Kritik an Gestaltungsvorgaben: Einige Lemgoer Gastronomen wünschen sich mehr Feingefühl

Lemgo. Sollte die Gestaltungsrichtlinie der Stadt überarbeitet werden? Diese Frage hat Gastronom Alexander Rembold aufgeworfen. Er schloss sein Restaurant &bdquo;Mahalo“ nach nur vier Monaten. Unter anderem gab er als Begründung an, dass er sich durch die Satzungen nicht so präsentieren durfte, wie er das gerne hätte. Er fühlte sich eingeschränkt. Geht das den anderen Gastronomen in Lemgos Fußgängerzone auch so? Die LZ hat sich umgehört.

Zum Hintergrund: Die Richtlinie stammt von 2008 und gilt für den historischen Stadtkern. Darin geregelt ist unter anderem die Außenmöblierung. Diese muss so aufgestellt sein, dass noch eine Mindestbreite von fünf Metern gegeben ist, und sie muss bei jedem Betrieb einheitlich sein. Es dürfen keine &bdquo;Monoblock-Kunststoffmöbel, wie sie in Baumärkten erhältlich sind“, genutzt werden.

Nur einfarbige Stoffe ohne Werbeaufdruck sind bei Sonnenschirmen erlaubt. Der eigene Firmenname darf darauf stehen. Markisen und Vordächer dürfen laut Gestaltungssatzung für Gebäude nur im Schaufensterbereich angebracht werden und &bdquo;Gliederungselemente der Fassade“ nicht überschreiten.

Jeder Betrieb kann darüber hinaus einen mobilen Werbeträger und maximal zwei &bdquo;Begrünungselemente“ aufstellen. Bodenbeläge wie Teppiche oder Podeste sind nicht erlaubt. Auch für Warenauslagen gibt es einzuhaltende Maße, die aber je nach Geschäftsart unterschiedlich sind.

The Coffee Corner Anfang des Jahres ist Julian Linke mit &bdquo;The Coffee Corner“ unter die Gastronomen gegangen. Fühlte er sich durch die Satzungen eingeschränkt? &bdquo;Nein, das hat mich nicht eingeschränkt. Etwas Ordnung muss ja auch sein und ein bisschen Spielraum gibt es schon“, meint der Lemgoer. Er habe Verständnis dafür, dass Fremdwerbung auf Schirmen und Markisen vor den historischen Häusern als &bdquo;störend“ empfunden werden könnte. &bdquo;Aber klar, das ist auch ein Kostenfaktor für die Inhaber.“

Für die Bewirtung draußen setzt Linke auf hochwertige Kunststoffstühle, weil sie leichter zu tragen sind. Einfache Baumarkt-Plastikstühle würden seiner Meinung nach nicht zum Stil der Innenstadt passen. Er fände es gut, wenn die Richtlinie für Werbe-Fähnchen gelockert würde. &bdquo;Aber ich finde, man kann immer mit der Stadt sprechen und dann gemeinsam schauen, was möglich ist.“

Friese 22 Claudia Drachenberg-Drauschke und Frank Drachenberg haben im April vergangenen Jahres die ehemalige &bdquo;Friesten-Stube“ übernommen. Beide bringen Erfahrung mit. Frank Drachenberg hat in seiner Heimat an der Ostsee Musikevents organisiert. &bdquo;Dort ist es gang und gäbe, dass Firmen und Brauereien sich präsentieren können, zum Beispiel gibt es in Lübeck Sonnenschirme von Coca Cola, selbst von Erdinger. Beim Abteigartenfest gibt es ja auch Sponsoren. Warum sollen wir Gastronomen das nicht auch dürfen? “, fragt er.

Schirme seien &bdquo;richtig teuer“. &bdquo;Ich musste mir hier auch Schirme kaufen und hätte lieber gesponserte genommen.“ Im Außenbereich sei die Kneipe &bdquo;Friese 22“ wegen der Stadtbusse eingeschränkt. Mehr als ein Aufsteller sei daher nicht drin. Die Bestuhlung habe das Paar von Vorgänger Karl-August Pufe, will sie im kommenden Jahr aber austauschen. Frank Drachenberg sagt: &bdquo;Ich kann mich nur an die Regeln halten. Aber es gibt einige Auflagen, die ich nicht verstehe. Man muss den Ladeninhabern auch entgegenkommen, sonst haben wir bald eine tote Stadt.“

Eiscafé Venezia Inhaber Rosario Amico meint, es braucht Regeln: &bdquo;Es wäre viel schlimmer, wenn jeder tut, was er will. Wenn beispielsweise jeder Werbeschirme hätte, sehe das aus wie eine Karnevalsveranstaltung.“ Lockerer könnte es aus seiner Sicht aber in Bezug auf die Werbeschilder sein. &bdquo;Aber mit der Stadt kann man über alles reden. Die sind immer nett“, sagt er.

Pizzeria Pinocchio Seit mehr als 40 Jahren sind Toni Calabro und Alfredo González in der Stadt. Sie finden es traurig, wie viel Leerstand es momentan gibt. Der negative Trend werde nur durch inhabergeführte Geschäfte und Restaurants aufzuhalten sein, sagen sie. Alfredo González meint: &bdquo;Die Satzung ist ziemlich veraltet und sollte gelockert werden. Es macht keinen Spaß, wenn man für alles eine Genehmigung braucht.“ Viele Gäste würden gerne draußen sitzen. Weil das Schirmeraus- und reintragen auf Dauer schwer sei, hätten die beiden gerne eine durchgehende Markise. Aber bei dieser müsste der Eingang laut Satzung frei bleiben. Das komme für sie nicht infrage.

