Zeitzeuge erinnert sich an den Mauerbau

Lügde-Sabbenhausen . Vor wenigen Tagen hat sich der Bau der Berliner Mauer zum 60. Mal gejährt. Prälat Heinrich Festing aus Sabbenhausen erinnert sich noch wie gestern an jenen Morgen des 13. August 1961. Das Bild, wie riesige Kranwagen die einzelnen Betonblöcke nebeneinander platzieren, sieht er bis heute glasklar vor seinem geistigen Auge. Festing war damals als Diakon, der kurz vor seiner Priesterweihe stand, hautnah bei diesem historischen Ereignis dabei. &bdquo;Dieses Erlebnis hat mich in meinem Leben nie wieder losgelassen", sagt der 90-Jährige.

Festing war zu dieser Zeit für eine Woche mit etwa 50 Diakonen aus den west- und den ostdeutschen Diözesen in der Bildungsstätte Kladow des Erzbistums Berlin zu einem Seminar versammelt. &bdquo;Es sollten Kontakte geknüpft und Gemeinschaften zwischen Ost und West aufgebaut werden", erinnert sich Festing.

Diakone vor Ort

Für den letzten Tag war geplant, dass jeweils zwei Diakone in den einzelnen Pfarreien von Ostberlin den Gottesdienst mitgestalten und ein Begegnungsfest feiern. Anschließend sollte gemeinsam eine Vesper in der St.-Hedwigs-Kathedrale mit dem Bischof von Berlin, Alfred Kardinal Bengsch, gefeiert werden.

&bdquo;Doch dann kam alles ganz anders", erzählt der Zeitzeuge. Es war vier Uhr in der Nacht als ein Telefonanruf Festing aus dem Tiefschlaf riss. Man habe ihn – als Leiter der westdeutschen Diakongruppe – informiert, dass an dem Übergang &bdquo;Glienicker Brücke" an der Bernauer Straße etwas vor sich ginge, erzählt er. Also machten sich die Diakone schon früh auf, um direkt um 6 Uhr – dann öffneten immer die Übergänge zwischen Ost und West – da zu sein, um die Grenze in den Osten zu passieren.

Großes Polizeiaufgebot

&bdquo;Zuvor hatten wir Diakone noch vereinbart, dass wir nicht alle gleichzeitig dort erscheinen, um kein Aufsehen zu erregen", berichtet Festing, der damals mit scharfen Kontrollen an der Grenze gerechnet hatte. Die gab es dann auch, jedoch war dies nicht alles.

&bdquo;Auf der Westseite der Brücke haben wir bereits einen Pulk von Menschen gesehen", erzählt der Prälat. Diese hätten über einen Mauerbau spekuliert, doch gesehen habe man nichts. Erst als Festing und sein Begleiter durch die Sperre gingen, wurde das Unheil sichtbar. Festing erinnert sich an ein großes Aufgebot an Grenzpolizisten und Soldaten. &bdquo;Wir mussten mit ansehen, wie die Mauer errichtet und die Grenzstation befestigt wurde." Festing und und sein Kollege wurden in einen Raum geführt, wo sie einem strengen Verhör unterzogen wurden. &bdquo;Nach und nach füllte sich der Raum mit unseren Leuten", berichtet der Geistliche.

An einen Gottesdienst war nicht zu denken

Die Grenzpolizisten hätten seine Gruppe schikaniert. So mussten die Diakone nicht nur jedes Detail preisgeben, sondern auch ihre Taschen leeren. Die Diakone hatten Geschenke dabei, darunter vor allem Arzneimittel, Zahncreme und Kugelschreiber. &bdquo;Offiziere erklärten uns dann, warum der Bau der Mauer notwendig sei." Diese sei zum Schutz für die Bürger aus der DDR und allein der Westen sei daran Schuld, habe es geheißen.

Die Diakone konnten schließlich die Grenze passieren, aber mit solcher Verzögerung, dass an die Gottesdienste nicht mehr zu denken war. Die Gruppe machte sich dann direkt zur Vesper mit Bischof Bengsch auf. Und alle habe nur eine Frage beschäftigt: Wird es einen Bürgerkrieg geben?

Tausende von Menschen

Als die Diakone die DDR verließen, wurden sie bereits auf der Westseite der Brücke von Journalisten und Fernsehteams empfangen. &bdquo;Da standen tausende von Menschen. Dieses Bild habe ich bis heute nicht vergessen", erzählt Festing. Einige der Menschen hätten die Gruppe als &bdquo;Verräter", &bdquo;Schweine" und noch Schlimmeres beschimpft. &bdquo;Sie wussten ja nicht, wer wir waren", erklärt der Theologe.

Er habe dann versucht, die Menschen zu beschwichtigen und ihnen erklärt, was es mit seiner Gruppe auf sich habe. Er stand den Reportern Rede und Antwort und war dann in den Nachrichten im Fernsehen zu sehen. &bdquo;Ich habe es von da an als meine zentrale Aufgabe betrachtet, die Kontakte zu Freunden und Bekannten jenseits der Mauer zu pflegen und zu fördern, um zu dokumentieren, dass weder ein politisches System noch Mauer und Stacheldraht das Zusammengehörigkeitsgefühl unterbinden können", sagt Festing. So habe er alle 160 Kolpingsfamilien im Osten persönlich gekannt und bis auf zwei auch alle besucht.

Wie sich später herausstellte, wurde &bdquo;Kolping" und auch die Aktivitäten von Festing durch die Staatssicherheit überwacht. Es sei eine der umfangreichsten Stasi-Akten, die bei der Gauck-Behörde registriert sind, so der 90-Jährige.

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