Warum in dieser Lemgoer Fahrradwerkstatt Zeit kein Thema ist

Lemgo. Räder, Räder, Räder - in allen Farben und Modellen. Dicht an dicht reihen sie sich im Keller der ehemaligen Anne-Frank-Schule auf. Dazwischen viele Interessenten: Junge Männer, Familien oder auch Jugendliche, die nach dem passenden Zweirad suchen. Viel los in der Fahrradwerkstatt der Flüchtlingshilfe in der ehemaligen Anne-Frank-Schule - die trotz des großen Angebots nicht jeden Wunsch erfüllen kann.

Jeden Donnerstag von 14 bis 17 Uhr hat die Werkstatt geöffnet. Bis zu 50 Räder haben die Männer derzeit im Angebot, nicht alle sind schon repariert, manche müssen noch aufgepäppelt werden. Fundräder oder Spenden nehmen sie an, kaputte oder auch ältere Räder, die ihre Besitzer nicht mehr brauchen und die in der Werkstatt aufbereitet werden. Gegen eine Gebühr von 20 bis 70 Euro werden sie dann vergeben, die Kinderräder sind umsonst. Und eben an denen mangelt es derzeit: &bdquo;Seit Wochen haben wir kaum noch kleine Räder für Kinder und Jugendliche“, erklärt Walter Windt. Wer also noch Modelle zu Hause hat, die er nicht mehr braucht: &bdquo;Nur her damit.“

Mit Sprachapp zum Erfolg &bdquo;Ob alt, dreckig oder auch kaputt - wir nehmen alles an“, sagt dann auch Jobst Schmidtmeier, der die Fahrradwerkstatt vor neun Jahren zusammen mit Werner Klaas gegründet hat. Damals noch als Reaktion auf die große Flüchtlingswelle 2015, wollten sie mit AWO und Kirchengemeinde St. Pauli etwas bewegen. Eine Selbsthilfewerkstatt gemeinsam mit Flüchtlingen war zunächst angedacht, &bdquo;doch davon haben wir dann schnell wieder abgelassen“, erzählt Jobst Schmidtmeier, die Sprachbarrieren seien einfach zu groß gewesen, während Walter Windt gerade per Übersetzungsapp mit einem jungen Mann kommuniziert und nach dem geeigneten Fahrrad für ihn sucht.

Mittlerweile ist die Crew in der Fahrradwerkstatt auf acht Aktive angewachsen. Männer im Alter von Mitte 30 bis über 70 Jahren, die Lust haben, zu tüfteln und alten Rädern wieder zu neuem Leben zu verhelfen. So wie es Axel Malischewski gerade am aufgebockten &bdquo;Reiserad“ vorführt. Mit dem, erzählt er, radelte der Vorbesitzer durch etliche Länder, bevor es seinen Weg in die Werkstatt fand. &bdquo;Da ist immer etwas Neues dran“, stöhnt der Rentner über das renitente Modell und lacht vergnügt, denn eilig hat es hier wohl keiner der Bastler. &bdquo;Und das ist ja auch das Gute“, erklärt Walter Windt, während er durch den Verkaufsraum in die zurückliegende Werkstatt führt, &bdquo;wir müssen ja keinem die Zeit berechnen“.

Jeder ist willkommen Der Käufer muss lediglich die Ersatzteile bezahlen und von denen haben die Bastler im Keller einiges auf Lage: Reifen und Speichen stapeln sich in der Ecke, in Kisten werden die Kleinteile für Bremsen, Gangschaltungen oder auch Klingeln gesammelt. Jedes Rad, das nicht mehr repariert werden kann, wird ausgeschlachtet und das hat seinen guten Grund: &bdquo;Für viele der älteren Modelle gibt es kaum noch Ersatzteile“, erklärt Walter Windt - und den Interessenten komme es auch zugute, denn so könnten die Räder deutlich günstiger abgegeben werden. Und das an jeden, der nach einem Zweirad sucht, egal ob Flüchtling, Sozialhilfeempfänger oder auch Besserverdiener.

Auch Reparatur-Arbeiten nehmen die Männer an. Umsonst oder gegen Spenden - &bdquo;denn Gewinn machen, dürfen wir ja nicht“, schließlich ist das &bdquo;Fahrwerk Lemgo“ als gemeinnütziger Verein eingetragen. Und so tüfteln sie jeden Donnerstag in der Werkstatt und wer Zeit und Lust hat, kommt auch öfter vorbei. &bdquo;Hier hat jeder sein Projekt, das er nach Belieben fertigmachen kann.“ Und gute Laune schafft das offenbar obendrein - zumindest lässt das das muntere Treiben von Dietmar, Fabian Böhm oder auch Kurt Höfing vermuten, die in der Werkstatt in bester Plauderlaune schrauben und pumpen.

Kinderräder werden gesucht Kennengelernt haben sich fast alle Helfer über den Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club, dessen Ortsgruppe Walter Windt in Lemgo anführt. Viele von ihnen sind schon seit Jahren dabei, von den Anfängen in der zugigen, kalten Garage des damaligen Hansa-Hotels in der Breiten Straße, über die Pavillons an der Anne-Frank-Schule bis hin zu den komfortablen Souterrain-Räumen und &bdquo;die sind für uns wirklich ideal“. Und während Jobst Schmidtmeier und Walter Windt sich weiter um die vielen Interessenten kümmern, einem Jugendlichen ein Rad zum Probefahren ausgeben und dem anderen ein Modell für 30 Euro anbieten, müssen sie der jungen Familie doch eine Absage erteilen. Nein, Kinderräder sind keine mehr da.

Wer also Kinderräder spenden will, kann sie gerne in der Fahrradwerkstatt abgeben. Bei Bedarf werden sie auch abgeholt, ebenso wie größere Modelle für Erwachsene. Die Fahrradwerkstatt an der Menkestraße ist jeden Donnerstag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Kontakt ist auch per E-Mail an walterwindt@web.de oder joobst@gmail.com möglich.

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