U-Ausschuss zu Lügde "Das hat es so noch nie gegeben"

CDU-Obmamm Dietmar Panske erklärt, wie das Klima im Ausschuss war und welche Änderungen es in den Behörden geben wird.

Herr Panske, Sie sind Obmann der CDU im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der den Missbrauchskomplex von Lügde aufklären soll. Wenn Sie die 2,5 Jahre Ausschussarbeit Revue passieren lassen: Was ist Ihre schockierendste Erkenntnis?

Dietmar Panske : Zu Beginn hatte ich gedacht, der Komplex Lügde sei vielleicht ein Einzelfall. Ich konnte mir nie vorstellen, dass es so viel Abschaum in der Gesellschaft geben kann. Doch ich musste lernen: Sexueller Kindesmissbrauch ist keine Nischenkriminalität und hat nichts mit sozialem Milieu zu tun. Studien zeigen: In einer Schulklasse mit rund 30 Kindern sitzen ein bis zwei, die Opfer sexuellen Missbrauchs wurden oder es sind.

Was schlussfolgern Sie daraus?

Wir müssen immer besser werden bei Strafverfolgung und Kinderschutz. Das ist klar. Aber das Thema Pädophilie muss auch raus aus der Tabuzone – wir brauchen mehr Hilfe für die Pädophilen, die nicht Täter werden wollen und sollen. Das ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft.

Missbrauchskomplexe wie Lügde, Bergisch Gladbach und Münster zeigen, dass die Realität oft anders aussieht – mit gravierenden Folgen für die Opfer und ihre Familien. Welche Rolle kommt den Behörden beim Schutz der Kinder zu, zum Beispiel den Jugendämtern und der Polizei?

Sie leisten extrem wichtige Arbeit und bilden Schnittstellen. Eine zentrale Erkenntnis im Untersuchungsausschuss ist aber, dass diese Behörden in vielen Fällen nicht miteinander gesprochen haben. Wichtige Informationen lagen vor, sie wurden aber nicht übereinandergelegt und weitergegeben. Das Leid der Kinder im Fall Lügde hätte ansonsten zwei Jahre eher beendet werden müssen.

Was wird sich durch die Arbeit des U-Ausschusses ändern?

Wir haben viele Dinge angestoßen. Lügde hat uns gelehrt, dass wir härter an den Tätern dranbleiben müssen. In der Folge wurde die Zahl der Ermittler bei der Polizei für den Bereich vervier-, beim Landeskriminalamt sogar verfünffacht. 32 Millionen Euro wurden in die erforderliche Hard- und Software zur Auswertung kinderpornografischen Materials investiert. Die Staatsanwaltschaft hat eine eigene Task Force mit gigantischen Ermittlungserfolgen: Seit Juli 2020 wurden 3.808 Verfahren eingeleitet.

Die Mitarbeiter, zum Beispiel in den Jugendämtern, leisten wichtige und schwierige Arbeit. Und doch wurden sie in den Befragungen im Ausschuss mitunter ziemlich hart angegangen. Zu Unrecht?

Die Zeugenbefragungen waren zum Teil mit bis zu zehn Stunden sehr lang, ziemlich intensiv und für einige Zeugen auch sehr belastend. Es sind auch Tränen geflossen, was mir persönlich sehr leid tat – aber auch für uns als Abgeordnete ist das Thema sehr emotional. Wichtig ist mir aber, dass für uns als Fraktion die Aufklärung immer im Mittelpunkt stand. Das war unser Auftrag. Uns stand nicht zu, einzelne Jugendamtsmitarbeiterinnen oder Polizeibeamte zu verurteilen.

Was muss sich in den Behörden ändern?

Wer im Jugendamt bei Kindeswohlgefährdungen einschreiten soll, der braucht klare Standards für sein Vorgehen. Und zwar landeseinheitlich. Dass jede Behörde es anders macht, kann nicht gut sein. Ebenso wenig, wenn an wichtigen Schnittstellen im Kinderschutz nicht miteinander geredet wird – deshalb soll es verpflichtende Netzwerke der Akteure vor Ort geben. Und: Eine Qualifizierungsoffensive soll dafür sorgen, dass Mitarbeiter vom Jugendamt bis in die Kita einen Missbrauch sicherer erkennen lernen und eingreifen können. Das sieht das neue NRW-Kinderschutzgesetz vor. Ich glaube nicht, dass wir in NRW ohne die Arbeit des Ausschusses so weit wären.

Der Ausschuss hat 400.000 Seiten Akten gewälzt. Wie viele davon haben Sie gelesen?

Mein Anspruch ist es, so ziemlich jede Seite zu lesen.

Die Landtagswahl im Mai rückt näher. Wie sehr haben parteipolitische Geländegewinne im Ausschuss eine Rolle gespielt?

Mein Eindruck ist, dass es ein gutes Miteinander zwischen den Fraktionen gab und der gemeinsame Aufklärungswille im Vordergrund stand. Das zeigt auch die gemeinsame Empfehlung, den Ausschuss nach Mai fortzusetzen. Das gab es in dieser Form noch nie.

Was hat Sie besonders geärgert?

Einige Zeugen aus den niedersächsischen Behörden haben ihre Aussagen grundsätzlich verweigert. Das war kaum zu ertragen. Und im Bereich der Aufklärung war der Datenschutz oft das Totschlagargument dafür, dass man uns bestimmte Informationen nicht aushändigen musste.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden Anfang Februar den Entwurf eines Zwischenberichts an die Fraktionen aushändigen – mit konkreten Handlungsempfehlungen. Der wird dann Ende März im Plenum vorgestellt. Ich bin sicher, dass das neu gewählte Parlament im Sommer erneut einen Untersuchungsausschuss einsetzen und einen Auftrag und die Schwerpunkte festlegen wird. Keine Frage: Es gibt noch viel zu tun.

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