Passionskonzert in St. Marien in Lemgo bringt Osterfreude am Karfreitag

Lemgo. &bdquo;Jesu, meine Freude“ am Karfreitag? Passt das zum Leiden Christi und zum qualvollen Tod am Kreuz? Dass die Motette von Johann Sebastian Bach dem Gedenken an die Passion sogar eine unverhoffte Tiefe verleihen kann, hat die Marienkantorei unter der Leitung von Volker Jänig gezeigt.

Das Werk stand im Mittelpunkt des Passionskonzerts in der Marienkirche. Bach hat hier einen abstrakten theologischen Text aus dem Neuen Testament vertont, der sich für Menschen des 21. Jahrhunderts nicht leicht erschließt. Die Musik aber ist so, dass der Gegensatz zwischen vergänglichem &bdquo;Fleisch“ und unsterblichem &bdquo;Geist“ höchst konkret wird: &bdquo;Der Geist aber ist das Leben“. Und so klang es auch. Die 35 Sängerinnen akzentuierten pointiert, zeigten auch in höchster Höhe selbst in leisen Stellen größte Sicherheit, sangen mitreißend, besonders die vorwärtsdrängende Fuge: &bdquo;Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich“ und sorgten durch vorbildliche Aussprache dafür, dass der Text klar verständlich war. Der Choral aus dem 17. Jahrhundert spricht nicht mehr unsere Sprache (&bdquo; dir sei ganz, du Lasterleben, gute Nacht gegeben“), doch die Musik Bachs, gesungen von der Kantorei, gab der barocken Poesie in der Marienkirche Glanz und Frische. So wurde an diesem Karfreitag etwas von der Osterfreude spürbar.

Vielstimmige Klänge Volker Jänig hat mit diesem A-cappella-Chor einen altersmäßig optimal &bdquo;durchmischten“ Klangkörper, der ihm bis in feinste Nuancen folgt. Das zeigte sich auch in dem &bdquo;Kyrie“ aus der – früher Orlando di Lasso zugeschriebenen – doppelchörigen Messe des in Lemgo geborenen Arnold Grothusius (1560-1626). Die reinen und edlen, schwebenden vielstimmigen Klänge füllten den gotischen Raum mit Musik aus jener Zeit, als man die Schönheit der menschlichen Stimme für die Polyphonie entdeckt hatte. Dieser Zeit entstammt auch der Sanctus-Kanon a 5 des französisch-flämischen Meisters Jacobus Clemens non Papa (1510-1555), der mit einer sanft absteigenden Melodielinie beginnt und sich zu glockenähnlich schwingenden Klängen entwickelt.

Zwischendurch spielte Luis Engelhardt, der auch im Chor mitsang, auf der Schwalbennest-Orgel die Choralbearbeitung &bdquo;Wenn wir in höchsten Nöten sein“ aus Bachs Orgelbüchlein: ruhig und sanft, brachte er dabei einige der vielfältigen Klangfarben des Renaissance-Instruments passend zur Geltung. Ebenso in der für heutige Ohren fast spröde klingenden Passacaglia von Johann Caspar Kerll (1627-1693).

Im wirkungsvollen Kontrast zur alten Musik stimmte Hugo Distlers (1908-1942) Motette &bdquo;Das ist je gewisslich wahr“ schwebend-meditativ auf die Passionsgeschichte ein, ebenso die Motette &bdquo;Tenebrae factae sunt“ (Finsternis kam über das Land) von Francis Poulenc (1899-1963), die das dramatische und grauenhafte Geschehen am Kreuz mit fast greifbarer Spannung, wuchtigem Gegensatz von laut und leise und chromatischen Abwärtsbewegungen nahebringt.

Zum Abschluss die Auferstehungshoffnung: &bdquo;Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ von Johann Bach (1604-1673), einem Großonkel von Johann Sebastian. Nach einer angemessenen Besinnungspause kam der Beifall in der vollen Kirche zögerlich, doch dann umso stärker und nachhaltiger.

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