Lemgo. Drei internationale Gäste besuchten kürzlich die St.-Nicolai-Gemeinde und hielten Vorträge über Christenverfolgung. Das Treffen wurde von Norbert Scherpe, Integrationsbeauftragter der Kirchen in Bad Salzuflen, gemeinsam mit Pfarrer im Ruhestand Matthias Schmidt organisiert, wie die Gemeinde in einem Schreiben mitteilt. Für die musikalische Gestaltung des Nachmittags sorgten Stiftdechantin Gisela Brokhausen am Klavier und Matthias Schmidt an der Gitarre. Zudem trug Mariam Labib, koptische Christin, vor rund 50 anwesenden Frauen ein arabisches Anbetungslied vor, das unter dem Thema „Hoffnung in dunklen Stunden“ stand.
Nach Kaffee und Kuchen verlas Norbert Scherpe einen bewegenden Brief einer jungen Afghanin, deren weiterer Schulbesuch nach der sechsten Klasse verboten wurde. In Afghanistan geraten Mädchen, die lesen, unter der Herrschaft der Taliban schnell in Verdacht. Dennoch versuchen viele Jugendliche heimlich, ihre Ausbildung fortzusetzen. Scherpe wird die Grüße des Frauenkreises an die inzwischen erwachsene junge Frau übermitteln.
Erinnerungen an Christenverfolgung
Der Kurde Karim Suleimann, mehrfach ausgezeichneter Integrationsbotschafter im Kreis Lippe, berichtete von der Vertreibung und Zwangsislamisierung seiner Vorfahren während der Christenverfolgung im Ersten Weltkrieg. 1916 wurden im Osmanischen Reich über 1,5 Millionen Christen und andere Minderheiten ermordet; wer überleben wollte, musste zum Islam übertreten. Dieser Völkermord an Armeniern und anderen Gruppen gilt als einer der größten seiner Zeit und wurde später zum Vorbild für den Holocaust. Suleimann, der aus einem kleinen syrischen Dorf stammt, engagiert sich seit über 30 Jahren in Lippe für Versöhnung. Ehemalige Mitbewohner seines Dorfes – jesidische, islamische und christliche Syrer – leben heute als Geflüchtete in Lippe. Während der Verfolgung durch den IS halfen sie einander und schützten auch die christliche Kirche ihres Dorfes; verbliebene islamische Bewohner setzten dies nach der Flucht fort.
Als jüngste Geflüchtete stellte sich Saliem aus Eritrea dem Frauenkreis vor. Über ihre gefährliche Reise durch die libysche Wüste und über das Mittelmeer berichtete erneut Norbert Scherpe. Inzwischen lebt Saliem in Bad Salzuflen und arbeitet dort als Alltagshelferin in einem Seniorendienst.
Biblische Bezüge und Volkslieder
Pfarrer Matthias Schmidt ordnete die aktuellen Fluchtgeschichten in einen biblischen Zusammenhang ein: Auch im Alten Testament finden sich zahlreiche Berichte von Menschen auf der Flucht. Ebenso seien Jesus und seine Eltern als Asylsuchende nach Ägypten geflohen, wo ihnen Schutz gewährt wurde. Die Erfahrungen von Menschen unterwegs und in der Fremde verbindet die Gemeinde mit den Geschichten heutiger Migranten. Viele Deutsche tragen zudem Fluchtgeschichten ihrer Eltern oder Großeltern in ihrer Familiengeschichte – auch nach 1945 war das Ankommen in Lippe nicht einfach.
Mit Volksliedern aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen wurden schließlich Brücken zu den eigenen Erinnerungen geschlagen. Gisela Brokhausen begleitete einige der Wunschlieder am Klavier.