Kabarett mit Doppel-Wumms

Oerlinghausen. &bdquo;Ich denke, also bin ich hier falsch“, steht auf dem schwarzen Shirt von Jörg Czyborra. Ein Slogan, der hinweist auf das, was die 65 Besucher im Gemeindehaus der evangelisch-reformierten Kirche erwartet. Gemeinsam mit Joachim Peters nimmt Czyborra in der Praxis von Doktor Stratmann mit dem kabarettistischen Seziermesser vor allem die Thesen der im Aufwind befindlichen Partei Alternative für Deutschland aufs Korn. Insbesondere Peters operiert mit wortstarken Instrumenten und würde den &bdquo;Patienten AfD“ am liebsten dauerhaft krankschreiben.

Um Glaube und vor allem Aberglaube geht es im 90-minütigen Kabarettprogramm. &bdquo;Der Aberglaube von gestern ist die Verschwörungstheorie von heute.“ Arztdiagnosen, davon kann es gar nicht genug geben. &bdquo;Die zehnte Diagnose hat sicher recht“, das hat schon Erich Kästner gehofft.

Überbordende Bürokratie Die überbordende Bürokratie wird vom Duo am Beispiel des Baus der Arche vor Augen geführt. Sondergenehmigung fürs Bauen in Wohngebieten – abgelehnt. Tiere – wo bleibt die artgerechte Haltung? Holz – &bdquo;eine einzige Katastrophe“. Mit einem Lied geht es zurück ins politische Rechtsaußen und zum Aberglauben.

Joachim Peters verlässt den kabarettistischen Boden zuweilen, wenn er zu denen kommt, die auf Rücksichtnahme, Normen, Werte und Regeln pfeifen und sich selbst die Nächsten sind. &bdquo;Die Rechten schreien am lautesten und machen sich die Welt mit ihrer selbst zusammengestrickten Wahrheit widdewidde wie sie ihnen gefällt“.

Etwas Lokalkolorit Auch ein wenig Lokalkolorit wird eingestreut. Und was würde sich da besser anbieten als der Neubau der Südstadtschule. Der sei mit seinen grau in grauen Wänden &bdquo;gründlich versaut“ und ursprünglich wohl als Parkhaus gedacht gewesen, singt Jörg Czyborra und fügt hinzu: &bdquo;Aber glauben tue ich das nicht.“ Oder vielleicht doch?

Czyborra hat den Kinderliedklassiker &bdquo;In der Weihnachtsbäckerei“ kurzerhand in &bdquo;In der Nörgelrepublik“ umgetextet. Mit der Apotheken-Umschau, besser bekannt als Rentner-Bravo, lamentiert sich das eingespielte Duo durch die Wundherde der Welt.

Nach der Pause nehmen beide ihr Publikum, das zuvor noch den Blick aufs Wartezimmer hatte, mit ins Sprechzimmer. Die Besucher, ist klar, sind gekommen, &bdquo;weil sie an kultureller Unterversorgung leiden“. Dagegen haben Peters und Czyborra ein Rezept: Lachen ist die beste Medizin. Halb in Jacke, halb im weißen Arztkittel übertreffen sich die beiden im Eiltempo mit Arztwitzen, ehe sie zwischendurch zur Urinprobe zitiert werden.

Genuss in Kalorienform Weil Genuss in jedweder Kalorienform dem Duo nicht fremd ist, dichtet Jörg Czyborra Songs von Eric Clapton, Robbie Williams, Opus (&bdquo;Fleisch ist Fleisch“), Klaus Lage (&bdquo;1.000-mal püriert“) und den Prinzen (&bdquo;Ich wär so gern nicht mehr so schwer“) um, und das Publikum hatte hörbar seinen Spaß daran. Auch an der Show mit Talkmaster Erdmann-Schwingstingel (Peters) und Naturforscher Professor Schulte-Hennesbach (Czyborra), der auf seiner Suche nach längst verschollen geglaubten menschlichen Anstands- und Verhaltensweisen tatsächlich hier und dort fündig geworden war. Da hatte ein Mann in der Kneipe doch tatsächlich sein Gegenüber aussprechen lassen und eine Mutter ihr Handy weggelegt, um sich mit ihrer Tochter zu unterhalten. Verrückt.

Natürlich können Peters und Czyborra nicht ohne Zugabe von der kirchlichen Bühne gehen, denn die ist ja schließlich &bdquo;vehement“ gefordert worden. Beide bekennen am Ende ob ihrer Körperfülle: &bdquo;Wir sehen vielleicht so aus, sind aber nicht der von Olaf Scholz angekündigte Doppel-Wumms.“ &bdquo;Schön wars, hat Spaß gemacht“, sagt eine Besucherin und gibt damit wohl die Meinung der Besucher übrigen wieder.

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