Höxters Kreistag zollt Lügde-Opfern Respekt und stimmt für Gutachten

Kreis Höxter. Aus Respekt vor dem Leid der Missbrauchsopfer in Lügde hat sich der Höxteraner Kreistag am Donnerstagabend geschlossen erhoben. &bdquo;Ein starkes Signal" nannte das Landrat Michael Stickeln in der Marienmünsteraner Ackerscheune. Alle Fraktionen sprachen sich für ein Gutachten aus, das im Höxteraner Jugendamt auf Fehlersuche gehen soll. Warum es den Mitarbeitern nicht gelungen war, die Kinder zu schützen, darüber gab die Sitzung einigen Aufschluss.

&bdquo;Lügde stinkt vom Anfang bis zum Ende zum Himmel – darin sind wir uns einig", sagte Marion Ewers von der FDP. Ihre Fraktion hatte eine öffentliche Entschuldigung eingefordert, der sich dann alle anderen Parteien anschlossen. Der Fall Lügde habe alle zutiefst erschüttert und schockiert. Von den Abgründen einer zumindest in Teilen kranken Gesellschaft sprach die FDP-Frau. Es sei unabdingbar wichtig, genau hinzuschauen. "Wenn uns das Gefühl beschleicht, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte." Sie nehme es aber Stickeln ab, dass er &bdquo;aufrichtig und ehrlich" aufklären will.

Auch die CDU schloss sich dem Antrag an, dem Mitgefühl und dem Bedauern ganz offiziell Ausdruck zugeben: &bdquo;Die Kinder sind ein Leben lang gezeichnet und wir haben nichts Besseres zu tun, als zu reden und zu reden und mit dem Finger auf den einen oder anderen zu zeigen." Ebenso die Grünen: &bdquo;Wir bitten um Verzeihung, wir kümmern uns, indem wir Verantwortung übernehmen." Und die SPD begrüßte, dass sich Stickeln persönlich der Sache annehmen will. &bdquo;Er stellt sich an die Spitze der Bewegung und hat die volle Unterstützung der SPD." Andere Mitglieder wie Heinrich Seifert betonten, das Kollektiv trage die Verantwortung: &bdquo;Kein Mitarbeiter im Jugendamt oder bei der Polizei hat sich absichtlich schuldhaft verhalten", so der CDU-Mann.

Verdachtsfälle müssen binnen 48 Stunden beraten werden

Sara Otte von der Abteilung Allgemeine Soziale Dienste erläuterte im Anschluss erste Konsequenzen, die beim Höxter Jugendamt aus den Lügder Missbrauchsfällen gezogen wurden. Neu eingeführt wurde eine obligatorische Konsultation von drei Fahrkräften bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. &bdquo;Früher haben Sie sich also in diesen Fällen nur informell mit den Kollegen besprochen?", hakte Martina Denkner von den Grünen nach. Das sei in der Tat so gewesen, bestätigte Sara Otte. Es habe allerdings stets einen intensiven Austausch untereinander und einmal wöchentlich eine Teamsitzung gegeben. Jetzt müsse über Verdachtsfällen binnen 48 Stunden beraten werden.

In der Sitzung kristallisierte sich heraus, dass die große Mitarbeiterfluktuation und die dadurch bedingten wechselnden Zuständigkeiten im Jugendamt ein Problem sind. Für die Übergabe von Fällen gibt es deswegen jetzt klare Regeln. Landrat Stickeln deutete an, dass er von einer Unterbesetzung im Bereich Allgemeine Soziale Dienste ausgeht: &bdquo;Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Gutachten sagt, dass wir mehr Personal brauchen." In der Vergangenheit sei in diesem Bereich offenbar zu viel gespart worden.

"Auch über die Grenzen besser zusammenarbeiten"

Auch die umfangreichen Dokumentationspflichten nähmen die ohnehin schon sehr belasteten Jugendamtsmitarbeiter sehr in Anspruch: &bdquo;Das frisst Zeit, die wir nicht draußen bei den Familien sind", sagte Sara Otte. Ein weiteres Manko ist offenbar der Austausch zwischen Behörden über Kreis- und Landesgrenzen hinweg.

&bdquo;Wir leben in einer Grenzregion und müssen gewährleisten, dass wir auch mit Holzminden, Lippe oder Kassel besser zusammenarbeiten", mahnte Matthias Goeken (CDU) an. Gerade wenn eine Familie von einem Kreis zum anderen wandere. &bdquo;Wir leben halt nicht auf einer Insel", so der Landtagsabgeordnete.

Hier sei der Datenschutz ein großer Hemmschuh, hat Michael Stickeln festgestellt. Und der Jugendschutz sei nun einmal eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. &bdquo;Da müssen wir uns über Strukturen Gedanken machen", sagte der Landrat. Auch Frank Oppermann (SPD) forderte ein, die Zusammenarbeit der Jugendämter besser zu harmonisieren: &bdquo;Die Täter sind vernetzt, da spielt der Datenschutz keine Rolle."

Der Landrat erläuterte noch einmal, wie groß der Aufwand für die Pseudonymisierung der Akten sei: &bdquo;Wir machen das so zügig wie möglich und verantwortbar wie nötig." Leider müssten diese umständliche Arbeit die Kollegen im Jugendamt erledigen. &bdquo;Wir können das nicht vergeben, so gerne wir das tun würden." Auch darüber werde er bei seinem Besuch im Düsseldorfer Untersuchungsausschuss sprechen.

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