"Mit Herz für Lemgo": Andreas Flöttmann fährt mit der Rikscha ins kleine Glück

Lemgo. Los geht's. Andreas Flöttmann tritt in die Pedale und Heinz Weber strahlt mit der Sonne der Ausfahrt entgegen. Eingemummelt im Daunensack sitzt er vorne in der Rikscha, während sein Fahrer aus dem Sattel steigt, um mit kräftigen Tritten die Steigung hinauf zur Straße zu nehmen.

Das Rollfiets sorgt für Furore Das Rollfiets ist unterwegs, die Rikscha für Senioren, die das Seniorenheim am Schloss im Angebot hat. Eine Kombination aus Rollstuhl und Fahrrad - ganz einfach zusammenmontiert, die es den alten Menschen ermöglicht, hinaus in die Landschaft und an die frische Luft zu kommen. Dafür aber braucht es einen, der kräftig treten kann - und der die Sicherheit hat, das lange Gefährt zu bewegen. Für Andreas Flöttmann kein Problem. Mit dem Radfahren kennt sich der 64-Jährige aus. Früher hat er gerne lange Touren unternommen, die in Lemgo etwas zum Erliegen kamen.

Im enger Radlerhose, Sport-Shirt, Leuchtweste und mit Fahrradhelm samt Rückspiegel auf dem Kopf ist er bestens für die Rikscha-Tour ausgestattet. Das Gefährt an sich ist zwar etwas sperrig, doch Andreas Flöttmann weiß es zu händeln und wenn der Senior erst einmal auf dem Sitz Platz genommen hat und festgeschnallt ist, fahre sich das Rollfiets auch sehr stabil. Mit ein wenig Elektro-Unterstützung geht es dann auf Tour. 20 Stundenkilometer hat Andreas Flöttmann neulich bei einer Geschwindigkeitsmessung abgelesen, als es in Brake bergab zur Bibelschule ging.

Probleme hat es noch nicht gegeben Durchschnittlich ist er 45 Minuten bis zu einer Stunde unterwegs, erzählt der ehemalige Konstrukteur. Meist fährt er vom Seniorenheim am Schloss Richtung Voßheide, nimmt den Abzweig an der Ostwestfalenstraße Richtung Brake, fährt gen Bibel-Schule, um das letzte Stück über den Wall zu rollen. Etwa 15 Kilometer ist er dann unterwegs, manchmal etwas länger, wenn er Richtung Lieme fährt. Das Seniorenmobil fällt auf, immer wieder winken ihnen die Passaten zu - und es sind nicht nur die Senioren, die die Fahrt genießen.

Damals, vor gut drei Jahren, erinnert sich der gebürtige Detmolder ist er über die Sozialen Medien auf das Rollfiets aufmerksam geworden, als die Senioreneinrichtung ehrenamtliche Fahrer suchte (und noch immer weitere sucht). Andreas Flöttmann wurde aufmerksam, schließlich wollte er schon längst wieder öfter auf dem Zweirad sitzen. Einen Kompagnon für Touren hatte er in Lemgo allerdings noch nicht gefunden, warum also nicht das Angenehme mit der guten Tat, dem Ehrenamt, verbinden? "Da haben beide Seiten etwas davon", ist Andreas Flöttmann überzeugt. Er kann radfahren und macht damit noch einen älteren Menschen glücklich.

Denn die genießen die Tour, lieben die Aussichten auf meist altbekannte Straßen und Häuser, die ihnen das ungewöhnliche Gefährt ermöglicht. "Oft erzählen sie mir, wo sie gewohnt haben, was sie mit einzelnen Häusern verbindet", berichtet Andreas Flöttmann von seinen wöchentlichen Erlebnissen. Neulich erst hätte er einen Senior dann ganz spontan noch zur Werkstatt des Sohnes kutschiert. "Es tut einfach gut, zu sehen, wie ich mit ein wenig Einsatz, den alten Menschen so viel geben kann", freut sich Flöttmann jedes Mal über die große Dankbarkeit der Senioren.

Senioren sehen, was sich alles verändert hat Probleme habe es bislang noch nicht gegeben, auch wenn manche der älteren Menschen durchaus schon ein wenig tüddelig sind. "Und wenn es doch mal schwierig werden sollte, dann habe ich ja das Handy." Über den Ehrenamtsvertrag mit der Senioreneinrichtung sei er überdies auch versichert.

Nach anfänglichem Respekt waren bislang alle seine "Kunden" mehr als zufrieden und mittlerweile ist die Warteliste lang. Heute sitzt schon der 92-jährige Heinz Weber bereit. Er ist auf dem Rollstuhl angewiesen, kommt nur noch selten weiter hinaus. Um so mehr weiß er den Ausflug an der frischen Luft zu schätzen. Auch wenn es ihn am Anfang etwas Mut gekostet habe, "schließlich fährt man ja quasi vorneweg, ohne Bügel", deutet er auf den offenen Sitz. Seit 60 Jahren lebt der gebürtige Schweizer in Lemgo und genießt bei es der Fahrt vor allem, die Veränderungen in seiner Wahlheimat wahrzunehmen.

Und Andreas Flöttmann? Auch der mag die Fahrten nicht mehr missen, die Freude seiner Mitfahrer, aber auch das gute Gefühl, sportlich etwas geleistet zu haben. Denn nach einer Stunde Fahrt mit dem Rollfiets, "da spüre ich schon meine Muskeln".

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