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Lemgoer Studenten gehen mit eigenem Rennauto in Hockenheim an den Start

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Professor Dr. Andreas Paa (links), Experte für Antriebstechnik aus dem Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, betreut das OWL-Racing-Team. Die Studenten, im Bild ein Teil der Projektgruppe, entwickeln bereits das neue E-Rennauto für die kommende Saison. - © TH OWL
Professor Dr. Andreas Paa (links), Experte für Antriebstechnik aus dem Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, betreut das OWL-Racing-Team. Die Studenten, im Bild ein Teil der Projektgruppe, entwickeln bereits das neue E-Rennauto für die kommende Saison. (© TH OWL)

Kreis Lippe. Der Rennwagen rauscht über die Ziellinie. Scharf biegt er ab und kommt mit quietschenden Reifen in der Werkstattecke zum Stehen. Die ohnehin schon hektische Betriebsamkeit steigert sich ins schier Unermessliche. Die Diagnose ergibt, die Elektronik des leichtgewichtigen Elektroboliden ist unauffällig. Alle Systeme arbeiten innerhalb ihrer Parameter. Aber gibt es ein mechanisches Problem? Auch diejenigen Teammitglieder, die sich gerade noch völlig übermüdet von den Strapazen des Renneinsatzes auf dem harten Boden in einer Ecke zusammengerollt hatten, sind plötzlich hellwach. Alle wissen: Erfolg ist eine Gemeinschaftsleistung.

So oder so ähnlich gehe es bisweilen zu, wenn das OWL Racing-Team der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) mit seinem selbst konstruierten und selbst gebauten Wettbewerbsfahrzeug an einem Lauf der "Formula Student" teilnimmt, einer internationalen Rennserie mit Teams von Hochschulen und Universitäten aus aller Welt. Ein Nachbericht der TH OWL gibt Einblicke.

Der erste Wettbewerb wurde 1979 von der Society of Automotive Engineers (SAE) in den USA abgehalten und habe sich inzwischen zum weltweit größten Ingenieurswettbewerb weiterentwickelt. "Höhepunkt der nun zu Ende gegangenen Saison war das Rennen auf dem Hockenheimring im August mit knapp 200 Hochschulmannschaften, viele davon aus Übersee, darunter einige Hochkaräter", heißt es.

Rennteam ist eine kleine Firma

Zurück in Lemgo: Der Trubel hat sich beim OWL-Racing-Team inzwischen ein wenig gelegt. Das Fahrzeug der Rennsaison 2022/2023, intern "OWL 2.3" genannt, eine Evolutionsstufe des 2022er Modells, bekommt eine Pause. Dennoch werde in der Werkstatt im Erdgeschoss des Innovation Spin auf dem Innovation Campus in Lemgo kräftig getüftelt, geschraubt, konstruiert und weiterentwickelt. Version "2.4" soll Mitte kommenden Jahres fertig sein.

Das Rad müssten die fünf Studentinnen und 15 Studenten aus vielen Fachbereichen der TH OWL zwar nicht neu erfinden, doch das Konzept und die Entwicklungsarbeit müssten bis Weihnachten stehen. Die Kosten dürften aber trotz Teileknappheit und Inflation nicht aus dem Ruder laufen. "Das Rennteam ist wie eine kleine Firma, die wirtschaftlich arbeiten und sauber Buch führen muss. Das erwarten auch die Sponsoren, die ideell, finanziell oder mit Material unterstützen", heißt es weiter.

Bei den Wettbewerben der Formula Student gehe es nämlich nicht nur darum, möglichst schnell vom Start zum Ziel zu gelangen. Unter die Lupe genommen werde alles: Die Dokumentation, die Wirtschaftlichkeit, das Design - um nur einige Kriterien zu nenen. "Viele Teams scheitern vor den Rennläufen bereits am Technik-Check", berichtet Paul Hausmann, der Wirtschaftspsychologie studiert und das OWL-Racing-Team managt.

Eigens entwickelte Batterie

Alle Fahrzeuge unterlägen einem Reglement, so ist beispielsweise die Motorleistung auf 80 Kilowatt (rund 109 PS) begrenzt. Daraus resultiere für so einen rund 230 Kilogramm leichten Flitzer ein beachtliches Leistungsgewicht. Und da das Auto des Lemgoer Teams rein elektrisch unterwegs sei, brauche es einen potenten Energiespeicher, der hohe Ströme schnell abgeben könne. Der 60 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Pack sei möglichst weit unten, möglichst mittig hinter dem Sitz untergebracht. Die Systemspannung liege bei 600 Volt, die Kapazität bei 6,4 Kilowattstunden. "Das ist kein Spielzeug", betont Professor Dr. Andreas Paa, Experte für Antriebstechnik aus dem Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik, der das Projektteam hochschulseitig betreut.

"Die Einzelzellen ähneln, wie bei kommerziellen Elektroautos auch, Laptop-Akkus. Die Traktionsbatterie haben wir selbst entwickelt. Die 144 Zellen werden von unserem eigenen Batteriemanagementsystem jeweils separat überwacht", erläutert Till Söffgen, der Elektrotechnik studiert. "Und da so eine Traktionsbatterie teuer ist, muss sie mehrere Saisons halten."

Studenten, die beim OWL-Racing-Team mitwirken und ihr Know-how einbringen wollen, seien herzlich willkommen. Die Truppe sei bunt. Spezifisches Fachwissen sei nicht erforderlich, schade jedoch nicht. "Was man können muss, lernt man hier von den anderen", erklärt Anessa Omeragic, zuständig für Finanzen und Sponsoring. Die Studentin der Kosmetika- und Waschmitteltechnologie ergänzt: "Was man mitbringen muss, ist Leidenschaft und die Bereitschaft, hier einen Teil seiner Freizeit zu verbringen."

Paul Hausmann fügt hinzu: "Bedingt durch das Studium werden die Teammitglieder kontinuierlich durchgetauscht, daher ist der Wissenstransfer so wichtig. Eine Generation gibt ihr Wissen an die nächste weiter. Aber viele Ehemalige halten Kontakt, kommen vorbei und unterstützen uns. Bis man hier so richtig im Thema ist, braucht man schon etwa ein Jahr."

Dass die Werkstatt im April aus einer alten zugigen Halle in das moderne Innovation-Spin-Gebäude an der Ecke Bunsenstraße/ Campusallee umziehen konnte, sei für das gesamte Rennteam ein Gewinn. "Nun können wir unabhängig von der Witterung unsere Carbonteile für das Chassis verarbeiten, das war vorher nicht möglich, manchmal war es einfach zu kalt", werden Paul Hausmann und Anessa Omeragic zitiert.

Es ist beeindruckend zu sehen, was das 20-köpfige Team gemeinsam geleistet hat, so Professorin Dr. Uta Pottgiesser, Vizepräsidentin für Kultur, Kommunikation und Internationales. An der Veranstaltung in Hockenheim seien Teams renommierter Universitäten und Hochschulen aus der ganzen Welt vertreten gewesen. "So ein Event sei auch eine riesige Recruiting-Börse der Auto- und Zuliefererindustrie", sagt Andreas Paa. Wer sich in einem Racing-Team engagiere und seine Freizeit opfere, zeige damit seine Leidenschaft für das Thema. "Solche Leute wollen und suchen die Unternehmen händeringend."

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