Zwei Engel rufen zum Ausklang der Lemgoer Sommerkonzerte

Lemgo. Der Kirchraum war vom Klang einer anderen Welt erfüllt. Die Sopranistinnen Carolin Franke und Anne Richter-Mânza haben mit Kantor Volker Jänig an der Schwalbennest- und Truhenorgel den glanzvollen Schlusspunkt der Lemgoer Sommerkonzerte gesetzt. Etwa 80 Gäste erlebten in St. Marien eine Reise durch 800 Jahre Musikgeschichte – von der archaischen Mehrstimmigkeit des Mittelalters bis zum Gebet des 20. Jahrhunderts.

Der dreistimmige Bittgesang &bdquo;Deus in adjutorium“ aus dem 13. Jahrhundert eröffnete den Abend mit flirrenden Quinten, die sich in den Stimmen der beiden Sängerinnen zur asketischen Klangschönheit verbanden. Dazu harmonierte das Orgelstück &bdquo;Estampie“ von 1325 mit rauer Energie. Spätestens bei Perotinus’ &bdquo;Alleluia für Himmelfahrt“ entfaltete sich die ganze Strahlkraft des Gesangsduos, das über den langen Atem der Orgelklänge zu einer geradezu meditativen Wirkung fand.

Hymnen der Renaissance Die Leipziger Sopranistin Carolin Franke verfügt über eine Stimme, die sich gleichermaßen strahlend wie innig entfaltet. Mit Werken von Praetorius, Brumel und Donati erklangen Renaissancehymnen, die durch die wechselnde Aufstellung der Sängerinnen mal von der Empore, mal aus dem Altarraum heraus eine fast räumliche Dramaturgie entwickelten.

Anne Richter-Mânza, die neben ihrem Sopran auch als Blockflötistin geschätzt wird, ergänzte ihre Partnerin mit warmem, flexiblen Klang und großer stilistischer Sicherheit. Ihr Weg führte sie von der Weimarer Musikhochschule über die Alte-Musik-Akademie in Bremen zu einer europaweiten Konzerttätigkeit. Ihr versierter Umgang mit der Tradition war besonders in den zarten Linien des Hymnus &bdquo;O gloriosa Domina“ spürbar, die sie mit inniger Ruhe gestaltete.

Umrahmt von zwei Orgelchorälen von Samuel Scheidt (1587-1654), die das Publikum mit dem Schnarrwerk Regal der Truhenorgel in die Klangwelt der Renaissance versetzten, erklang das Tauflied &bdquo;Christ unser Herr zum Jordan kam“ aus der Feder von Johann Hermann Schein (1586-1630), das einen Text von Martin Luther vertont, der die Bedeutung der Taufe erklärt. Nahtlos fügte sich die Vertonung eines Gebets von Hugo Distler (1809-1942) an, das Carolin Franke solistisch einleitete.

Weicher Klangteppich Höhepunkte setzten die Künstler mit dem titelgebenden &bdquo;Duo Seraphim clamabant“, das sich in kunstvollen Episoden vom Zwiegespräch zur Dreistimmigkeit steigerte, als Jänig in den Gesang eintrat. Auch Bachs Bearbeitung des Chorals &bdquo;Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ entfaltete an der Schwalbennestorgel große Klangfarbenpracht. Bei der Fassung des gleichen Chorals von Schein für Orgel und zwei Sopranstimmen schuf die Orgel einen weichen Klangteppich, über dem die Sängerinnen in schönster Balance schwebten.

Zum Ausklang schenkte Monteverdis &bdquo;Cantate Domino“ noch einmal Glanzlichter, bevor eine hell strahlende Toccata von Giordano aus dem 17. Jahrhundert an der Schwalbennestorgel das Publikum in festlicher Stimmung entließ.

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