Wie drei lippische Cafés überleben

Kreis Lippe. &bdquo;Aber bitte mit Sahne“: Wenn Mathilde, Ottilie, Marie und Liliane aus dem berühmten Song von Udo Jürgens die tägliche Torten-Schlacht überstanden und ihre Lebern bis heute überlebt hätten, dann wäre ihre Auswahl an Cafés nicht mehr allzu groß. Sehr zum Bedauern aller Leckermäuler, die ein Stück handgemachter Torte und das Ritual des Café-Haus-Besuchs noch zu schätzen wissen. Denn den Lebensunterhalt mit Kaffee und Kuchen zu bestreiten, ist ein hartes Brot. Doch es gibt sie noch – wenn auch nicht mehr so viele wie früher.

Ein eigenes Café zu betreiben, ganz nach den eigenen Vorstellungen, davon hatte die Hamburgerin Christiane Amerkamp geträumt. Sie erfüllte sich den Traum mit dem Schwalenberger Café Schwalbennest – und scheiterte: Nach 16 Monaten dreht sie nun den Schlüssel rum. Doch es gibt auch in Lippe erfolgreiche Cafés. Mit ganz unterschiedlichen Konzepten und sicherlich mit einer jeweils sehr eigenen Ertragslage. Die LZ schaute mal in drei verschiedene Cafés hinein, in den übrigens auch Hunde erlaubt sind.

Traum vom eigenen Café Bereits vor 15 Jahren eröffneten Roland und Marianne Faude ihr Café am See in Bad Meinberg, direkt am Kurpark in einer ehemaligen Kurklinik. &bdquo;Als ich die das erste Mal gesehen habe, war hier ein Rohbau. Alles war entkernt, und ich bin über die Rampe einfach mal auf die Baustelle gestiegen“, erinnert sich Roland Faude, der sich als Finanzfachmann um die betriebswirtschaftliche Seite kümmert.

Noch lieber als die Räume im ersten Stock wäre ihm das ehemalige Schwimmbad der Kurklinik gewesen, weil es ebenerdig vom wunderschönen Garten aus zu erreichen war. Aber damals hatten die Eigentümer noch andere Pläne, wollten das Bad erhalten. Doch Faude hatte sich bereits in Lage und Räumlichkeiten verguckt, und weil seine Frau Marianne schon immer von einem eigenen Café geträumt hatte, griff das Paar zu, investierte einen Haufen Geld in den Umbau und hielt sowohl dem schwierigen Start als auch der Corona-Zeit gegen alle Widrigkeiten stand.

&bdquo;Eins steht mal fest, reich werden können Sie mit so einem Café nun wirklich nicht“, sagt Roland Faude. Er habe schon kurz davor gestanden, aufzugeben, aber die Leidenschaft der Café-Chefin und ihrer Mitarbeiterinnen habe am Ende den Ausschlag gegeben.

Aufgeben geht nicht Schon die bloße Idee, aufzugeben, hätten die Mitarbeiterinnen mit Entsetzen quittiert: &bdquo;Das können Sie doch nicht machen.“ Und so steht Marianne Faude an den Öffnungstagen – täglich außer dienstags jeweils von 9 bis 18 Uhr – frühmorgens in ihrer kleinen Küche und backt Torten, am Wochenende manchmal bis zu einem Dutzend.&bdquo;Gebacken habe ich immer schon gern, und ich liebe es, neue Rezepten auszuprobieren“, erzählt die gelernte Restaurant-Fachfrau. Bodenständig kommen ihre Kreationen daher, sehen aus wie Zuhause bei Muttern. &bdquo;Das sagen mir die Leute auch immer: Mein Kuchen erinnert sie an das, was ihre Oma oder Mutter gebacken hat“, berichtet Marianne Faude. Ganz gleich, welche Neuigkeiten sie in die Glasvitrine stellt: &bdquo;Die Stachelbeer-Baiser-Torte muss immer dabei sein.“ Und natürlich immer frisch: Kuchen vom Vortag ist bei ihr nicht zu bekommen. &bdquo;Den Rest verschenke ich abends“, wegwerfen muss sie nie was.

