Ein Ritter gibt in Lemgo Rätsel auf

Lemgo. Es ist ein imposanter Anblick: der stolze Ritter auf dem Ross, beide im glänzendem Harnisch und das lebensgroß. Im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake gilt der stählerne Recke als ein Publikumsmagnet und sorgt bei den Besuchern für staunende Augen. Und zum Staunen hat der Ritter auch die Museumsexperten gebracht.

Schon lange war man im Museum auf der Suche nach einer Rüstung, als man auf die Ausschreibung eines Auktionshauses stieß. Rüstungen und Rüstungsteile sollten versteigert werden, unter ihnen auch ein &bdquo;seltener höfischer Rossharnisch“ samt hölzernem Pferd und Reiterharnisch. Das ganze aus dem 16. Jahrhundert.

Konnte Glück kaum fassen Ein Glücksfall, wie man im Museum frohlockte. Denn sowohl Ross- als auch Reiterharnisch waren aufwendig gestaltet, dazu noch als Träger das lebensgroße Pferdemodell - kaum wagte man sein Glück zu fassen, als der Zuschlag für das stolze Ensemble an die Lemgoer ging. Denn der Krieg im 16. Jahrhundert ist ein zentrales Thema für das Weserrenaissance-Museum, schließlich trug das &bdquo;Kriegsgeschäft“ entscheidend zum damaligen Reichtum der Region bei, wie auch Eckhard Deichsel in seinem Text &bdquo;Der letzte Ritter?“ in der Ausgabe &bdquo;Museum Aktuell“ (255) schreibt.

Im Museum im Schloss Brake erhielt der Ritter einen Vorzeigeplatz und darf somit stellvertretend für die adeligen &bdquo;Kriegsunternehmer“ im damaligen Weserraum stehen. Doch wo kommt der Harnisch her, wo wurde er gefertigt? &bdquo;Unbekannter Plattner, Turnierharnisch Ross und Reiter Nürnberg, 16. Jahrhundert, Stahl, getrieben, graviert“ - das sind die spärlichen Informationen zu dem Objekt. Doch auf der Suche nach der Herkunft stießen die Lemgoer auf erstaunliche Entdeckungen, wie es Eckhard Deichsel in seinem Aufsatz ausführlich beschreibt.

Was ist mit dem Visier? So hat sich nach dem Kauf der Metallrestaurator Herbert H. Westphal Ross und Reiter angenommen und stieß dabei auf Ungereimtheiten. So sei die Helmglocke zwar durchaus aus dem 16. Jahrhundert, die Hiebspuren auf dem Helm aber seien keineswegs auf Kämpfe zurückzuführen, dafür seien sie viel zu regelmäßig eingekerbt. Auch das Visier warf Fragen auf: In der Praxis wäre es kaum einsatzfähig gewesen - es sei denn, der Ritter hätte Kampf und Turnier halb blind bestreiten wollen. Überdies, so das Urteil des Experten, wurden einige Teile an der Ritterrüstung offensichtlich erst nachträglich montiert. Anders die Pferderüstung: Sie sei einheitlich und zum Teil aufwendig gestaltet.

War man einem Duplikat aufgesessen? Die Museumsleitung war alarmiert, doch Westphal konnte beruhigen: Insgesamt, so sein Fazit, sei das Ensemble durchaus geeignet, die ritterliche Rüstung des 16. Jahrhunderts zu repräsentieren.

Wie kommt Mexiko ins Spiel? Soweit so gut, doch weite Teile der Herkunft des stählernen Gesellen konnte auch er nicht lüften. Wann wurden die Teile zusammengeführt und vor allem, wo hatte die Rüstung die vergangenen 400 Jahre gelagert? Im Bauch des Holzgestells stießen die Experten auf einen ungewöhnlichen Fund: eine Zeitung aus Mexiko-Stadt von 1958. Der Pferdehals war zudem mit einem Mehlsack ausgestopft, &bdquo;hecho en mexico“. Offensichtlich waren die Tragekonstruktionen in den 1950er-Jahren in Mexiko hergestellt worden. Vielleicht, so mutmaßt das Museum, sei das Ensemble dafür von Europa nach Mexiko exportiert und dort zusammengeführt worden.

Wo aber kamen Ensemble und seine Einzelteile her? Und wie gelangte der Harnisch von Mexiko ins deutsche Auktionshaus? Diese Antworten will der stolze Ritter bis heute nicht verraten.

Wohl aber gibt er Auskunft darüber, was viele Besucher wohl schon immer wissen wollten: Was trägt so ein Ritter unter der Rüstung? Nun im Falle des Lemgoer Exemplars ist das recht ernüchternd: Der Ritter selbst ist eine kopflose Puppe mit ausgestopften Taftbeinen und Armen. Die Füße sind aus Holz, auf Hände muss der arme Kerl ganz verzichten.

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