Lemgoer Experte bedauert: „Die Gesellschaft hat das Reparieren und Selbermachen verlernt“

Lemgo. Wer sich wie Werner Klaas aus Lemgo jahrzehntelang mit Oldtimern beschäftigt hat, und zwar vor allem mit dem Werkzeug in der Hand, der lernt nebenbei viel über das Leben - und in welche Sackgasse uns moderne Entwicklungen womöglich geführt haben. &bdquo;Die Konsumgesellschaft vermittelt, dass nur Neues wertvoll ist, und viele verlernen dadurch den Umgang mit Dingen“, ist Klaas überzeugt.

Wer Oldtimer liebt, sagt er, erkenne wohl, in welch einer kurzlebigen Welt wir zuhause sind. Tausende Stunden lang hat Klaas sich mit einer Technik auseinandergesetzt, die sich reparieren lässt - zumindest, wenn man weiß, wie. Heutzutage, bemängelt er, sei es beim besten Willen nicht möglich, ein modernes Fahrzeug samt der komplexen Elektronik selbst instandzusetzen. Zumal die IT-Systeme bei jedem Fahrzeugtyp anders seien. Gleichzeitig lernten Kfz-Mechatroniker in ihrer Ausbildung viele &bdquo;Basics“ gar nicht mehr. &bdquo;Wenn die keinen Computer anschließen können, wissen sie gar nicht, was sie machen sollen“, sagt Klaas und lacht.

Auch bei den TÜV-Stellen müsse er sich vor einem Oldtimer-Termin erkundigen, ob jemand Fachkundiges vor Ort sei. Klaas befürchtet, dass damit auch der Zugang zu alten Autos nach und nach verloren geht. &bdquo;Es wird dann einfach keine fahrtüchtigen Fahrzeuge mehr geben, die 100 Jahre oder älter sind“, lautet sein Fazit. &bdquo;Sie werden einfach nicht mehr funktionieren.“

Schätze aus Dänemark Der frühere Kfz-Meister, Berufsschullehrer und Tankstellenbesitzer ist heute 88 Jahre alt, hat zwei Urenkel. Neben seiner Erwerbstätigkeit befasste er sich seit den 1970er-Jahren mit der Instandsetzung und Pflege von Oldtimern. &bdquo;Ich war nie wohlhabend, immer ein ganz normaler Handwerker“, widerlegt Klaas ein weitverbreitetes Klischee über Oldtimer-Liebhaber. Wer sich mit ihm in den Keller seines Lemgoer Hauses begibt, sieht anhand unzähliger Fotos an der Wand, in welchem bemitleidenswerten Zustand sich die Wagen befunden haben, wenn der Kfz-Meister sie ankaufte.

Die alten Schätzchen fand Klaas zumeist im Nachbarland Dänemark. Rund 40 Jahre lang war er regelmäßig dort, um mithilfe eines Bekannten aus der Nähe von Aalborg auf Oldtimerjagd zu gehen. &bdquo;Bestimmt 13, 14 Autos“ habe er auf diesem Wege erworben. Wobei man (siehe Bild oben) oft kaum noch von Auto sprechen konnte. In Dänemark hätten Oldtimer damals noch zum normalen Straßenbild gehört, erinnert sich Klaas. Der Grund: Nachdem Deutschland 1945 den Krieg verloren hatte, wurden viele fahrbereite Autos von den Alliierten konfisziert, weiß der Lemgoer.

Sein Meisterstück sei ein 170er Mercedes Baujahr 1950, den er 1972 kaufte und restaurierte. &bdquo;An diesem Modell hatte ich gelernt, während ich in der Ausbildung war.“ Damals sei Motorenkunde noch eine wichtige Säule der Lehrzeit gewesen - mittlerweile müssten die Azubis gar keine Motoren mehr auseinanderbauen. &bdquo;Sie wissen nicht einmal mehr wirklich, wie einer aussieht“, sagt er nachdenklich, während er seinen top gepflegten Ford A, mit dem er schon manches Schützenpaar durch die Hansestadt kutschierte , aus der Garage schiebt.

Er selbst sei &bdquo;von Hause aus Metaller“, sagt Klaas. Daher habe er viele Teile selbst reparieren oder nachbauen können. Holz ist nicht sein Fachgebiet - allerdings ist die Grundkonstruktion der alten Fahrzeuge, was einem Laien heute kaum mehr bewusst ist, aus Holz gebaut, etwa die Türholme. &bdquo;Henry Ford war sehr sparsam“, erzählt Klaas eine Anekdote, &bdquo;er verarbeitete wohl alte Kisten zu Bodenbrettern“. Stellmacher oder Wagenbauer, also Fachleute, die hölzerne Wagenteile anfertigen und reparieren können, gebe es mittlerweile nur noch selten. &bdquo;Ich wüsste auf Anhieb keinen mehr“, überlegt Klaas.

