Zweimal abgewiesen: Notfallpatientin (88) erlebt Odyssee in Lemgo

Lemgo/Detmold. Weil eine 88-Jährige nach einem Sturz vor der eigenen Haustür in der Notfallambulanz im Klinikum Lemgo nicht erstversorgt worden ist und anschließend sogar im benachbarten Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) abgewiesen wurde, musste sie mit einem Rettungswagen ins Klinikum Detmold eingeliefert werden. Die Notfallpatientin beschwerte sich beim Klinikum Lippe. Der zuständige Leitende Notarzt und Chefarzt Daniel Fischer sieht keinerlei Versäumnisse.

Wolfgang Kehl ist immer noch verärgert, wenn er an den 7. November denkt. Es war ein Dienstag, später Vormittag, als seine Nachbarin ihn anrief: Sie hatte Blätter gefegt, dann war ihr beim Hochkommen schwindelig geworden, sie stürzte – ausgerechnet aufs Gesicht. Die Brille war kaputt, die Seniorin erlitt durch den ungebremsten Aufprall Prellungen und eine Platzwunde im Gesicht, sie hatte starke Schmerzen am Arm. Kehl wollte natürlich helfen, er fuhr die Frau ins nah gelegene Klinikum Lemgo: &bdquo;Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es dort seit einiger Zeit keine unfallchirurgische Abteilung mehr gibt“, gesteht er.

An sich auch kein Problem. Denn das Klinikum Lippe hatte nach dem Abzug des Unfallchirurgen aus der Lemgoer Notfallambulanz im August mehrfach gegenüber der LZ mitgeteilt, dass Notfallpatienten dennoch vor Ort erstversorgt und an die unfallchirurgische Praxis im MVZ zur ambulanten Behandlung weitergeleitet würden. Doch Wolfgang Kehl und seine schwer verletzte Nachbarin erlebten es anders.

Arzt hat keine Zeit An der Anmeldung in der Notaufnahme des Klinikums Lemgo seien die Wunden der Patientin nicht versorgt worden, sondern sie sei lediglich in die Praxis von Volker Broy geschickt worden. Die befindet sich im benachbarten Medicum. Kehl erinnert sich: &bdquo;Die Mitarbeiterin in der Praxis hat noch gesagt, das sehe ja schlimm aus. Aber dennoch wurden wir dort ebenfalls abgewiesen - und zwar mit der Begründung, der Doktor sei im Gespräch und würde anschließend keine Patienten mehr behandeln. Wir sollten zur Notfallambulanz nach Detmold fahren.“

Der Lemgoer kann nicht glauben, dass die hoch betagte Dame, die über starke Schmerzen klagt und eine Platzwunde am Kopf hat, nirgends versorgt wird. Es ist ein normaler Dienstagvormittag, kurz vor 11 Uhr. Er kehrt mit seiner Nachbarin zur Notfallambulanz des Klinikums zurück. Hier hat inzwischen die Mitarbeiterin an der Anmeldung gewechselt. &bdquo;Ich habe darum gebeten, einen Rettungswagen zu rufen. Aber ich bekam nur zur Antwort, dafür sei man nicht zuständig, wir könnten ja ein Taxi rufen.“

Mit dem Rettungswagen in die Klinik Kehl und die Patientin fahren wieder nach Hause und rufen von dort die 112 an. Der Mitarbeiter an der Leitstelle habe einige Fragen gestellt und dann sofort einen Rettungswagen geschickt, sagt er. Die Notfallsanitäter nehmen die Patientin ohne Diskussion mit. In der Ambulanz in Detmold wird sie schließlich Stunden später versorgt und ihr Arm wird geröntgt – sie hat eine Fraktur. Am frühen Abend kehrt sie nach Hause zurück.

&bdquo;Ich finde es unhaltbar, wie mit einer Notfallpatientin hier umgegangen wird“, ärgert sich Kehl und wendet sich an die LZ. Seine Nachbarin hat ein Beschwerdeformular im Klinikum Lippe auf den Weg gebracht. Kehl selbst möchte sich zudem bei der unfallchirurgischen Praxis beschweren und bittet um einen Rückruf des Arztes – was bis heute nicht passiert sei.

Volker Broy schreibt auf Nachfrage der LZ, dass er von dem Vorfall gar nichts mitbekommen habe, und bittet darum, sich an das MVZ Lippe, eine Tochtergesellschaft des Klinikums Lippe, zu wenden.

&bdquo;Keine Pflichtverletzung“ Und was sagt die Klinik zu den Vorwürfen? Die Patientin sei offensichtlich nicht akut gefährdet und somit in der ambulanten Struktur zu versorgen gewesen, schreibt Pressesprecher Christian Ritterbach im Auftrag des zuständigen Chefarztes Daniel Fischer. Warum die Frau dann aber nicht im MVZ versorgt worden ist, teilt das Klinikum nicht mit. &bdquo;Eine Pflichtverletzung oder Fehler liegen hier seitens des Klinikums Lippe oder des MVZ Lemgo nicht vor“, betont Fischer stattdessen.

Er schiebt den schwarzen Peter dem Nachbarn der Patientin, Wolfgang Kehl, zu: &bdquo;Da die Patientin offensichtlich nicht so schwer verletzt war, dass ein Rettungswagen indiziert war, bestand laut übereinstimmenden Aussagen das Transportproblem in der Unwilligkeit der männlichen Begleitperson“, wird der Chefarzt und ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes zitiert.

Die schlussendlich gerufene Besatzung des Rettungswagens habe das laut Kehl differenzierter gesehen: &bdquo;Sie haben gesagt, es sei richtig gewesen, den Rettungswagen zu rufen – und sie haben meine Nachbarin ja auch mitgenommen.“

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