„Wir haben hier immer etwas zu lachen“: Wer besucht die Parkinson-Selbsthilfe in Lemgo?

Lemgo. Knöpfe in allen Farben und Größen. Sektkorken. Bierdeckel und Wäscheklammern, &bdquo;am liebsten solche wie diese hier, die man gut greifen kann“. Quetschbälle. Kescher mit langen Stielen. Walnüsse zum Greifen, Befühlen und Wiedererkennen ... Wenn Margret Hey ihr Arsenal an Alltagsmaterialien durchforstet, sprudelt sie über vor Ideen, welche Spiele und Sporteinheiten sich damit umsetzen lassen. Etwa 150 unterschiedliche Instrumentarien hat die Expertin für Reha-Sport über die Jahre gesammelt. In der von ihr geleiteten Parkinson-Selbsthilfegruppe in den Räumen des Tanz-Treffs kommen wöchentlich einige zum Einsatz. Das Ziel: Tastsinn und Feinmotorik trainieren sowie Sturzprophylaxe betreiben. &bdquo;Wir machen jedes Mal andere Spiele“, sagt Hey, &bdquo;und oft geht es dabei richtig sportlich zur Sache - ohne dass die Teilnehmenden das in dem Moment merken.“

In dem Moment nicht - aber im Nachhinein, bestätigt Wolfgang Wendt. &bdquo;Da spürt man erst mal, wo überall Muskeln sitzen“, so der Lemgoer. Er hat sich bei dem heutigen Gruppentreffen gegen den österlichen Kartoffeldruck entschieden und spielt gemeinsam mit Gisela Neumann und Walter Kunz lieber an drei hohen Tischen im Saal der Tanzschule Pingpong, und zwar mit Frühstücksbrettchen statt Tischtennisschlägern - eine typische Margret-Hey-Idee, genau wie Curling mit Schrubbern und Golf mit Regenschirmen.

&bdquo;Unter Gleichgesinnten“ Alle drei Pingpong-Spieler sind an Parkinson erkrankt und gehören damit zu den rund 10.000 Menschen in OWL, die mit der Nervenkrankheit leben müssen. Typisch für Morbus Parkinson sind Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit und Störungen des Gleichgewichts. &bdquo;Man fühlt sich wohler unter Gleichgesinnten“, erklärt Kunz. Auf die Vielzahl von Bewegungsangeboten &bdquo;würde man selber gar nicht kommen. Und es gibt lecker Kuchen, das ist auch wichtig“, fügt er hinzu und lacht, bevor er Spielpartner Wolfgang Wendt ein weiteres Mal den Ball vor die Brust pfeffert.

Etwa 800 bis 1000 Menschen erkranken laut Schätzungen des Klinikums Lippe jährlich in Ostwestfalen-Lippe an Parkinson, Tendenz steigend. Margret Hey bietet die Parkinson-Gruppe seit 2008 an. Den Impuls bekam sie über einen Kollegen aus Bremerhaven, der erkrankt war. &bdquo;Was tust du dagegen?“, habe sie ihn gefragt, wodurch sich ein Gespräch über die vielen Möglichkeiten entspann, die medikamentöse Behandlung durch Bewegung und kognitives Training zu unterstützen und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.

Nie macht &bdquo;Verkloppen“ mehr Spaß So sei auch Tanzen eine gute Möglichkeit, gegen Bewegungsblockaden anzugehen. Hey machte verschiedene Fortbildungen zum Thema, wurde Referentin beim Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen und bietet seitdem verschiedene Reha-Kurse an. Bei den Parkinson-Treffen am Donnerstag stünden mal Spiele und Bewegung, mal kreative Angebote und Austausch im Vordergrund.