Insgesamt sei handwerkliches Können, auch für den Alltagsgebrauch, selten geworden. Mittlerweile gälten Schrauben und Selbermachen als altmodisch und minderwertig. &bdquo;Dabei steckt darin Erfahrung, Stolz und Selbstständigkeit“, findet Klaas. Er selbst hat sich sein Leben lang als &bdquo;Selbermacher“ definiert und setzt sich noch heute dafür ein, Altes zu erhalten. So hat er schon die Fahrzeuge in der Kita seiner Urenkel restauriert und vor neun Jahren die gemeinnützige Lemgoer Fahrradwerkstatt gegründet - für die er bis heute aktiv ist. Mit Geduld, Pflege und Handwerk lässt sich viel erhalten, lautet Klaas’ Credo. Für viele gelte heute die schnelle Bedürfnisbefriedigung mehr.

&bdquo;Warum müssen sich junge Paare, die gerade geheiratet haben, gleich obendrauf noch einen teuren Neuwagen anschaffen?“, fragt er sich - sie sollten in dieser Lebensphase doch eigentlich auch so glücklich sein. &bdquo;,Was kann ich mir leisten?’ - Das sollte doch nicht die Kernfrage des Daseins sein“, findet Klaas. Autofahrten würden nicht unbedingt besser oder schöner, wenn man in einem kostspieligen Fahrzeug säße, und eine warme Dusche sei nicht erquickender, wenn das edel sanierte Bad 15.000 Euro gekostet habe.

Über Jahrzehnte hinweg hat er erlebt, dass alte Autos mit Geduld und Geschick am Leben gehalten werden können. Statt Dingen Beständigkeit zu geben, dominiert laut Klaas inzwischen eine Wegwerfmentalität, die immer nur nach &bdquo;mehr“ und &bdquo;besser“ verlangt – und dabei das eigentliche Glück übersieht. Für ihn ist klar: &bdquo;Dass Autos heute gar nicht mehr 20 oder 30 Jahre gefahren werden sollen und können? Das liegt an den Kaufleuten, die Geld verdienen wollen. Am kapitalistischen System. Aber das“, sag Klaas und zuckt mit den Schultern, &bdquo;ist gescheitert, da es für den Menschen an sich nicht gut ist.“

Klaas erwähnt die VW-Manager, die lieber Abgaswerte fälschen ließen, anstatt ein wahrhaft umweltfreundliches Auto auf den Markt zu bringen. Was ja möglich wäre, meint er. Allein, dass die Autos heute so immens schwer geworden seien - ein Unding, da jedes Kilo Kraftstoff verbrauche. &bdquo;Wir müssen mit weniger zufrieden sein“, äußert Klaas eine unpopuläre Meinung. Ein ewiges Wachstum und Weiter-so werde es nicht geben.

Sinn im Selbermachen Was er als Lösung vorschlägt? Wieder mehr Sinn im Selbermachen zu erfahren - und diese Haltung vor allem Kindern und Heranwachsenden mitzugeben. Früher seien die Menschen im Handwerk stolz auf ihre Berufe gewesen. Dann habe eine gesellschaftliche Abwertung stattgefunden. &bdquo;Kittel oder Blaumann? Das ist nichts“, sei zu lange die Einstellung vieler gewesen. Ein großer Fehler, der sich jetzt rächt, wie er findet.

So viele junge Menschen habe er als Lehrer in der Berufsgrundbildung erlebt, die über das Herstellen eigener Werkstücke erstmals Selbstvertrauen entwickelt hätten. &bdquo;Herr Klaas“, habe er dann oft gehört, &bdquo;der Soundso kommt jetzt wieder gern zur Schule, was haben Sie gemacht?“ Klaas lächelt bei der Erinnerung daran. &bdquo;Das waren oft ganz sensible Menschen aus schwierigen Verhältnissen, die in ihrem Leben bis dahin zu viele Misserfolge hatten. Und im Handwerk habe ich ihnen Erfolgserlebnisse ermöglicht. Mehr nicht.“

Auch sein Leben sei ohne solche Erfolgserlebnisse nicht denkbar. Klaas klappt den Koffer am Heck seines Ford A zu und beginnt, den Wagen zurück in die Garage zu schieben. Diese Leidenschaft hat er an seine Tochter Monika weitergegeben. Ob sie bis zu den Urenkeln reichen wird? Klaas hofft es sehr.

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