Komplexer Satzbau, einfacher Effekt: Sasa Stanišic zu Gast in Lemgo

Lemgo. &bdquo;Für manche ist das Glück bloß umständehalber spärlicher gesät.“ Wer sich diesen Satz ausgedacht hat? Sasa Stani&scaron;ic. Im Kesselhaus in Lemgo fuhr der Wahl-Hamburger fort: &bdquo;Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe? Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft? Wie bei Deich- mann, nur nicht mit Schuhen, sondern mit dem Schicksal.“ Das alles findet der geneigte Leser in Stani&scaron;ics Buch &bdquo;Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne.“ 180 Gäste sorgten für eine ausverkaufte Lesung - mit einer komplexen Syntax, aber einem einfachen Effekt: Vergnügen.

Geboren in Bosnien-Herzegowina, lebt Stani&scaron;ic seit 1992 in Deutschland. Der deutsch-bosnische Schriftsteller weilte auf Einladung der Stadtbücherei in Lemgo. Er ist unter anderem Träger des Deutschen Buchpreises. Nach einer Begrüßung durch Elisabeth Webel vom Förderverein der Stadtbücherei setzte er gleich bei der ersten Geschichte an. Es ging - latent aus dem eigenen Leben - um vier Jungs mit Migrationshintergrund, die in Heidelberg abhängen. Das Quartett entwirft in dem Buch bessere Zukünfte, um die sie qua Herkunft zumeist betrogen werden. Vorweg: Stani&scaron;ic versteht es, an das Gute im Menschen glauben zu lassen, und dennoch die Härten, die das Leben in Deutschland gerade für Menschen wie die vier Jungs in Heidelberg bereithält, besonders eloquent darzustellen.

Ausgangspunkt einer Träumerei Die 180 Frauen und Männer im Kesselhaus mussten sich aber an einen verschachtelten Satzbau gewöhnen, ohne dass die Idee des Schriftstellers dabei &bdquo;flöten ging“. Ein Geheimnis seines Erfolgs scheint darin zu bestehen, dass seine Bücher einerseits Ausgangspunkt einer Träumerei sind, andererseits mit viel Witz und literarischer Courage, ein Spiel symbolisieren, das lässig und skurril daherkommt, ohne den Touch von tieferer Wahrheit einzubüßen.

Im Witwen-Buch mit dem langen Titel spielt die Neunziger-Jahre-Kindheit im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund, einem &bdquo;Brennpunkt“, in dem viele Migranten leben, natürlich eine Rolle für die fast schon kunstvolle Erzählstruktur zwischen Fakt und Fiktion. Man hörte quasi den Horizont knirschen. Und: Hat so ein begabter und viel gerühmter Schriftsteller womöglich eine kuriose Angewohnheit - das wollte die LZ wissen? Stani&scaron;ic dachte nicht lange nach: &bdquo;Ja, ich fotografiere in jedem Hotel, in dem ich bin, also auch im &bdquo;Stadtpalais“, den Fernseher und die Gardinen.“

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