Während Corona hatte die Pizzeria Seitenplanen. &bdquo;Das ist jetzt wieder verboten. Wir hätten aber gerne eine Seitenschutz, weil die Gäste dann länger draußen sitzen können“, erklärt Toni Calabro. Mit Schutz könnten sie ab Februar, ohne erst ab Mai die Bestuhlung hinausstellen. Die Blumenkästen, die die Stadt im Mai aufgestellt hat, seien eine gute Sache. Alfredo González hätte es aber besser gefunden, das vorher mit den Inhabern abzusprechen. &bdquo;Ich wünsche mir einfach, dass da mehr Feingefühl entwickelt wird.“

Bäckerei Meffert

Jörg Meffert , der die Bäckerei mit seinem Bruder Alfred Meffert führt, meint: &bdquo;Richtlinien schränken einen immer ein. Ich empfinde das aber nicht als Problem, denn ich kann den Grund verstehen. Wir wollen schließlich ein harmonisches Stadtbild haben. Bunt und Neonfarben brauchen wir dazu in Lemgo nicht.“ Klar würden einem die Vorgaben nicht immer gefallen. &bdquo;Ich hab mich aber damit abgefunden.“ Die Außenbestuhlung spiele für die kleine Filiale am Marktplatz ohnehin keine große Rolle, so Jörg Meffert.

Café Ankaplatz Ann-Kathrin Eggers betreibt seit Februar 2023 ihr Café. Sie findet: &bdquo;Die Möbelvorgaben sind ok, wer weiß, wie es hier sonst aussehen würde. Es ist in Ordnung, wenn die Stadt auf so etwas achtet. Denn es soll ja hier schön bleiben. Allerdings fehlen ein paar grüne Bäume.“ Die Pflanzkübel treffen nicht ihren Geschmack. &bdquo;Das ist grundsätzlich eine gute Idee, aber es sieht aus wie Unkraut und die Blumen werden zu wenig gegossen.“ Und: Wenn die Stadt vorschreibe, dass keine Sponsoren auf den Schirmen und Markisen sein dürfen, dann sollte sie sich aus ihrer Sicht an den Kosten beteiligen.

Fruchthandel Gerhard Henrich ist schon seit mehr als 40 Jahren im Lebensmittelladen in der Mittelstraße. Den Laden gibt es schon länger. Er hat ihn von seinem Vater übernommen. Er sagt: &bdquo;Ich habe gelernt, mit den Richtlinien zu leben und komme gut damit klar. Denn entweder haben wir einen historischen Stadtkern oder nicht. Die Stadt tut ihr Möglichstes, um diesen zu bewahren, aber es ist schwierig, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu kriegen.“

Mit seiner Warenauslagefläche komme er gut zurecht. Er findet allerdings, dass in der Fußgängerzone gemütliche Sitzecken fehlen. &bdquo;Und diese Unkraut-Kästen sind optisch keine Glanzleistung.“

Eiscafé Cavallino Für Erika und Roberto Puppis neigt sich schon der 31. Sommer mit ihrem Eiscafé dem Ende entgegen. Ganz zu Anfang habe es Diskussionen wegen der damaligen dunkelblauen Plastikstühle gegeben, erinnert sich Erika Puppis. &bdquo;Das war schon streng, aber klar, man muss eine Linie haben. Ich finde es aber nicht gut, dass keine Sponsoren auf den Schirmen sein dürfen. Wenn wir neu wären, wäre ich darüber sehr verwundert. Die Stadt könnte ein bisschen lockerer sein.“

Was Erika Puppis aber gut findet, ist die neue Beleuchtung, die im Zuge der Umgestaltung Einzug hielt. &bdquo;Generell finde ich, dass die Mittelstraße nun viel breiter wirkt. Nur die Bäume fehlen. Das passt eigentlich nicht zum Klimakonzept“, meint sie. Die großen Blumenkästen seien gut, &bdquo;bräuchten aber mal eine Runderneuerung“. &bdquo;Wenn das Grün vom Schützenfest weg ist, merkt man erst, wie schön das war“, findet sie.

Lippe Lounge Viel Wert auf frische Blumen legt Familie Betaj in der &bdquo;Lippe Lounge“. Für die Blumenkästen am Geländer gab es schon Ärger, erzählt Inhaber Petrit Betaj. Denn eigentlich sind ja nur zwei &bdquo;Begrünungselemente“ erlaubt. &bdquo;Ich finde aber, Pflanzen fehlen in der Stadt und Wasserelemente.“ Außerdem dürfe er keine Musik im Freien spielen. &bdquo;Ich hätte gerne leichte Musik für die Atmosphäre“, sagt Betaj, der das Restaurant seit 2010 führt. Gesponserte Sonnenschirme wären aus seiner Sicht eine Hilfe für neue Gastronomen.

Darüber hinaus verstehe er nicht, warum zu den Festen wie Kläschen oder am 1. Mai plötzlich alles erlaubt sei. &bdquo;Die stehen dann vor meiner Tür und die Kunden sehen mein Restaurant gar nicht mehr“, ärgert sich der Inhaber.

Bei allem Verbesserungspotenzial sagt er aber auch: &bdquo;Ich bin sehr zufrieden mit Lemgo. Wenn es mal nicht läuft, darf man nicht der Stadt die Schuld geben. Wir Lemgoer sollten zusammenhalten, damit die Innenstadt überlebt.“

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