Und was verdient sie so an ihren Torten, bei all der Handarbeit? – Der Gewinn ist verschwindend gering, etwa zehn Prozent vom Preis mögen wohl bei ihr hängenbleiben. &bdquo;Das ist eine Mischkalkulation“, sagt Roland Faude. Den Hauptumsatz macht das Café mit den Getränken. 2,90 Euro für eine Tasse Kaffee, 4,90 Euro pro Kännchen. Nichts, womit man große Sprünge machen kann. &bdquo;Mehr kann man in dieser Lage aber auch nicht verlangen. Wir leben wirklich von unseren Stammgästen, die unseren Kuchen lieben“, betont Faude. Und doch muss so viel dabei rauskommen, dass die Faudes nicht nur das Personal, sondern auch Miete, Wasser, Strom und all die anderen Nebenkosten bezahlen können.

Gewinn bringen die Getränke Etwas einträglicher ist dann noch das Frühstücksangebot, bei dem das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Nebenkosten etwas günstiger ausfällt. Das gilt natürlich für alle, auch für Jan Diekjobst, der vor knapp zwei Jahren das älteste Café Detmolds, das Café Elbing übernommen hat.

&bdquo;Allein von Kaffee und Kuchen könnten wir nicht überleben“, sagt der Sternekoch. Zumal hier eher die feine Patisserie in der Vitrine steht. &bdquo;Der Verkaufspreis für ein Stück Kuchen ist nicht immer das, was wir eigentlich bräuchten, um über die Runden zu kommen“, erklärt Diekjobst mit Blick auf den Zeitaufwand. &bdquo;Für eine Torte müssen Sie 60 Prozent Nebenkosten rechnen, vielleicht 30 Prozent für die Zutaten. An Gewinn bleiben da höchstens zehn Prozent.“

Bei einer Torte mit zwölf Stücken à 4 Euro ist das, gemessen am Aufwand, wahrlich nicht viel, vor allem, wenn es sich die Gäste so richtig gemütlich machen und bei einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee etwa eine bis eineinhalb Stunden bleiben. &bdquo;Das kann ich sehr gut verstehen, ich finde es privat ja auch sehr schön, sich mal so richtig Zeit zu lassen und zu genießen.“ Aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das dennoch nicht einfach.

Frühstück bringt mehr ein Da hilft die Querfinanzierung über das Frühstück, bei dem der Wareneinsatz durchaus etwas höher ausfallen mag als anderswo: &bdquo;Wir beziehen all unsere Zutaten fürs Frühstück vom Detmolder Wochenmarkt beziehungsweise unseren starken Partnern vor Ort, beispielsweise bieten wir fair gehandelten Kaffee von Joliente an, der aus einer Siebträgermaschine kommt, die alleine schon 15.000 Euro kostet.“

Bei Jans Café Elbing kostet die Tasse drei Euro, das Kännchen Kaffee sieben, und der Sternekoch steht dazu. &bdquo;Natürlich haben die Leute bei uns einen sehr hohen Qualitätsanspruch.“ Und trotzdem sei das andernorts noch nicht das Ende der Fahnenstange, hält sich das Preisgefüge aus seiner Sicht noch im Rahmen: &bdquo;Detmold ist eben nicht Düsseldorf.“ Statt an einem macht das Detmolder Café an zwei Tagen eine Ruhepause. Aber mittwochs bis sonntags ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

Treffpunkt für alle Zwei Ruhetage sind auch für Ute Brockmeyer aus Lügde unverzichtbar. Die verwitwete Mutter zweier Töchter hat in ihrem Café Kinkerlitzken einen Ein-Frau-Betrieb. Personalkosten fallen bei ihr also nicht an, aber als Alleinverdienerin muss sie sehen, das das kleine Café läuft.