Die Gruppe, sonst bis zu 20 Personen stark, ist heute kleiner als sonst - &bdquo;eine Erkältungswelle greift um sich, und auch Magen-Darm“, weiß Margret Hey über die jeweilige Verfassung ihrer Teilnehmer gut Bescheid. Wertschätzend gehen sie und die ehrenamtliche Kunst-Anleiterin Monika Schneider auf die Möglichkeiten jedes Einzelnen ein. Aber kann es nicht auch demotivierend sein, wenn manche der anspruchsvollen Gedächtnisspiele oder Bastelangebote - beim Kartoffeldruck wird immerhin mit scharfen Messern gearbeitet - einfach &bdquo;zu hoch“ sind? Hey schüttelt den Kopf. &bdquo;Dem begegnen wir hier mit Humor“, sagt sie. Über vermeintliche Fehler werde gemeinschaftlich gelacht.

Bei einem Klatsch-Spiel, bei dem die Teilnehmenden sich in einer bestimmten Abfolge auf die Oberschenkel klopfen müssen, kommt regelmäßig jemand in Tödder. &bdquo;Sich ,verkloppen’ nenne ich das dann, und frage in die Runde, ob das je schon mal so viel Spaß gemacht hat.“ Kein Platz für Scham, dafür viel Freude. Was ihr am wichtigsten sei: &bdquo;Die Leute kommen raus aus ihrer Isolation.“

Raum der Möglichkeiten Das ist für die Partnerinnen und Partner mindestens ebenso wichtig. So ist Edeltraut Fischer heute ohne ihren erkrankten Mann zum Gruppentreffen gekommen - einfach, um unter Leuten zu sein und Anregungen für den Alltag mitzunehmen. &bdquo;Wir haben hier immer etwas zu lachen“, sagt auch Anette Dubbert, die sich mit ihrem Mann am Kartoffeldruck versucht, und fügt hinzu: &bdquo;Das unterbleibt zu Hause oft.“ Warum er seit vier, fünf Jahren regelmäßig die Gruppe besucht? Helmut Linke schaut von seiner Kartoffel auf und antwortet trocken: &bdquo;Weil meine Frau mich herbringt.“ Dann jedoch huscht beim Seitenblick auf die Partnerin ein kleines Lächeln über das Gesicht des 85-Jährigen und es wird klar: Er hat trotz der schweren Erkrankung seinen Humor nicht verloren.

Die bunten Kartoffeldruck-Kunstwerke sind fertig - und das, darüber herrscht Einigkeit, schönste Ergebnis hat die Teilnehmerin erzielt, die bereits am schwersten von Symptomen gebeutelt wird und im Rollstuhl sitzt. Ihre Ostereier im grünen Gras, entstanden in kaum einer Stunde, werden bestaunt und gewürdigt. &bdquo;Ich ermutige meine Leute immer: Bleibt dran an dem, was ihr könnt und mögt, macht einfach weiter“, sagt Hey. Die Teilnehmenden würden oft nicht nur sie mit ihren Talenten und Fähigkeiten überraschen, sondern vor allem auch: sich selbst. -------------------------------–-----------------------–

Info & Service Die Bezeichnung Morbus Parkinson geht auf den englischen Arzt James Parkinson zurück, der die Hauptsymptome der Erkrankung erstmals 1817 beschrieben hat. An seinem Geburtstag, dem 11. April, wurde 1997 der Welt-Parkinson-Tag ins Leben gerufen. Der Gedenktag soll das Verständnis der Krankheit fördern und so zu verbesserten Behandlungsmöglichkeiten beitragen. Parkinson ist eine chronische Erkrankung, deren Verlauf jedoch durch spezielle Medikamente und unterstützende Therapien positiv beeinflusst werden kann.

Die Parkinson-Selbsthilfegruppe Lemgo trifft sich wöchentlich jeweils donnerstags von 14.30 bis 16 Uhr in den Räumen des Tanz-Treffs Hey (Herforder Straße 43-45). Es gibt bei Interesse auch Angebote für jüngere Erkrankte, die zu dieser Uhrzeit keine Zeit haben. Weitere Infos und Anmeldung unter 05261/12877.

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