Lemgo. Musik in der Kirche: Das ist Gottesdienst, Kunstgenuss, Besinnung, Gemeinschaft - oder alles zugleich. So ist es am Samstagnachmittag beim Adventskonzert der Marienkantorei Lemgo unter der Leitung von Volker Jänig gewesen. Zu Beginn erklang von der Westempore der 100. Psalm in der Komposition von Benjamin Britten mit machtvollem Jubel, der die Kirche füllte: „O be joyful in the Lord, all ye lands“ (zu Deutsch: Jauchzet dem Herrn, alle Welt). Dann spielte Julian Weller die Fuge über „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ von Johann Sebastian Bach. Und während er anschließend die Gemeinde auf der Orgel mit dem Adventschoral „Macht hoch die Tür“ begleitete, kamen Kantorei und Jugendchor, mit den Menschen in der vollen Kirche singend, gemessenen Schrittes durch das Mittelschiff gezogen. Sauberer A-cappella-Klang Kantorei und Jugendchor intonierten dann das alte Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ in modernem Satz von Peter Münden. Wohl dem Chor, der auf solche jungen Menschen bauen kann. Hier zeigen sich die Früchte jahrelanger geduldiger Arbeit in der Mariengemeinde: Die Singschule, der Kinderchor, ist eine unschätzbar wertvolle Nachwuchsquelle für den Chorgesang ambitionierter Laien. Die Kantorei ist altersmäßig gut durchmischt. Ihr sauberer A-cappella-Klang ist das Ergebnis disziplinierter Probenarbeit. Wieder ein alter Adventschoral, „O komm, o komm, du Morgenstern“, in modernem Satz von Fredo Jung: Die drei Strophen schrauben sich in Modulationen in höchste Höhe. „Freut euch, der Herr ist nah“ - das klang am Ende dank der jungen Stimmen so, dass die Freude wohl jeden Zuhörenden ansteckte. Verschiedene Sprachen Johannes Brahms Chorsatz „Schaffe in mir, Gott, ein rein Herz“ nach Psalm 51 enthält eine Fuge, die die inbrünstige Bitte „Verwirf mich nicht “ eindringlich zum Ausdruck bringt. Auch hier mündet das Ganze in Glaubenszuversicht und strahlende Freude: „ und der freudige Geist erhalte mich“. Die Kantorei gestaltete all das mit großer Überzeugungskraft. Der Gesang der Engel, die den Hirten erscheinen, erklang im Satz von Fredo Jung viersprachig: im französischen Original, „Les anges dans nos campagnes“, auf Deutsch, Englisch und im lateinischen Refrain: „Gloria in excelsis Deo“. Die weiten Melodiebögen sangen beide Chöre mitreißend, voller Spannung. Julian Weller ließ die klanglichen Möglichkeiten der modernen Orgel glänzen. Bachs Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“ spielte er ruhig, meditativ, tiefe Zuversicht ausstrahlend. Etwas von der früheren adventlichen Ruhe schien dabei auf: Die Wochen vor Weihnachten waren eine stille Zeit. Abschließend waren, von der Orgel unterstützt, die Glocken des Paradieses zu hören: in dem gefühlvollen Chor „All Bells in Paradise“ von John Rutter. Das Publikum in der Marienkirche ist singfreudig und geübt. Wenn die Gemeinde mitsang, etwa in „Die Nacht ist vorgedrungen“ oder „Tochter Zion“, wandte sich Kantor Volker Jänig ihr zu, den Chor im Rücken. Er brachte damit auch sichtbar zum Ausdruck, dass in diesem Moment in der Kirche eine feiernde und musikalisch Gott lobende Gemeinschaft entsteht.