungieren", sagt der Vorsitzende und Hendric Schwär-Fröhlich, der die Partnerschaft für die Verwaltung begleitet, nickt zustimmend.

Deutsch ist kein Schulfach mehr Die Partnerschaft steht auf soliden Füßen; Vereine, Gruppen und vor allem auch die Freiwillige Feuerwehr sind von Anfang an dabei, doch Corona hat Spuren hinterlassen. Der deutsch-französische Schüleraustausch der Gymnasien, der sich nach etwas zähem Start sehr gut etabliert hatte, war nicht mehr möglich. Danach war die französische Lehrerin, die den Austausch in Vandoeuvre vorangetrieben hat, nicht mehr vor Ort - man müsse sehen, wie es weitergeht. "Denn was machbar ist, hängt immer von dem Engagement der Menschen vor Ort ab", wie Torsten Buncher betont.

Gravierender sind noch andere Probleme: Der Brexit etwa habe den Austausch mit Beverley deutlich schwieriger gestaltet. Zudem sei Deutsch in den englischen Schulen kein Lehrfach mehr, dementsprechend sinke die Nachfrage und schließlich seien auch die restriktiven Auflagen für Sicherheit und Gesundheit auf der Insel eine hohe Hürde. Lichtblick ist hier das Engagement von Erin Robertson an der Grammar School in Beverley, die im Duo mit Ulrich Sievert am Marianne-Weber-Gymnasium einen Briefaustausch initiierte . Eine Initiative, die vielleicht in gegenseitige Besuche münden könnte, wie es sich auch Torsten Buncher wünscht, der bereits als Leiter der Lemgoer Südschule vor Jahren den Austausch mit einem Grundschul-Kollegium aus Beverley ins Leben rief.

Mehr noch kann die Beziehung mit Vandoeuvre vorweisen: Der Schüleraustausch hatte sich gut etabliert, jedes Jahr reist zudem eine Lemgoer Delegation am 11. November zum Gedenktag zum Ende des Ersten Weltkrieges an. Damit komme der Beziehung zu Vandoeuvre - in Lothringen, unweit der damaligen Grenze des Deutschen Reiches und der Schlachtfelder von Verdun gelegen - eine besondere Bedeutung zu. Mehrere Male bereits war Torsten Buncher mit Jugendlichen vor Ort, dort, wo bis 1916 in nur zehn Monaten 700.000 Menschen ihren Tod fanden und riesige Friedhöfe bis heute von der "Hölle von Verdun" zeugen.

Auszeichnung vom französischen Botschafter Für ihr Engagement im Sinne der Völkerverständigung ist die Partnerschaftsgesellschaft bereits von Frankreich und der Deutsch-Französischen Gesellschaft mit dem Prix Joseph Rovan ausgezeichnet worden.

Mit Vandoeuvre und Beverley waren in Coronazeiten nur Online-Treffen möglich. Auch die 2019 ausgearbeitete Idee, einen Austausch zwischen den Kliniken zu initiieren, konnte nicht mehr umgesetzt werden. Direkte Besuche hat es nur mit Stendal gegeben. Jährlich reist die Verwaltung für einen Tag zum Austausch an, auch Info-Touren in Lemgo, etwa im Innovation Spin, hat es gegeben.

Und wie es weitergeht? Am 12. Mai ist die Jahreshauptversammlung der Partnerschaftsgesellschaft geplant, als Hybridveranstaltung mit ehemaligen Praktikanten, um auch die Schulen zu erreichen. "Denn viele wissen gar nicht, dass auch Jobs und Praktika vor Ort möglich sind", erzählt Hendric Schwär-Fröhlich von der Abiturientin, die im Sommer zur Arbeit nach Vandoeuvre reist oder auch dem jungen Mann, der nach dem Job in Beverley gleich zum Studieren in England blieb. Im Juni wird eine französische Delegation traditionell zum Strohsemmelfest erwartet, im September kommt ein großer Chor zu Besuch. Am 1. Oktober steht der Arbeitstermin mit Stendal an und am 11. November die Gedenkveranstaltung zum Kriegsende in Frankreich.

Immer wieder gebe es auch Anfragen von anderen Städten, jüngst erst aus den USA, doch darauf wollen sich die Partner nicht einlassen. "Stärken, was da ist und bestehende Kontakte wieder reaktivieren", geben sie die Marschroute vor. Gut 100 Bürger sind in der Partnerschaftsgesellschaft engagiert, auf sie zählen die Organisatoren auch wieder im Herbst, wenn 50 Sänger aus Vandoeuvre erwartet werden. Dann sind private Unterkünfte gefragt - und das habe bislang immer bestens geklappt.

Das sind die Partnerstädte Seit 1979 besteht die Partnerschaft zu Vandoeuvre-lès-Nancy in Lothringen. Der Kontakt entstand zuvor über die Hochschulen TH OWL und IUT Brabois, noch heute gilt dies als älteste Hochschulpartnerschaft Frankreichs. Etwa 30.000 Einwohner zählt die zweitgrößte Stadt im Département Meurthe-et-Moselle in der Region Grand Est. Das historisch gewachsene überaus lebendige Vandoeuvre ist - zusammen mit Nancy - Universitätsstadt. Auch bekannte Forschungszentren sind vor Ort angesiedelt.

In der weitläufigen Landschaft der früheren Grafschaft Yorkshire liegt die Stadt Beverley mit rund 30.000 Einwohnern. Über Soldaten kamen erste Kontakte zum Kreis Lippe zustande, aus denen 1979 die Städtepartnerschaft zu Lemgo entstand. Das Stadtbild Beverleys ist geprägt von historischen Häusern und wird dominiert vom Beverley Minster und der Kirche St. Marys. Den River Humber überspannt eine der größten Brücken Europas, die Humber Brigde. Im Zuge der Neuorganisation der englischen Gebietskörperschaften im Jahre 1995 ging Beverley im Distrikt "East Riding of Yorkshire" auf.

Kurz vor Ende der DDR wurde die Partnerschaft von Lemgo und Stendal 1988 begründet. Lange hatte sich Generalsekretär Erich Honnecker zuvor den Anfragen der Lipper verweigert. Die Hansestadt Stendal zählt zu den ältesten Städten in der alten Mark Brandenburg und ist mit etwa 40.000 Einwohnern historisches Zentrum der Altmark in Sachsen-Anhalt. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes stammt aus dem Jahre 1022. Auch im Gewerbe ist Stendal gut aufgestellt, vor allem Maschinenbau, Lebensmittelindustrie und Bauunternehmen sind vor Ort vertreten. 1995 wurde die Fachhochschule Stendal gegründet.

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