Auch bei ihr ist es die Leidenschaft, die sie zur Café-Betreiberin gemacht hat. Allerdings war es zuerst nicht die Leidenschaft für das Backen. &bdquo;Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass ich vorher immer nur Kuchen aufgetaut habe“, erzählt die gelernte Tischlerin und Industriekauffrau. Aber warum um alles in der Welt dann ausgerechnet ein Café? – &bdquo;Mein Mann und ich waren früher oft zu Gast hier, als es das Café Liuhidi war. Und ich habe immer gedacht, daraus könnte man noch viel mehr machen.“

Denn das Café am Kreisel im Herzen Lügdes sei immer schon ein Treffpunkt für die Menschen in der Osterräderstadt gewesen, und das sei es noch. Ausgerechnet ein Jahr vor der Pandemie, also 2019, hat sie den Schritt gewagt und das Café übernommen. Es ist wirklich sehr klein in dem historischen Fachwerkhaus mit dem sehr hohen, petrolfarbenen Gastraum. In der Ecke bullert ein kleiner Pelletofen, und diverse Möbel wie der lange Esstisch und die Verkaufstheke sind handgeschreinert.

Gerade mal 30 Gäste passen höchstens in den Gastraum. &bdquo;Als ich es übernommen habe, habe ich beim Backen viel rumprobiert, habe mir was ausgedacht und manchmal tatsächlich auch was wegwerfen müssen“, erzählt Ute Brockmeyer lachend. &bdquo;Aber mittlerweile habe ich den Bogen raus.“ Dass aus ihr nie eine Konditorin wird, ist vollkommen klar: &bdquo;Wenn einer kommt und sagt, er möchte ein Stück Schwarzwälder Kirsch-Torte, dann schicke ich den ein paar Häuser weiter ins Café Berlage. Das ist noch eine richtige Konditorei, die können das.“

Sie hat es da lieber etwas rustikaler, und das mögen ihre Gäste. Selbst die, die aus dem benachbarten Kurort angelaufen kommen. &bdquo;Ganz viele Kurgäste genießen diesen schönen Weg an der Emmer durch die Wiesen von Bad Pyrmont nach Lügde, und dann freuen sie sich sehr, hier auf ein Café zu treffen.“

Begeisterte Kurgäste Nicht nur das, die Leute freuen sich auch über die Preise, die sich durchaus von denen im Kurort unterscheiden: Eine Tasse Kaffee für 2,70 Euro, ein ganzer Pott für 4,50 Euro. &bdquo;Wir sind halt hier in Lügde.“ Gleichwohl serviert auch Ute Brockmeyer den Joliente-Kaffee, den sie aus Detmold geliefert bekommt, die Eier für den Kuchen kommen aus dem nur wenige Hundert Meter entfernten Hühnermobil direkt aus dem Ort, und im Sommer kommen die Erdbeeren ebenfalls von heimischen Felder.

Und während die Gäste da sitzen, kann es schon mal passieren, dass Ute Brockmeyer in ihrer offenen Küche den nächsten Kuchen in den Ofen schiebt und der Duft den Gastraum erfüllt. Frühstück gibt es nicht im Kinkerlitzken, da verweist Ute Brockmeyer auf den Supermarkt mit Bäcker ein paar Schritte vom Café entfernt: &bdquo;Mit den Preisen dieser Bäckerei-Ketten könnte ich nicht mithalten.“

Das &bdquo;Kinkerlitzken“ ist montags und mittwochs geschlossen, damit Ute Brockmeyer sich ums Einkaufen, die Buchhaltung und ihre Kinder kümmern kann. An den anderen Werktagen öffnet sie von 10 bis 12 und von 14.30 bis 17.30 Uhr, samstags und sonntags von 13 bis 17.30 Uhr.

&bdquo;Manche Leute meinen, ich müsste länger aufhaben. Aber das geht nicht, eine 50-Stunden-Woche reicht mir. Dann denke ich: Stellt Ihr Euch doch mal hin und macht das. Dann würdet Ihr wissen, was da eigentlich alles dranhängt.“

Wie drei lippische Cafés überleben

Café „Kinkerlitzken“ kehrt nach Brand zurück

Nach langer Suche: Beliebter Treff findet im Lemgoer Schützenhaus ein neues Zuhause

30 Euro pro Kilo Kaffee? Detmolder Kaffeerösterei Joliente fürchtet horrende Preise

Kaffeekränzchen im Lügder Heimatmuseum kommt gut an

Vier Tage unterrichten, drei Tage im Café: Lehrerin eröffnet „ánnas deli“ in Bielefeld

„Das Eis war besonders beliebt“: LZ-Leser erinnern sich an das Café Elbing in Detmold

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €